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Grundlagen der nucleophilen Substitution

Lernziele

Wenn Sie diese Seite durchgearbeitet haben, sollten Sie wissen

  • Was man allgemein unter einer Substitution versteht,
  • dass es zwei Arten von Nucleophilen gibt, anionische und neutrale,
  • das Halogenalkane das Angriffsziel von Nucleophilen sein können,
  • wie die Reaktion zwischen drei Isomeren des Brombutans und Ethanol abläuft.

Nucleophile Substitution

Substitution

Den Begriff der Substitution haben Sie bereits bei der Behandlung der Radikalischen Substitution in dieser Q1-Abteilung kennengelernt. Auch auf den Begriff der Selektivität sind wir dort eingegangen und haben dort gelernt, dass tertiäre Radikale stabiler sind als sekundäre und primäre und daher bei der Radikalischen Substitution bevorzugt gebildet werden.

Substrat, Abgangsgruppe und Eingangsgruppe

Wir wollen uns im Folgenden auf diese Fachbegriffe festlegen:

Substrat = die organische Verbindung R-X, bei der X durch Y ersetzt wird. X und Y können dabei einzelne Atome oder Gruppen von Atomen (zum Beispiel -OH oder -CN) sein.

Abgangsgruppe = das Atom oder die Atomgruppe X, die bei der Substitution abgespalten wird.

Eintrittsgruppe = das Atom oder die Atomgruppe Y, die bei der Substitution die Abgangsgruppe ersetzt.

Bei einer Substitution wird die Abgangsgruppe X eines organischen Substrats R-X durch eine Eintrittsgruppe Y ersetzt.

Neben den Substitutionen gibt es noch zwei andere Reaktionstypen in der organischen Chemie, die Addition und die Eliminierung. Bei einer Addition kommen nur ein oder zwei Eintrittsgruppen zum organischen Substrat dazu, und bei einer Eliminierung wird nur eine Abgangsgruppe abgegeben, aber nicht ersetzt.

Nun haben wir gelernt, was man in der organischen Chemie unter einer Substitution versteht, und wie sich eine Substitution von einer Addition und Eliminierung unterscheidet. Wir müssen jetzt "nur" noch verstehen, was das Besondere an einer nucleophilen Substitution ist.

Radikale, Nucleophile und Elektrophile

In der organischen Chemie gibt es grundsätzlich drei Typen von angreifenden Teilchen Y: Radikale, Nucleophile und Elektrophile.

  • Radikale kennen Sie bereits aus dem letzten Kapitel "Vom Alkan zum Halogenalkan". Radikale sind meistens ungeladene Atome oder Moleküle, die eine einfach besetzte Kugelwolke mit einem "einsamen" oder "ungepaartem" Elektron besitzen.
  • Nucleophile sind Teilchen (Atome, Ionen oder Moleküle!), die von elektrisch positiv geladenen oder positiv polarisierten C-Atomen angezogen werden.
  • Elektrophile sind Teilchen, die von elektrisch negativ geladenen oder negativ polarisierten C-Atomen angezogen werden.

nucleophil, Nucleophile und Nucleophilie

Nachdem wir die drei verschiedenen Typen angreifender Teilchen kennengelernt haben, müssen wir noch drei wichtige Fachbegriffe klären, die sehr leicht verwechselt werden - nicht nur von Schülern.

  • Nucleophil = ein Teilchen, das von elektrisch positiv geladenen oder positiv polarisierten C-Atomen angezogen wird.
  • Nucleophilie = das Verhalten eines nucleophilen Teilchens, die Tatsache, dass ein positiv geladenes oder positiv polarisiertes C-Atom Moleküle oder Ionen elektrisch anzieht.
  • nucleophil = die Eigenschaft eines Nucleophils.

Anionische und neutrale Nucleophile

Es gibt zwei Sorten von nucleophilen Teilchen bzw. Nucleophilen:

  • Ein anionisches Nucleophil ist ein negativ geladenes Ion :Y- mit einem freien Elektronenpaar. Beispiele für anionische Nucleophile sind Halogenid-Ionen, Hydroxid-Ionen, Alkoholat-Ionen, Cyanid-Ionen etc.
  • Ein neutrales Nucleophil ist ein neutrales Molekül mit einer negativen Teilladung und einem freien Elektronenpaar. Beispiele für neutrale Nucleophile sind Wasser, Ammoniak, Ethanol, Schwefelwasserstoff und so weiter.

