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3. physikalische Eigenschaften

Allgemeines - Nomenklatur - phys. Eigenschaften - Darstellung - C=C-Doppelbindung - SR - AE - AR

3.1 Rekapitulation Schulwissen

In der Schule werden Sie die physikalischen Eigenschaften der Alkene nicht weiter behandelt haben, weil sie sich kaum von denen der Alkane unterscheiden. Ähnlich wie Alkan-Moleküle werden auch Alken-Moleküle lediglich durch schwache London-Kräfte (schwächste Form der van der Waals-Wechselwirkung) zusammengehalten, entsprechend niedrig sind die Schmelzpunkte, Siedepunkte und Dichten. Da Alkene keine H-Brücken zu Wasser-Molekülen ausbilden können, ist auch die Wasserlöslichkeit extrem schlecht.

3.2 Studienvorbereitung

3.2.1 Siedepunkte

Die Siedepunkte von drei Verbindungen
Autor: Ulrich Helmich 01/2023, Lizenz: siehe Seitenende

Die Siedepunkte der Alkene liegen ungefähr im gleichen Bereich wie die der entsprechenden Alkane, aber weichen doch etwas ab.

Interessant ist der Unterschied zwischen cis-2-Buten (3,7 ºC) und trans-2-Buten (0,9 ºC).

Um diesen Unterschied zu erklären, muss man sich ein bisschen mit dem Orbitalmodell des Kohlenstoff-Atoms auskennen. "Normale" C-Atome sind sp3-hybridisiert, die C-Atome einer C=C-Doppelbindung aber sp2-hybridisiert (siehe: "Die C=C-Doppelbindung").

In einem sp2-Orbital befinden sich die Elektronen also etwas näher am Atomkern als in einem sp3-Orbital, werden damit stärker angezogen. Das führt zu einer leichten Polarisierung der sp2-sp3-Bindung und damit zu einem leichten Dipolcharakter der Moleküls.

cis-2-Buten ist ein Dipol
Autor: Ulrich Helmich 02/2023, Lizenz: siehe Seitenende

Beim trans-2-Buten heben sich die beiden Dipolmomente gegenseitig auf, was den relativ niedrigen Siedepunkt erklärt. Beim cis-2-Buten dagegen verstärken sich die beiden Dipolmomente, was zu einem etwas höheren Siedepunkt führt.

Faustregel: Das cis-Isomer eines Alkens hat in der Regel einen etwas höheren Siedepunkt als das trans-Isomer, weil sich die beiden leicht polaren sp2-sp3-Bindungen zu einem kleinen Dipolmoment addieren. Bei dem trans-Isomer heben sich diese Effekte dagegen gegenseitig auf.

3.2.2 Schmelzpunkte

Bei dem Schmelzpunkten der Alkene kommt ebenfalls die cis-trans-Isomerie zur Geltung. Die cis-Isomere haben eine C-förmige Struktur, daher lassen sie sich im festen Zustand nicht so leicht zusammenpacken, die Packungsdichte im Kristall ist geringer als bei den trans-Isomeren. Das hat zur Folge, dass die Schmelzpunkte von cis-Alkenen niedriger sind als die der isomeren trans-Alkene.

Das cis-2-Buten hat einen Schmelzpunkt von -139 ºC, das trans-2-Buten einen Schmelzpunkt von -106 ºC.

In flüssigen Pflanzenfetten (Speiseöle) sind viele ungesättigte Fettsäuren enthalten. Natürlich vorkommende ungesättigte Fettsäuren haben ausschließlich cis-Doppelbindungen. Dies ist einer der Gründe dafür, dass Pflanzenöle bei Zimmertemperatur flüssig sind. Die durch übermäßiges Erhitzen oder andere Prozesse entstehenden trans-Fettsäuren haben dagegen höhere Schmelzpunkte. Die Ölsäure (18 C-Atome, eine cis-Doppelbindung an C9) hat einen Schmelzpunkt von 16 ºC, während die Elaidinsäure (18 C-Atome, eine trans-Doppelbindung an C9) einen Schmelzpunkt von 45 ºC besitzt.

Faustregel: Das cis-Isomer eines Alkens hat in der Regel einen etwas niedrigeren Schmelzpunkt als das trans-Isomer. Die cis-Isomere lassen sich im festen Zustand nicht so gut zusammenpacken, die Packungsdichte im Kristall ist also geringer, was zu geringeren London-Kräften und somit auch zu niedrigeren Schmelzpunkten führt.

