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Vitamin B1

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Thiamin

Vitamin B1, auch bekannt als Thiamin, spielt eine wichtige Rolle im Stoffwechsel des Menschen (und der Säugetiere). Thiamin gehört als B-Vitamin zu den wasserlöslichen Vitaminen und erfüllt viele wichtige Funktionen im Körper.

Struktur
Beschreibung siehe folgenden Text

Strukturformel des Thiamin-Kations
NEUROtiker, Public domain, via Wikimedia Commons

Oben sehen wir die Strukturformel des Thiamins. Auffällig sind die beiden über eine -CH2-Brücke verbundenen Ringstrukturen. Der aus sechs Atomen bestehende Ring (blau gefärbt) wird als Pyrimidin-Ring bezeichnet, der aus fünf Atomen bestehende Ring (gelb) als Thiazol-Ring.

Das N-Atom des Thiazol-Ringes ist positiv geladen, daher müsste man das Molekül eigentlich als Thiamin-Kation bezeichnen, das zusammen mit einem negativ geladenen Gegen-Anion (z.B. Chlorid Cl-) auftritt, das hier aber nicht mit eingezeichnet ist. Interessant ist auch das Schwefel-Atom im Thiazol-Ring.

TPP

Das mit der Nahrung aufgenommene Thiamin wird in dieser Form im Körper nicht verwendet. Um als Cofaktor für verschiedene Enzyme wirksam zu sein, muss es erst zweifach phosphoryliert werden. Diese geschieht mit Hilfe des Enzyms Thiaminpyrophosphokinase in den Mitochondrien der Leberzellen [1, 2].

Das aktive Thiamin wird dann als Thiaminpyrophosphat (TPP) bezeichnet. Das in der Leber gebildete TPP wird anschließend allen Körperzellen zur Verfügung gestellt. In der phosphorylierten Form spielt das Thiamin dann eine wichtige Rolle im Kohlenhydrat-Stoffwechsel.

Kohlenhydrat-Stoffwechsel

Aus dem Biologie-Unterricht kennen Sie bestimmt noch die Glycolyse und den Citratzyklus. Falls nicht, sollten Sie sich die beiden wichtigen Stoffwechselprozesse schnell noch einmal anschauen.

Am Ende der Glycolyse steht das Pyruvat. Diese Verbindung muss in Acetyl-Coenzym A umgewandelt werden, bevor sie in den Citratzyklus einfließen kann. Bei dieser Umwandlung spielt das Thiamin eine wesentliche Rolle.

Der einleitende Schritt: Decarboxylierung von Pyruvat und Bildung von Coenzym A
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende.

Nachdem das Pyruvat im letzten Schritt der Glycolyse hergestellt wurde, muss es in Acetyl-CoA umgewandelt werden. Dies ist quasi der einleitende Schritt des Citratzyklus. Der Schritt wird von dem Multienzymkomplex Pyruvat-Dehydrogenase katalysiert, und Thiamin in seiner phosphorylierten Form TPP (Thiamin + zwei Phosphatgruppen) ist hierbei ein wichtiger Cofaktor. Fehlt dem Körper dieses Vitamin, kann die Umwandlung von Pyruvat in Acetyl-CoA nicht ablaufen.

Eine weitere wichtige Reaktion, die ohne TPP nur eingeschränkt ablaufen kann, findet sich im Citratzyklus selbst. Bei der Umwandlung von α-Ketoglutarat in Succinyl-CoA durch die α-Ketoglutarat-Dehydrogenase wird TPP als Cofaktor benötigt [1].

Die Rolle von Thiamin im Kohlenhydrat-Stoffwechsel

Auf dieser stark biochemisch orientierten Seite wird die Umwandlung von Pyruvat in Acetyl-CoA näher beleuchtet.

Aufnahme in den Körper / Mangelerscheinungen

Thiamin wird vor allem über die Zellen der Schleimhaut des vorderen Dünndarms aufgenommen, und zwar durch den sogenannten Thiamintransporter 1 [3]. Ascorbinsäure (Vitamin C) und mehrfach ungesättigtes Fettsäuren erleichtern vermutlich die Resorption von Thiamin [1].

