Alkohole und Alkanole
Der wohl bekannteste Alkohol überhaupt ist Ethanol, auch als Ethylalkohol oder schlicht "Alkohol" bekannt. Betrachten wir uns zunächst mal ein Molekülmodell des Ethanols:
Ein Molekülmodell des Ethanols
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende.
Auffälligstes Merkmal aller Alkohole ist die Hydroxygruppe (OH-Gruppe, früher auch als Hydroxylgruppe bezeichnet).
Strukturformel von Butan-1-ol
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende.
In der Abbildung 2 sehen wir eine Strukturformel von Butan-1-ol, einem Alkohol auf Butan-Basis. Die Abbildung soll zeigen, dass Alkohole, vor allem die Untergruppe der Alkanole, aus einem Alkylrest und einer Hydroxygruppe bestehen.
Für Experten
Alkohole sind Verbindungen mit einer oder mehreren Hydroxygruppen, die keine funktionelle Gruppe mit einer höheren Priorität besitzen.
Beispielsweise ist die Milchsäure kein Alkohol, obwohl die Moleküle eine OH-Gruppe haben. Aber die Milchsäure-Moleküle haben auch eine COOH-Gruppe. Da die COOH-Gruppe eine höhere Priorität hat als die OH-Gruppe, bezeichnet man die Verbindung als Milch-säure und nicht als Milch-alkohol.
Allylalkohol, ein Propen-Molekül mit einer OH-Gruppe, ist dagegen ein Alkohol. Die OH-Gruppe hat eine höhere Priorität als die C=C-Doppelbindung, daher gehört die Verbindung nicht zu den Alkenen, sondern zu den Alkoholen, genauer zu den Alkenolen.
Alkanole sind die von den Alkanen abgeleiteten Alkohole. Sie enthalten also keine anderen funktionellen Gruppen. Die einwertigen Alkanole besitzen die allgemeine Formel CnH2n+1OH.
Die Hydroxygruppe ist die funktionelle Gruppe der Alkanole und bestimmt wesentlich ihre physikalischen Eigenschaften, aber natürlich auch das chemische Verhalten.
Aber: Je größer der Alkylrest des Alkanols ist, desto weniger Einfluss hat die Hydroxygruppe. Das kann man gut an der Wasserlöslichkeit der Alkanole verdeutlichen. Methanol, Ethanol und auch noch Propanol lösen sich sehr gut in Wasser, während die Wasserlöslichkeit von Butanol schon eher mäßig ist. Pentanol und Hexanol lösen sich so gut wie nicht mehr in Wasser.
Merke:
Einfluss der OH-Gruppe
Die Hydroxygruppe (-OH) ist die funktionelle Gruppe der Alkanole und bestimmt ihre Eigenschaften. Je größer der Alkylrest des Alkanols, desto gering ist allerdings der Einfluss der Hydroxygruppe, und die Eigenschaften des Alkylrest bestimmen das Verhalten des Alkohols.
Primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole
Um zu verstehen, was ein primärer, sekundärer bzw. tertiärer Alkohol ist, muss man zunächst die Begriffe primär, sekundär und tertiär klären. Dazu drei kurze Definitionen:
Ein primäres C-Atom ist ein Kohlenstoff-Atom, das nur mit einem weiteren C-Atom verbunden ist.
Ein sekundäres C-Atom ist mit zwei weiteren C-Atomen verbunden.
Ein tertiäres C-Atom ist mit drei weiteren C-Atomen verbunden.
Hier sehen Sie das Kohlenstoff-Grundgerüst des Alkans 2-Methyl-butan. Die primären, sekundären und tertiären C-Atome sind gekennzeichnet.
Autor: Ulrich Helmich 2019, Lizenz: siehe Seitenende.
Ein primärer Alkohol ist ein Alkohol, bei dem die OH-Gruppe an einem primären C-Atom sitzt. Entsprechend befindet sich bei sekundären Alkoholen die Hydroxygruppe an einem sekundären C-Atom und bei tertiären Alkoholen an einem tertiären C-Atom.
Ein primärer, ein sekundärer und ein tertiärer Alkohol, abgeleitet vom Alkan 2-Methyl-butan. Die H-Atome wurden nicht mit eingezeichnet.
Autor: Ulrich Helmich 2019, Lizenz: siehe Seitenende.
Quartäre Alkohole gibt es nicht, denn quartäre C-Atome sind bereits mit vier anderen C-Atomen verbunden, somit ist an einem solchen C-Atom kein Platz mehr für eine OH-Gruppe.
Die physikalischen Eigenschaften der primären, sekundären und tertiären Alkohole unterscheiden sich etwas, Einzelheiten dazu können Sie auf der Seite "physikalische Eigenschaften" nachlesen.
Die chemischen Eigenschaften sind dagegen sehr unterschiedlich. Bei vielen Reaktionen sind tertiäre Alkohole reaktiver als primäre. Einzelheiten dazu finden Sie auf der Seite "Reaktionen der Alkohole".
Stellung der OH-Gruppe
Die Stellung der OH-Gruppe spielt bei der Bezeichnung der Alkohole eine große Rolle, womit wir auch schon beim Thema Nomenklatur (Namensgebung) wären. Grundsätzlich tragen die Alkanole den Namen ihres entsprechenden Alkans. Ein Alkanol mit fünf C-Atomen ist daher ein Pentanol, der Name "Pentanol" taucht aber nicht immer in der Bezeichnung des Alkohols auf, wie wir gleich sehen werden.
