Helmichs Chemie-Lexikon

Le Chateliersches Gesetz

Dieses wichtige Gesetz beschreibt, wie Gleichgewichtsreaktionen durch äußere Einflüsse wie Druck, Temperatur, Veränderungen der Konzentrationen etc. auf die Seite der Edukte oder Produkte verschoben werden können. Das Le Chateliersche Gesetz ist auch als "Prinzip des kleinsten Zwangs" bekannt, obwohl die Formulierung etwas unglücklich ist. Auf der Seite von Prof. Blume finden sich interessante Überlegungen zu der Frage, was eigentlich mit dem Wort "kleinster" gemeint ist.

Aufgestellt wurde das berühmte Gesetz von H. F. Le Chatelier und K. F. Braun im Jahre 1887. Das Le Chateliersche Gesetz besagt, dass sich ein chemisches Gleichgewicht immer so verschiebt, das es dem äußeren Zwang ausweicht.

Berühmtes Beispiel: Ammoniak-Synthese

Die Ammoniak-Synthese läuft nach folgender Reaktion ab:

$N_{2} + 3 H_{2} \rightleftharpoons 2 NH_{3}$

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Aus vier Volumenteilen Gas entstehen durch die Reaktion zwei Volumenteile; das Volumen halbiert sich also. Werden die Edukte Stickstoff und Wasserstoff einem hohen Druck ausgesetzt, so wird das Gleichgewicht der Reaktion nach rechts verschoben. Durch die Volumenhalbierung weicht das System diesem hohen Druck aus.

Beispiel: Konzentrationserhöhung

Bei einer allgemeinen Reaktion der Art

$A + B \rightleftharpoons C$

führt eine Erhöhung von c(A) oder c(B) zu einer Gleichgewichtsverschiebung nach rechts. Durch den Umbau der Edukte A und B zum Produkt C versucht das System, diesem Zwang auszuweichen.

Eine Erhöhung von c(C) verschiebt das Gleichgewicht dagegen nach links.

Mit Hilfe der Stoßtheorie könnte man folgendermaßen argumentieren:

Eine Erhöhung der Konzentrationen von A und B erhöht die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Zusammenstoßes zwischen den beiden Edukt-Teilchen. Daher nimmt die Konzentration des Produktes schneller zu.

Umgekehrt steigt bei erhöhter Produkt-Konzentration die Wahrscheinlichkeit von C-C-Zusammenstößen und somit steigt auch die Geschwindigkeit der Rückreaktion.

Beispiel: Konzentrationserniedrigung

Bei einer allgemeinen Reaktion der Art

$A + B \rightleftharpoons C$

führt eine Erniedrigung von c(A) oder c(B) zu einer Gleichgewichtsverschiebung nach links. Die Wahrscheinlichkeit eines A-B-Stoßes verringert sich durch die Erniedrigung der Konzentrationen, also sinkt die Geschwindigkeit der Hinreaktion, während die Geschwindigkeit der Rückreaktion unbeeinflusst bleibt. Das führt dann zu einer Verschiebung des chemischen Gleichgewichts auf die Produktseite.

Wenn man nicht auf die Stoßtheorie zurückgreifen will, kann man dieses Phänomen auch so interpretieren: Durch die Bildung neuer Edukte versucht das System, diesem Zwang auszuweichen.

Eine Erniedrigung von c(C) verschiebt das Gleichgewicht dagegen nach rechts, weil jetzt die Wahrscheinlichkeit von C-C-Stößen verringert wird und so die Geschwindigkeit der Rückreaktion sinkt.

Beispiel Temperaturerhöhung

Wenn

$A + B \rightleftharpoons C$

eine exotherme Reaktion ist, dann führt eine Temperaturerhöhung zu einer Verschiebung des Gleichgewichts nach links. Bei der Reaktion wird Energie freigesetzt. Wenn wir diese freigesetzte Energie formal als Produkt betrachten, können wir schreiben:

$A + B \rightleftharpoons C + Energie$

Wenn wir jetzt Energie zuführen (Temperaturerhöhung), dann könnte man das formal so sehen, als ob die "Konzentration" des Produktes "Energie" erhöht wird. Daher wird das Gleichgewicht nach links, auf die Eduktseite, verschoben.