Anionische Nucleophile (obere Reihe) und neutrale Nucleophile
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: Public domain.

Nucleophilie

Auf dieser Lexikon-Seite finden Sie weitere Informationen das Phänomen der Nucleophilie.

Studienvorbereitung Nucleophile Substitution

Diese Seiten sind speziell für Leute geschrieben, die nach dem Abitur Chemie oder eine verwandte Wissenschaft studieren wollen, und natürlich auch für Studienanfänger in diesen Fächern.

Ein kleiner Versuch

Nach dieser kurzen theoretischen Einführung machen wir erst mal einen kleinen Versuch, der so schön ist, dass er inzwischen in vielen Schulbüchern der Chemie abgedruckt ist, beispielsweise im aktuellen Schroedel-Band "Chemie heute SII Qualifikationsphase"[3].

Versuch:
Reaktion verschiedener Brombutane mit Ethanol

Auf dieser Seite finden Sie eine Beschreibung der Versuchsdurchführung sowie der Beobachtungen, außerdem zwei selbst erstellte Photos der Versuchsergebnisse.

Deutung des Versuchs

Das Alkohol-Molekül besitzt eine polare Hydroxygruppe, wobei das Sauerstoff-Atom eine negative Teilladung und zwei freie Elektronenpaare trägt. Das Ethanol-Molekül ist also ein gutes neutrales Nucleophil.

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Die Reaktion im zweiten Reagenzglas: 2-Brombutan + Ethanol ---> Ethylbutylether + Bromwasserstoff
Autor: Ulrich Helmich 2020, Lizenz: siehe Seitenende

Das Ethanol-Molekül substituiert das Brom-Atom im 2-Brombutan, dabei entstehen Ethylbutylether und Bromwasserstoff.

In Wirklichkeit läuft die Reaktion etwas komplexer ab. Zunächst spaltet Ethanol ein Proton ab und wird zum Ethanolat-Ion CH3-CH2-O-. Dieses Anion ist jetzt ein recht starkes ionisches Nucleophil. Es verdrängt das Brom-Atom aus dem 2-Brombutan, das dann als Bromid-Anion Br- freigesetzt wird.

Diese Bromid-Ion verbindet sich nun mit dem zuvor vom Alkohol abgespaltenen Proton zu Bromwasserstoff HBr, und ein Teil der Bromid-Ionen reagiert mit den Silber-Ionen Ag+ zu schwer löslichem Silberbromid AgBr.

Das Silberbromid ist schwer wasserlöslich und fällt als gelblich weißer Niederschlag aus. Dadurch wird dem Reaktionsgemisch Bromid entzogen, und das führt nach dem Prinzip des kleinsten Zwangs dazu, dass sich das chemische Gleichgewicht der Reaktion weiter nach rechts verschiebt, zur Produktseite also.

Mit dem Substrat 1-Brombutan läuft die Reaktion nicht so gut, mit den vorhandenen Schulmitteln konnte jedenfalls keine Reaktion beobachtet werden. 2-Brombutan reagiert deutlich stärker, und am besten läuft die Reaktion bei 2-Brom-2-methylpropan ab. Offensichtlich nimmt die Reaktivität des Brombutans zu, wenn das Brom-Atom an einem sekundären C-Atom sitzt, und erst recht, wenn es an einem tertiärem C-Atom sitzt.

In der Dyker-Vorlesung[1] werden folgende spektakuläre Zahlen genannt:

  • Bromethan: 1
  • 2-Brompropan: 12
  • 2-Brom-2-methylpropan: 120.000

Bei diesen Zahlen handelt es sich um die relative Geschwindigkeit der Reaktion von Bromalkanen mit Wasser als Nucleophil in Aceton als Lösemittel bei Zimmertemperatur. Das tertiäre 2-Brom-2-methylpropan reagiert 120.000 mal heftiger / schneller / besser als das primäre Bromethan. Woran das liegt, werden wir auf einer späteren Seite noch genauer sehen.

Quellen:

  1. Vorlesung Organische Chemie 1.17 von Prof. G. Dyker: "Nucleophile Substitution" (YouTube)
  2. Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992
  3. Chemie heute SII, Qualifikationsphase, Braunschweig 2014.

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