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Brandfördernd | Gas unter Druck | Gesundheitsgefahr |
1. Einführung
Acetaldehyd ist der Trivialname für Ethanal, dem zweiteinfachsten Aldehyd bzw. Alkanal.
2. Strukturdaten

Strukturdaten des Methanal-Moleküls und des Ethanal-Moleküls
Autor: Ulrich Helmich 10/2024, Lizenz: Public domain
Eine Carbonyl-Gruppe C=O ist mit einer Methyl-Gruppe -CH3 und einem H-Atom verknüpft. Wegen der hohen Elektronegativität des O-Atoms ist das C-Atom der Carbonyl-Gruppe positiv polarisiert.
Die beiden C-Atome, das O-Atom und das H-Atom der Aldehyd-Gruppe liegen in einer Ebene, das liegt an der sp2-Hybridisierung der beiden an der C=O-Doppelbindung beteiligten Atome.
Bindungswinkel
Theoretisch betragen die Bindungswinkel an einem sp2-hybridisierten C-Atom genau 120º, wenn alle Bindungen gleichwertig sind. Bei Aldehyden und Ketonen ist das aber nicht der Fall, die vier Bindungselektronen sowie die beiden freien Elektronenpaare des O-Atoms üben eine Abstoßungskraft auf die anderen beiden kovalenten Bindungen aus.
Beim Methanal führt dass dann zu einem H-C-H-Bindungswinkel von 117 statt 120 Grad. Beim Ethanal wird die CH3-Gruppe noch stärker abgestoßen als ein H-Atom, wegen der sechs Elektronen der drei C-H-Bindungen der Methyl-Gruppe. Der CH3-C-H-Bindungswinkel schrumpft hier sogar auf 114 Grad.
Dass die CH3-Gruppe stärker abstoßen wird als ein H-Atom, sieht man an den beiden anderen Bindungswinkel im Acetaldehyd-Molekül. Der H3C-C=O Winkel hat einen Wert von 125º, während der H-C=O Winkel nur einen Wert von 121º hat.
Bindungslängen
Die Bindungslängen sind wie folgt:
- C-C-Einfachbindung: 150,0 pm,
- C=O-Doppelbindung: 120,4 pm,
- C-H-Einfachbindung der Aldehyd-Gruppe: 112,4 pm,
- C-H-Einfachbindungen der Methyl-Gruppe: 109 pm.
Diese Daten stammen übrigens aus dem Lehrbuch von Vollhardt und Schore [6].
Tautomerie
Das Ethanal-Molekül besitzt ein recht instabiles Tautomer, das formal als Ethenol bezeichnet werden müsste. Üblicher ist aber der Begriff Vinylalkohol:

Tautomerie des Acetaldehyd-Moleküls
Autor: Ulrich Helmich 10/2024, Lizenz: Public domain
Das Tautomer ist sehr instabil, unter normalen Bedingungen wandelt es sich sofort in das stabilere Ethanal-Tautomer um.
Die Gleichgewichtskonstante K dieser Reaktion ist 6 x 10-7 bei Raumtemperatur, es liegen unter normalen Bedingungen also nur sehr geringe Anteile von Ethenol im chemischen Gleichgewicht vor. Ethanal ist 42,7 kJ/mol stabiler als Ethenol [5].
Durch Anlagerung bestimmter Metall-Komplexe kann das instabile Ethenol-Tautomer jedoch stabilisiert werden, so dass man seine Stuktur und Eigenschaften untersuchen kann.
Paraldehyd und Metaldehyd
Drei Ethanal-Moleküle können sich zu einem ringförmigen Paraldehyd vereinigen. Auch die Bildung von Metaldehyd aus vier Ethanal-Molekülen ist möglich.

Paraldehyd, Acetaldehyd und Metaldehyd
User:Innerstream, Public domain, via Wikimedia Commons
Paraldehyd ist eine farblose Flüssigkeit, die stark nach Ether riecht. Mit Wasser und vielen organischen Lösemitteln ist P. gut mischbar. Versetzt man P. bei Zimmertemperatur mit Schwefelsäure, so bildet sich Acetaldehyd. Kühlt man diesen - weiter in Anwesenheit von Schwefelsäure - auf -10 ºC ab, vereinigen sich vier Acetaldehy-Moleküle zu einem Metaldehyd-Molekül.
Methaldehyd ist ein farloser, leicht entzündlicher Feststoff mit einem Schmelzpunkt von 45,5 ºC. In Europa ist Metaldehyd als Pflanzenschutzmittel zugelassen, auch zur Bekämpfung von Schnecken wird M. eingesetzt.
