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Spannungsgesteuerte Natriumkanäle

Allgemeines - Ablauf - Phasen - positive Rückkopplung - Ionen-Permeabilitäten - Historisches - Ionen-Kanäle

Ein einfaches Modell für einen elektrisch gesteuerten Kanal

Funktionsmodell eines spannungsgesteuerten Ionenkanals
Autor: Ulrich Helmich 2017, Lizenz: siehe Seitenende.

Hier sehen Sie ein einfaches Funktionsmodell eines elektrisch gesteuerten Ionenkanals. In Wirklichkeit sind diese Kanäle wesentlich komplexer aufgebaut.

Das Funktionsmodell besteht aus zwei Protein-Einheiten, die in die Lipid-Doppelschicht eingebettet sind. Achten Sie auf die positiv geladenen Aminosäuren im unteren Ende jeder Protein-Einheit.

Wie verhält sich der Kanal, wenn die Innenseite der Membran negativ geladen ist?

In diesem Fall (Ruhezustand, Normalfall) werden die Spannungssensoren des Kanalproteins mit den positiv geladenen Aminosäuren von der negativen Ladung der Membraninnenseite angezogen. Wenn man sich die Kanalproteine wie kleine Hebel vorstellt, führt das dann dazu, dass die Öffnung an der Außenseite der Membran enger wird. Ionen können die Pore nicht mehr passieren.

Was passiert nun, wenn die Membran depolarisiert wird?

Durch Einströmen positiver Ionen wie beispielsweise Na+ nimmt die Zahl der negativen Ladungen auf der Membraninnenseite deutlich ab, eventuell wird die Innenseite sogar positiv. Die Spannungssensoren werden nicht mehr so stark angezogen oder vielleicht sogar abgestoßen, und die Konformation des Kanals ändert sich. In unserem einfachen Hebel-Modell entsteht jetzt eine Öffnung auf der Außenseite der Membran, durch die Ionen mit dem Konzentrationsgefälle in die Zelle diffundieren können.

Der "echte" spannungsgesteuerte Natrium-Kanal

Ganz so einfach wie in diesem Funktionsmodell ist der richtige spannungsgesteuerte Natrium-Kanal leider nicht aufgebaut. Außerdem muss man dazu sagen, dass es nicht nur einen spannungsgesteuerten Natrium-Kanal gibt, sondern eine ganze Reihe verschiedener Na+-Kanäle. In der englischen Wikipedia werden neun verschiedene spannungsgesteuerte Natrium-Kanäle aufgelistet.

Spannungsgesteuerter Natrium-Kanal

Schematische Darstellung der vier Domänen I bis IV eines spannungsgesteuerten Natriumkanals
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende.

Was sehen wir hier? Der hier abgebildete spannungsgesteuerte Natrium-Kanal ist ein Protein, das aus vier Domänen besteht, also vier Abschnitten oder Funktionsbereichen. Jede dieser Domänen I, II, III und IV besteht aus sechs Alpha-Helices. Die sechs Helices einer Domäne sind durch einfache Peptidketten miteinander verbunden, ebenso wie die vier Domänen. Diese Peptidketten wurden in der Zeichnung sehr stark vereinfacht dargestellt, in Wirklichkeit sind sie unterschiedlich lang und teils auch sehr verschlungen.

Das Interessante an dieser Struktur: Jeweils eine der sechs Helices (stets die vierte) ist positiv geladen, in der Abbildung sind diese Helices violett gezeichnet. In unserem einfachen Funktionsmodell hatten wir ja auch positiv geladene Aminosäuren eingezeichnet. Die Rolle der Spannungssensoren übernehmen beim "echten" Kanal diese vier Alpha-Helices.

Der zelleinwärts gerichtete Pfeil zwischen den Helices 5 und 6 deutet an, dass diese Helices die eigentliche Pore für die Natrium-Ionen bilden.

Die hellgrüne Kugel in der Peptidkette zwischen den letzten beiden Domänen stellt das Inaktivierungstor dar, also den "Pfropfen", der den Natriumkanal von innen verschließen kann.

Natürlich ist der Kanal in Wirklichkeit nicht so angeordnet wie auf dem obigen Bild. Auf der Zeichnung hat man das lange Protein quasi auseinandergezogen. Ich habe mal versucht, den Natrium-Kanal in der Aufsicht schematisch darzustellen.

pannungsgesteuerter Natriumkanal von oben gesehen

Spannungsgesteuerter Natriumkanal von oben gesehen
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende.