Der Thiamin-Transporter

Dieses Transportprotein in der Zellmembran ist hochspezifisch für Thiamin. Es kommt in allen Zellen des Menschen vor, vor allem aber in Skelett- und Herzmuskelzellen [3]. Bei dem Transportmechanismus handelt es sich um einen Antiport mit Hilfe von Protonen. Die Protonen fließen passiv (also mit dem Konzentrationsgradienten) vom Zellplasma nach außen, während gleichzeitig die Thiamin-Moleküle von außen nach innen transportiert werden [4]. Sollte Thiamin mal in einer hohen Konzentration vorliegen (mehr als 5 µmol/l), kann es von den Zellen auch durch einfache Diffusion aufgenommen werden [2].

Erbkrankheiten durch Mutationen des Transporter-Gens

Durch Mutation des SLC19A2-Gens, das für den Thiamin-Transporter codiert, kann es zu einigen erblichen Mangelkrankheiten kommen, weil das in der Nahrung enthaltene Vitamin B1 dann nicht mehr ausreichend aufgenommen werden kann. Eine dieser Erbkrankheiten ist die Thiamine-Responsive Megaloblastische Anämie (TRMA):

TRMA

"Die Thiamin-responsive megaloblastische Anämie (TRMA) ist eine seltene Erkrankung des Kindesalters. Die typische klinische Triade von Thiamin-responsiver Anämie (makrozytär), nicht-autoimmunologischem Diabetes mellitus und einer sensorineuralen Taubheit ist oft mit einer Thrombozytopenie assoziiert. Die Knochenmarkbiopsie zeigt megaloblastäre Veränderungen und 'Ring-Sideroblasten'. Die Symptomatik bessert sich auf eine Thiamin-Therapie." [4]

Etwas verständlicher ausgedrückt wird das Krankheitsbild in der Wikipedia [5]:

  • Krankheitsbeginn im frühen Kindesalter
  • fortschreitende Schwerhörigkeit
  • Insulinpflichtiger Diabetes mellitus

Unbehandelt führt die TRMA zum Tode. Durch Verabreichung einer hohen Dosis von Thiamin kann ausreichend Thiamin über den Darm durch Diffusion aufgenommen werden [6].

Weitertransport in das Blut

Über die Zellen des Darmepithels gelangt das Thiamin über das Blut zunächst in die Leber, wo es zweifach phosphoryliert und zu TPP umgebildet wird. Aus der Leber wird das TPP über das Blut zu den Körperzellen transportiert.

Auch das Blutplasma und die Leukocyten transportieren einen Teil des Thiamins (ca. 25%), dann allerdings in Form des Monophosphats TMP oder gebunden an das Protein Albumin.

Speicherung von Thiamin

Das Thiamin kann in manchen Geweben gespeichert werden, vor allem in Leber, Herz, Niere, Skelettmuskulatur und Gehirn [2]. Allerdings ist die Speichermenge recht begrenzt, mehr als 30 mg Vitamin B1 können nicht gespeichert werden. Sollte mehr Vitamin B1 aufgenommen werden als benötigt wird und gespeichert werden kann, wird das überschüssige B1 abgebaut und über die Niere mit dem Harn ausgeschieden. Eine B1-Überversorgung ist damit so gut wie ausgeschlossen. Experimente mit Ratten haben gezeigt, dass selbst eine 100fach über dem täglichen Bedarf liegende Dosis über drei Generationen ohne Nebenwirkungen vertragen wurde [2].

B1-Bedarf

Je mehr Energie der Körper verbraucht, desto größer ist auch der Vitamin B1-Bedarf. Bei Kindern liegt er bei 0,7 bis 0,9 mg/Tag, bei Erwachsenen zwischen 1,1 und 1,3 mg/Tag. Männer haben einen etwas höheren Bedarf als Frauen, ebenso Schwangere und Stillende.