3. Physikalische Eigenschaften
3.1 Schmelz- und Siedepunkt
Der Schmelzpunkt von Acetaldehyd bzw. Ethanal liegt bei -123 ºC.
Der Siedepunkt von 20,8 ºC liegt deutlich höher als der Siedepunkt vergleichbarer Alkane, aber auch deutlich unterhalb dem Siedepunkt vergleichbarer Alkohole:
- Acetaldehyd (M = 44,1 g/mol, Sdp. = 20 ºC )
- Propan (M = 44,1 g/mol, Sdp. = -42,1 ºC )
- Ethanol (M = 46,1 g/mol, Sdp. = 78,3 ºC )
Mit einem Siedepunkt von 20,8 ºC siedet Acetaldehyd bereits bei leicht erhöhter Zimmertemperatur, daher muss diese Verbindung kühl gelagert werden. Bei Zimmertemperatur bildet Acetaldehyd explosive Dampf-Luft-Gemische, die sich leicht entzünden können.
Wie kommt dieser "mittlere" Siedepunkt des Ethanals zustande?
Ethanal hat einen höheren Siedepunkt als ein Alkan mit vergleichbarer Molmasse. Das liegt daran, dass Ethanal ein permanenter Dipol ist, daher wirken nicht nur die London-Kräfte zwischen den Molekülen (wie bei den Alkanen), sondern zusätzlich auch Keesom-Kräfte (oft als Dipol-Dipol-Wechselwirkung bezeichnet).
Ein vergleichbarer Alkohol dagegen hat einen deutlich höheren Siedepunkt als Acetaldehyd, denn die Alkohol-Moleküle werden nicht nur durch die eben genannten schwachen van-der-Waals-Kräfte zusammengehalten (London-Kraft, Keesom-Kraft), sondern zusätzlich durch relativ starke Wasserstoffbrücken-Bindungen.
3.2 Löslichkeitsverhalten
Acetaldehyd ist unbegrenzt in Wasser löslich. Verantwortlich dafür ist das O-Atom der Carbonylgruppe, das mit den Wasser-Molekülen H-Brücken bilden kann. Auch in Ethanol kann unbegrenzt viel Acetaldehyd gelöst werden.
Aber auch mit vielen unpolaren Verbindungen bildet Acetaldehyd Lösungen, daher wird es häufig als universelles Lösemittel für Farben und Lacke, Vinylharze, Öle und ähnliche Stoffe eingesetzt.
3.3 Weitere Eigenschaften
Acetaldehyd bzw. Ethanal ist eine sehr leicht flüchtige, leicht entzündliche, farblose, stechend riechende und betäubende Flüssigkeit. Die Dichte beträgt 0,784 g/cm3. Der Flammpunkt liegt bei -39 ºC und der Zündpunkt ist extrem niedrig, nämlich nur 140 ºC.
4. Gewinnung und Synthese
4.1 Oxidation von Ethanol
Im Labor kann Acetaldehyd recht einfach aus Ethanol durch Oxidation hergestellt werden. Der bekannteste und in fast jedem Schulbuch vertretende Versuch ist die Oxidation von Ethanol mit heißem Kupferoxid.
Dazu erhitzt man ein Kupferblech in der Bunsenflamme, so dass sich eine schwarze Oxidschicht bildet. Das heiße Kupferoxid hält man dann in eine Abdampfschale mit etwas Ethanol. Es zischt und brodelt heftig, wobei der stechende Geruch von Acetaldehyd freigesetzt wird. Die größte Überraschung für die Schüler ist aber immer die völlige Umwandlung des schwarzen Kupferblechs in glänzendes metallisches Kupfer.
Industriell verwendet man ebenfalls ein Verfahren, das auf der Oxidation von Ethanol basiert. Und zwar dehydriert man Alkoholdampf über Cu/Zn- oder Cu/Cr-Katalysatoren bei 250 bis 400 ºC [1].
4.2 Addition von Wasser an Ethen
Ein wichtiges industrielles Verfahren zur Ethanal-Herstellung ist die Addition von Wasser an Ethen in Gegenwart von Quecksilbersulfat [1] .
4.3 Oxidation von Ethen mit Luftsauerstoff
Ein weiteres in der Industrie eingesetztes Verfahren ist die Direktoxidation von Ethen mit Luftsauerstoff in Gegenwart von Palladium(II)- und Kupfer(II)-chlorid-Katalysatoren [2]. Dieses Verfahren wird als Wacker-Hoechst-Verfahren bezeichnet.