Die vier Domänen des Kanal-Proteins sind so angeordnet, dass sie einen hydrophilen Kanal ins Zellinnere bilden, durch den Natrium-Ionen, nicht aber Kalium-Ionen oder andere Ionen passen. Die Größenverhältnisse in dieser Graphik sind wahrscheinlich nicht ganz korrekt, aber das sollte uns jetzt nicht stören.

Die drei Zustände eines spannungsgesteuerten Natriumkanals

siehe folgenden Text

Ein spannungsgesteuerter Natriumkanal im geschlossenen Zustand
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende.

Auf dieser Zeichnung - inspiriert durch die Darstellung auf der Chemgapedia - sieht man einen spannungsgesteuerten Natriumkanal während des Ruhezustandes einer Nervenzelle.

Der Natriumkanal besitzt vier wichtige Funktionselemente, die wir jetzt von oben nach unten betrachten:

  1. Selektivitätsfilter - das ist quasi das "aktive Zentrum" des Natriumkanals. Hier muss sich das Natrium-Ion nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip hineinsetzen, um weiterbefördert zu werden. Andere Kationen können diesen Selektivitätsfilter nicht passieren, wegen ihrer Größe oder wegen ihrer Ladung.
  2. Spannungssensor - das sind die weiter oben besprochenen positiv geladenen Aminosäuren. Die Gruppe von Aminosäuren, durch den roten Kasten dargestellt, ist beweglich in den Natriumkanal eingelagert. Wenn die Membraninnenseite stark negativ geladen ist, wie zum Beispiel im Ruhezustand, dann befindet sich diese Gruppe weiter "unten", also näher zur Innenseite der Membran. Ist die negative Ladung der Membraninnenseite nicht so stark, dann "rutscht" der Spannungssensor weiter nach "oben", also in Richtung Außenseite.
  3. Tor - das eine eine Verengung des Kanals, die das Ion passieren muss. Die Aminosäuren dieses Tors sind mit dem Spannungssensor mechanisch verbunden (über weitere Aminosäuren). Wenn der Spannungssensor nach "oben" wandert, dann werden die Aminosäuren des Tors weiter auseinander gezogen, und das Tor öffnet sich. Das ist aber auf der nächsten Abbildung besser dargestellt.
  4. Inaktivierungstor - Dieser "Pfropfen" kann den Kanal auf der Membraninnenseite komplett verschließen. Wie und wann das passiert, sehen wir auf der nächsten Abbildung.
siehe folgenden Text

Die drei Phasen eines spannungsgesteuerten Natriumkanals
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende.

Ein spannungsgesteuerter Natriumkanal der Axonmembran kann in drei Zuständen vorkommen:

  1. Geschlossen: Im diesem Zustand ist das Tor des Natriumkanals zu. Die Natrium-Ionen können zwar den Selektivitätsfilter passieren, das Tor ist aber verschlossen. Dieser Zustand liegt vor, wenn an der Membran des Axons ein Membranpotenzial von -70 mV herrscht.
  2. Offen: Bei einer Depolarisierung der Membran auf ca. -50 mV(1) schwächt sich die negative Ladung auf der Membraninnenseite ab. Der Spannungssensor wird nicht mehr so stark von der Innenseite angezogen und "wandert" nach oben. Da der Spannungssensor mechanisch mit den Torflügeln verbunden ist, öffnet sich das Tor, und Natrium-Ionen können mit dem Konzentrationsgefälle nach innen diffundieren. Das führt dann dazu, dass sich weitere Natrium-Kanäle öffnen (siehe auch die Vertiefungsseite hierzu).
  3. Inaktiviert: Wird die Membran im Verlauf des Aktionspotenzials noch stärker depolarisiert, bleibt das Tor zwar zunächst noch geöffnet, aber das Inaktivierungstor verschließt den Kanal. Nun können keine Natrium-Ionen mehr in die Zelle eindringen. Da sich die Kaliumkanäle inzwischen vollständig geöffnet haben, kommt es zum Ausstrom positiver Ladungen, und es findet eine Repolarisierung der Membran statt.

Das Inaktivierungstor bleibt solange verschlossen, bis die Kalium-Natrium-Pumpe die ursprünglichen Ionenkonzentrationen wieder hergestellt hat. Dann öffnet sich das Inaktivierungstor, während sich das eigentliche Tor wieder schließt, denn der Spannungssensor registriert, dass auch das ursprüngliche Membranpotenzial wieder hergestellt ist, und "wandert" entsprechend nach unten, also in Richtung Membraninnenseite. Der Kanal liegt nun wieder im geschlossenen aber aktivierbaren Zustand vor.