Ist

$A + B \rightleftharpoons C$

dagegen eine endotherme Reaktion, so führt eine Temperaturerhöhung zu einer Gleichgewichtsverschiebung nach rechts.

$A + B + Energie \rightleftharpoons C$

Die Energiezufuhr wirkt formal wie eine Erhöhung der "Energiekonzentration".

Beispiel: Ionenprodukt des Wassers

Betrachten wie die Autoprotolyse-Gleichung des Wassers mit der Reaktionsenergie als "Stoff":

$2 H_{2}O + Energie \rightleftharpoons H_{3}O^{+} + OH^{-}$

dann sieht man, dass eine Temperaturerhöhung das Gleichgewicht nach rechts verschiebt. Die Konzentration der Oxonium-Ionen und Hydroxid-Ionen nimmt also zu. Statt 10-7 mol/l steigen die Konzentration vielleicht auf 10-6 mol/l. Das Ionenprodukt steigt entsprechend von 10-14 mol2/l2 auf 10-12 mol2/l2 an. Der pH-Wert des heißen Wassers liegt dann bei 6, dennoch ist das heiße Wasser neutral, denn es gilt immer noch c(H3O+) = c(OH-).

Beispiel: Konzentrationszellen

Bei einem galvanischen Element befindet sich die linke Silber-Elektrode in einer 1-molaren Silbernitratlösung, die rechte Silber-Elektrode in einer 0,1-molaren Silbernitratlösung. Die Erniedrigung der Konzentration der Silber-Kationen in der rechten Halbzelle bewirkt eine Verschiebung des Gleichgewichts der Reaktion

$Ag_{(s)}\rightleftharpoons Ag^{+}_{(aq)}+ e^{-} $

nach rechts. Es werden also mehr Elektronen freigesetzt, die dann zur linken Halbzelle fließen können, wenn die beiden Halbzellen miteinander verbunden werden.

Beispiel: Iodierung von Chloralkanen

Bei der sogenannten Finkelstein-Reaktion, einer einfachen nucleophilen Substitution, wird das Chlor-Atom eines Chloralkans durch ein Iod-Atom ersetzt [4]. Bei dieser Reaktion

$R-Cl + I^{-} \rightleftharpoons R-I + Cl^{-} $

wird meistens Natriumiodid, gelöst in Aceton, als Reagenz zugesetzt. Das Gleichgewicht dieser Reaktion kann stärker zur Produktseite verschoben werden, wenn es gelingt, die Chlorid-Ionen zu entfernen. Hier macht man sich die Tatsache zu Nutze, dass Natriumiodid gut in Aceton löslich ist, Natriumchlorid dagegen nicht. Das bei der Reaktion gebildete Natriumchlorid fällt also als Feststoff aus (wegen der geringen Löslichkeit in Aceton) und verschwindet damit aus dem Reaktionsgemisch. So wird das Gleichgewicht der Reaktion stärker auf die Produktseite verschoben, einfach durch eine geschickte Wahl des Lösungsmittels.

Beispiel: Isomerisierung von Glucose-6-phosphat

Der zweite Schritt der Glycolyse ist die Isomerisierung von Glucose-6-phosphat zu Fructose-6-phosphat. Das chemische Gleichgewicht liegt stark auf der Seite des Edukts. Dennoch wird das Edukt vollständig umgesetzt, weil das Produkt ständig aus dem Stoffgemisch entzogen wird, da es weiter reagiert.

Beispiel: Bildung des Nitronium-Ions

Salpetersäure HNO3 wird durch Schwefelsäure zu H2NO3+ protoniert und zerfällt dann in das Nitronium-Ion NO2+ und Wasser H2O. Die hygroskopische Schwefelsäure entfernt das Wasser aus dem Gleichgewicht und "zieht" so die Reaktion auf die Produktseite.

Quellen:

  1. Chemie-Lehrbücher für die gymnasiale Oberstufe
  2. Das Prinzip von Le Chatelier: Gleichgewichte lassen sich verschieben
  3. Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992
  4. Wikipedia, Artikel "Finkelstein-Reaktion", aufgerufen am 20.03.2020