4.4 Weitere Verfahren zur Synthese von Aldehyden
Im Morrison/Boyd kann man folgende Verfahren zur Herstellung von Aldehyden finden:
- Oxidation primärer Alkohole
- Oxidation von Methylbenzolen
- Reduktion von Säurechloriden
- Reimer-Tiemann-Reaktion
5. Reaktionen
Acetaldehyd als zweiteinfachster Vertreter der Aldehyde hat auch alle chemischen Eigenschaften der Aldehyde.
Am wichtigsten ist die polare Carbonylgruppe im Acetaldehyd-Molekül, an die sich sowohl nucleophile wie auch elektrophile Teilchen anlagern können.
Die typische Reaktion der Carbonylverbindungen ist auf diesen Seiten der Homepage ausführlich dargestellt.
Als Aldehyd kann Acetaldehyd oxidiert werden, dabei entsteht dann die Essigsäure. Umgekehrt kann Acetaldehyd auch reduziert werden, wobei wieder Ethanol gebildet wird.
In der Industrie wird Acetaldehyd hauptsächlich zur Herstellung von Essigsäure verwendet, aber auch viele andere chemische Verbindungen können aus A. hergestellt werden, beispielsweise Aceton und Butadien, Acrolein und Pentaerythrit.
6. Vorkommen und Bedeutung
Acetaldehyd kommt in vielen Pflanzen und Früchten vor, beispielsweise in der Ananas, in Mandarinen und Orangen, Äpfeln, Pfirsichen und so weiter.
Auch im tierischen Stoffwechsel spielt A. eine wichtige Rolle, es ist nämlich ein Zwischenprodukt beim Abbau von Kohlenhydraten. Beim Menschen ist A. außerdem ein Abbauprodukt des Ethanols in der Leber, und vermutlich ist A. auch für den Zustand des "Katers" verantwortlich, der nach übermäßigem Alkoholgenuss auftritt.
A. geht nämlich leicht Bindungen mit den DNA-Molekülen in unseren Zellen ein und kann so Mutationen auslösen, die u.U. zu Krebserkrankungen führen können.
Auch auf Leber und Herz hat A. viele schädliche Wirkungen. Hier ein gekürztes Zitat aus der Wikipedia zu diesem Thema [4]:
Acetaldehyd "bildet Proteinaddukte, die die sogenannten Kupffer-Zellen (Makrophagen der Leber) aktivieren. Diese sezernieren verstärkt Stoffe, die andere Zellen der Leber, die Itozellen, so verändern, dass diese daraufhin verstärkt Kollagen bilden. Das begünstigt die Ausbildung einer Leberzirrhose. Außerdem führt Acetaldehyd über die Aktivierung der NADPH-Oxidase (NOX2) zur vermehrten Bildung von Sauerstoffradikalen, welche die Membranen der Zellen schädigen, sodass diese zugrunde gehen. Davon betroffen sind auch die Mitochondrien der Kardiomyozyten, was zunächst die Fähigkeit der Herzmuskelzellen zur Kontraktion beeinträchtigt und diese im weiteren Verlauf zerstört, sodass es zu einer irreparablen Schädigung des Muskels und schließlich zur chronischen Herzinsuffizienz kommt."
An Schulen ist Acetaldehyd aus diesen Gründen nicht mehr erlaubt [3].
7. Schulversuche mit Acetaldehyd
Die hier aufgeführten Versuche sind auf der Seite von Prof. Blume (Bielefeld) ausführlich beschrieben.
Herstellung von Acetaldehyd
- Katalytische Dehydrierung von Ethanol
- Darstellung von Ethanal aus Ethanol durch Oxidation mit schwefelsaurer Kaliumdichromatlösung
- Herstellung von Acetaldehyd aus Paraldehyd oder Metaldehyd
Nachweis von Aldehyden
- Reaktion von Carbonylverbindungen mit Kaliumpermanganat
- Nachweis von Aldehyden mit Fehling-Reagenz
- Silberspiegel-Probe
Synthesen mit Acetaldehyd
Quellen:
- RÖMPPs Chemie-Lexikon, 7. Auflage 1972
- Spektrum Lexikon der Chemie, Artikel "Acetaldehyd"
- Thomas Seilnacht, "Acetaldehyd"
- Wikipedia, Artikel "Acetaldehyd"
- engl. Wikipedia, Artikel "Acetaldehyde"
- K. P. C. VollhardT, N.E. Schore: Organische Chemie. 6. Auflage, Weinheim 2020.