Die folgende Abbildung zeigt die Strukturformeln und Namen aller Isomere des Pentanols, die es gibt. Nur wenn die längste Kohlenstoffkette, an der die OH-Gruppe sitzt, aus fünf C-Atomen besteht, ist das Wort "pentanol" in dem Namen enthalten.
Die Strukturen von acht verschiedenen Pentanolen
Autor: Ulrich Helmich 2017, Lizenz: siehe Seitenende.
Das einfachste dieser Pentanol-Isomere ist der Alkohol Pentan-1-ol. Diese Schreibweise hört sich zunächst komisch an, hat sich aber im Laufe der Jahre international durchgesetzt, auch in immer mehr Schulbüchern ist sie zu finden. Alternative ältere Bezeichnungen für diesen Alkohol sind 1-Pentanol und Pentanol-1. Aber immer ist die Position 1 der OH-Gruppe in dem Namen wiederzufinden. Die OH-Gruppe genießt Vorrang vor eventuellen Alkyl-Seitenketten wie Methyl- oder Ethyl- und hat daher stets eine möglichst kleine Ziffer.
Auch die Namen der beiden anderen Pentanole mit Pentan-Grundgerüst sind einfach zu verstehen. Beim Pentan-2-ol sitzt die OH-Gruppe am zweiten C-Atom, beim Pentan-3-ol am dritten. Ein Pentan-4-ol gibt es nicht, die Verbindung wäre identisch mit Pentan-2-ol. Entsprechend wäre ein Pentan-5-ol mit einem Pentan-1-ol identisch.
Bei einer Verbindung mit fünf C-Atomen müssen die fünf C-Atome nicht in einer Kette aneinander gereiht sein. Eine Butan-Kette mit einer Methylgruppe als Seitenkette oder eine Propan-Kette mit zwei Methylgruppen am mittleren C-Atom ist ebenfalls ein Pentan, allerdings taucht der Name "Pentan" nicht im offiziellen Namen der Verbindung auf, der sich immer nach der längsten C-Kette richtet, und wenn diese aus vier C-Atomen besteht, handelt es sich um ein Butan oder ein Butan-Derivat (Abkömmling).
Wie die Abbildung zeigt, gibt es insgesamt vier verschiedene Pentanole mit einem Butan-Grundgerüst, die folglich als Butanole bezeichnet werden müssen. Beim 2-Methyl-butan-1-ol sitzt die Methylgruppe am zweiten C-Atom, beim 3-Methyl-butan-1-ol am dritten C-Atom.
Nun kann die OH-Gruppe aber auch am zweiten C-Atom der Butan-Kette sitzen, und für die Methylgruppe ist dann Platz am zweiten oder dritten C-Atom. Entsprechend heißen die beiden Pentanole dann 2-Methyl-butan-2-ol und 3-Methyl-butan-2-ol. Ein 4-Methyl-butan-2-ol gibt es als Bezeichnung nicht, die Verbindung müsste dann Pentan-2-ol heißen.
Pentanole auf Propan-Basis liefern nicht mehr so viele verschiedene Isomere. Es ist nur ein 2,2-Dimethyl-propan-1-ol möglich. Egal, an welcher der vier CH3-Gruppen die OH-Gruppe sitzt, der Name ist stets 2,2-Dimethyl-propan-1-ol.
Ein- und mehrwertige Alkohole
Bisher haben wir nur Alkohole mit einer OH-Gruppe besprochen. Es gibt aber auch Alkohole mit zwei, drei oder mehr OH-Gruppen. Solche Alkohole werden als Diole, Triole oder allgemein Polyole bezeichnet; in der praktischen organischen Chemie spielen aber fast nur Diole und Triole eine große Rolle.
Diol = Alkanol mit zwei Hydroxygruppen.
Triol = Alkanol mit drei Hydroxygruppen.
Ein bekanntes Diol ist Ethan-1,2-diol mit einer OH-Gruppe am ersten C-Atom und einer OH-Gruppe am zweiten C-Atom. Theoretisch wäre auch ein Ethan-1,1-diol möglich, eine solche Verbindung ist aber sehr instabil und existiert unter normalen Bedingungen nicht lange.
Ethan-1,2-diol ist übrigens als Ethylenglycol oder kurz Glykol bekannt und berüchtigt (Weinskandal 1985, bei dem Glykol als Süßungsmittel beigemischt wurde, um eine höhere Qualität vorzutäuschen). Glykol ist auch in dem Frostschutzmittel für Scheibenwaschanlagen enthalten.
Noch bekannter und wichtiger ist das Propan-1,2,3-triol oder Glycerin, ein Molekül, das in fast jedem uns bekannten Neutralfett vorkommt. Die Vertreter dieser wichtige Klasse der Lipide werden daher als Triacylglyceride oder kurz Triglyceride bezeichnet. Neutralfette oder Triglyceride bestehen aus einem Glycerin-Molekül, das mit drei Fettsäure-Molekülen verbunden ist.
Damit wissen Sie jetzt, wie man ein Molekül mit mehreren OH-Gruppen korrekt benennt. Zunächst zählt man, wie viele OH-Gruppen in dem Molekül vorkommen, dann hat man schon einmal den Namensbestandteil "diol" oder "triol". Dann schaut man, an welchen C-Atomen die OH-Gruppen sitzen und nummeriert die C-Atome so, dass die Summe der Zahlen möglichst klein ist. So wäre die korrekte Bezeichnung für ein Pentan mit drei OH-Gruppen an dem äußeren, dem benachbarten sekundären und dem mittleren C-Atom Pentan-1,2,3-triol und nicht etwa Pentan-3,4,5-triol.