3.3 Was sagt die Fachliteratur?

Im Grunde findet man in den normalen Hochschul-Lehrbüchern keine besonderen Neuigkeiten zu den physikalischen Eigenschaften der Alkene, die nicht schon auf dieser Seite erwähnt worden sind.

Der Vollhardt/Schore hebt den Dipolcharakter der cis-Alkene hervor und erklärt ihn auch recht ausführlich, im Morrison/Boyd finden sich sogar konkrete Werte, Propen hat ein Dipolmoment von 0,35 D, But-1-en von 0,37 D. Diese Werte sind allerdings sehr klein, wenn man sie mit dem Dipolmoment von 1,2-Dichlor-ethen vergleicht: 1,85 D. Im Fox/Whitesell findet sich so gut wie nichts zu den physikalischen Eigenschaften. Es wird lediglich vermerkt, dass Alkene ähnliche Eigenschaften haben wie die Alkane. Im Buddrus/Schmidt findet sich noch nicht mal ein solcher Hinweis. Im Clayden muss man sehr lange im Register suchen, bis man einen vagen Hinweis auf dieses Thema findet. Auf Seite 745 findet man dann aber ein interessantes Beispiel, auf das ich in Aufgabe 3.1 eingehen werde.

Acidität von Alkenen und Alkanen

Im Vollhardt/Schore findet sich auch ein wichtiger Hinweis, der jetzt aber nichts mit den physikalischen Eigenschaften zu tun hat. Durch die sp2-Hybridisierung der C-Atome der Doppelbindung, können die daran gebundenen H-Atome auch etwas leichter als Proton abgespalten werden als von den sp3-hybridisierten C-Atomen der Alkane bzw. Alkylgruppen. Die Säurestärke von Ethen ist damit etwas größer als die von Ethan (pKS-Werte: Ethan = 50, Ethen = 44). Das hört sich nicht nach einem großen Unterschied ab, aber der pKS-Wert ist ja ein logarithmischer Wert. Ein Unterschied von 6 bedeutet also sechs Zehnerpotenzen! Ethen ist also eine Million mal saurer als Ethan.

3.4 Übungen

Aufgabe 3.1

Sie sehen hier die Strukturformeln, Schmelzpunkte und Siedepunkte von zwei isomeren Estern: Dimethyl-Fumarat ist ein Methanol-Ester der Fumarsäure, Dimethyl-Maleat ein Methanol-Ester der Maleinsäure [3].

Erklären Sie die unterschiedlichen Schmelz- und Siedepunkte.

Aufgabe 3.2

Verbindung Schmelzpunkt in ºC Siedepunkt in ºC
cis-1,2-Dichlor-ethen -80 60
trans-1,2-Dichlor-ethen -50 48
cis-1,2-Dibrom-ethen -53 110
trans-1,2-Dibrom-ethen -6 108
cis-1,2-Diiod-ethen -14 188
trans-1,2-Diiod-ethen +72 193

Hier sehen Sie die Schmelzpunkte und Siedepunkt der cis- und trans-1,2-Dihalogen-ethene. Die Daten stammen aus dem Morrison/Boyd [3].

a) Überprüfen Sie, inwieweit diese Werte mit den beiden Faustregeln, die unter 3.2.1 und 3.2.2 formuliert worden sind, erklärt werden können.

b) Analysieren Sie auch, welchen Einfluss die unterschiedlichen Halogen-Atome auf die Schmelzpunkte und Siedepunkte haben.

Aufgabe 3.3

Hier eine kleine Aufgabe aus dem Morrison/Boyd [4]:

Analysieren Sie, ob cis-2,3-Dichlor-2-buten ein größeres Dipolmoment hat als cis-1,2-Dichlor-ethen.

Quellen:

  1. M. A. Fox, J. K. Whitesell: Organische Chemie - Grundlagen, Mechanismen, bioorganische Anwendungen. 1. Auflage, Heidelberg 1995.
  2. K. P. C. Vollhard, N.E. Schore: Organische Chemie. 6. Auflage, Weinheim 2020.
  3. J. Clayden, N. Greeves, S. Warren: Organische Chemie. Berlin 2013.
  4. R. T. Morrison, R. N. Boyd, S. K. Bhattacharjee: Organic Chemistry. 7. Auflage, Dorling Kindersley 2011.
  5. Buddrus, Schmidt, Grundlagen der Organischen Chemie, 5. Auflage, De Gruyter-Verlag 2014.

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