Mangelerscheinungen

Beriberi ist wohl die bekannteste B1-Hypovitaminose (Thiamin-Mangelerscheinung). Früher war diese Krankheit ein ernstes Gesundheitsproblem in vielen Ländern. In Ostasien tritt diese Mangelerscheinung auch heute noch regelmäßig auf, wenn sich die Menschen hauptsächlich mit Reis ernähren. Reis enthält nämlich einen sehr niedrigen Vitamin B1-Gehalt [7].

Beriberi

"Ein bestimmtes, sehr unangenehmes Leiden, das die Menschen befällt, wird von den Eingeborenen Beriberi genannt (was Schaf bedeutet). Ich glaube, dass alle, die von dieser Krankheit befallen sind, mit ihren schlotternden Knien und dem steifen Gang wie Schafe laufen. Es ist eine Art von Lähmung oder mehr ein Körperzittern, denn es beeinflusst die Bewegung und Sinnesempfindung der Hände und Füße und manchmal auch des ganzen Körpers."

Jacob Bonitus, ein holländischer Arzt der um 1630 auf Java arbeitete [7].

Ein solcher Thiaminmangel kommt in Europa nur noch sehr selten vor. Er tritt vor allem bei Kindern auf, die gestillt werden und deren Mütter sich falsch ernähren [8].

Ursachen von Vitamin B1-Mangel

Fasst man die Aussagen verschiedener Quellen [1,9] zusammen, so kommt man auf folgende mögliche Ursachen für einen Mangel an Thiamin:

  • Hoher Alkoholkonsum
  • Einseitige Kohlenhydrat-Ernährung
  • Chronische Magen-Darm-Erkrankungen wie Morbus Crohn oder Zöliakie
  • Leberfunktionsstörungen
  • Intensive körperliche Betätigung oder Stress erhöhen den täglichen Bedarf, ebenso wie Verbrennungen, Fieber, Schilddrüsenüberfunktion oder Lebererkrankungen

Vorkommen in Lebensmitteln

Die fünf Lebensmittel mit dem höchsten Gehalt an Vitamin B1 sind laut [2]:

  1. Bierhefe mit 130 mg/kg
  2. Weizenkeime mit 20 mg/kg
  3. Bienenpollen mit 6 bis 22 mg/kg
  4. Sonnenblumenkerne mit 19 mg/kg
  5. Backhefe mit 10 mg/kg

Auch Sojabohnen, Sesam und Erbsen enthalten recht viel Vitamin B1. Elmadfa [10] listet auch Schweinefleisch und Innereien als gute Vitamin-B1-Quelle auf.

Bei der Zubereitung von Thiamin haltigen Lebensmitteln muss man aufpassen. Beim Garen von Fleisch beispielsweise gehen 30 bis 40% des Thiamins verloren, beim Backprozess 15 bis 25%, beim Garen von Gemüse 20 bis 30% und beim Toasten von Brot sogar 40 bis 50% [1].

Bedarfsdeckung

In [1] findet sich eine schöne Übersicht zur Bedarfsdeckung von Vitamin B1. Der tägliche Thiamin-Bedarf wird von

  • 100 g Schweineschnitzel zu 80%
  • 60 g Linsen zu 27%
  • 100 g Weizenvollkornbrot zu 26%
  • 69 g Vollkornreis zu 24%

gedeckt.

Quellen:

  1. Schlieper, Grundfragen der Ernährung, 21. Auflage, Hamburg 2014.
  2. Wikipedia-Artikel "Thiamin"
  3. Wikipedia-Artikel "Thiamintransporter 1"
  4. "Thiamine-Responsive Megaloblastische Anämie" auf mgz-muenchen.de
  5. Wikipedia-Artikel "Rogers-Syndrom"
  6. "Thiamin-responsive megaloblastäre Anämie mit Diabetes mellitus und sensorineuraler Schwerhörigkeit" auf orpha.net
  7. Berg, Tymoczko, Gatto jr., Stryer: Stryer Biochemie, 8. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2018.
  8. DocCheck Flexikon, Artikel "Beriberi"
  9. "Vitamin B1" auf apotheken.de
  10. Elmadfa: Ernährungslehre. Stuttgart 2015.