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Vitamin B12

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Cobalamin

Cobalamin spielt eine wichtige Rolle im Aminosäure- und Nucleinsäure-Stoffwechsel

Struktur eines Cobalamin-Moleküls

Strukturformel des Cobalamins und seiner Derivate
Ayacop, CC0, via Wikimedia Commons, bearbeitet von U. Helmich 10/2023.

Oben sehen wir die Strukturformel der Cobalamin-Grundgerüstes. Man achte auf den markierten Rest R am Cobalt-Atom des Moleküls, je nachdem, wie dieser Rest aussieht, haben wir es mit einem anderen speziellen Cobalamin zu tun [3]:

Die gestrichelte Linie in der Abbildung zeigt, dass das Cobalt-Ion nicht von vier, sondern von fünf Stickstoff-Atomen umgeben ist. Das fünfte N-Atom gehört zu der Dimethylbenzimidazol-Gruppe. Man müsste eigentlich das untere Ende der Abbildung anheben und so biegen, dass das fünfte N-Atom genau über dem Kobalt-Atom liegt.

Das Co-Atom im Zentrum des Cobalamin-Moleküls hat aber die Koordinationszahl 6, das heißt, eigentlich können sechs Substituenten an dem Co-Atom andocken. Und genau das ist auch der Fall, allerdings ist der sechste Substituent variabel, es können also verschiedene Moleküle oder Ionen als Rest -R an das Cobalt-Atom andocken. Und das macht die Cobalamine so variabel.

Hier die "üblichen" Reste, die als sechster Substituent am Cobalt-Atom hängen können:

  1. R = -C=N: Cyano-Cobalamin[2,3,4]
  2. R = -OH2+: Aquo-Cobalamin[2,3]
  3. R = -OH: Hydroxy-Cobalamin[2,3,4]
  4. R = -CH3: Methyl-Cobalamin[1,2,3,4]
  5. R = -O-N=O: Nitrito-Cobalamin[2,3]
  6. R = Desoxyadenosyl: Desoxyadenosyl-Cobalamin[1,2,3,4]

Enzymatisch wirksam sind nur Desoxyadenosyl-Cobalamin und Methyl-Cobalamin. Einzelheiten dazu siehe Abschnitt "Aufgaben der Cobalamine" weiter unten.

Für Chemie-Profis:

Vergleicht man die in der Wikipedia gezeigte Struktur des Cobalamin-Gerüstes mit den Abbildungen aus verschiedenen Fachbüchern, so erkennt man, dass die Struktur in jedem Buch etwas anders dargestellt wird:

Ein Vergleich von vier Strukturen des Cobalamins (durch Klicken vergrößern)
Zusammenstellung: Ulrich Helmich, (C) die verschiedenen Verlage (siehe Quellen).

Gemeinsam ist allen vier Strukturen, dass sie vier Pyrrolringe besitzen, die einen Corrin-Ring bilden. In der Mitte dieses Corrin-Ringes befindet sich ein Cobalt-Ion oder -Atom. Im Schlieper ist dieses Ion dreifach positiv geladen, in der Wikipedia einfach positiv und im Hahn et al. sowie im deGroot ist das Cobalt-Atom elektrisch neutral. Im deGroot sieht man zumindest, dass es sich um ein dreiwertiges Cobalt-Atom handelt.

In der Abbildung aus Hahn et al. fehlt die kovalente Bindung zwischen dem Ribose-Ring und der heterozyklischen, aus einem Fünfer- und einem Sechserring bestehenden Base. Die Abbildung der Wikipedia entspricht in diesem Aspekt in etwa dem Bild aus deGroot, ebenso die Abbildung aus Schlieper.

Im Bild von deGroot befindet sich ein Desoxyadenosyl-Rest an dem Cobalt-Atom, in den drei anderen Bildern ist nur ein allgemeiner Rest R eingezeichnet.

Aufgaben der Cobalamine

Vitamin B12 ist ein wichtiges Coenzym und nimmt an zahlreichen enzymatischen Reaktionen teil, bei denen Methylgruppen übertragen werden [1]. Solche Reaktionen kommen im Aminosäure- und Proteinstoffwechsel vor, aber auch bei der Bildung von Nucleinsäuren und schließlich im Fettstoffwechsel [1].

Einzelheiten zu den Aufgaben

Laut [5] sind nur drei Stoffwechselreaktionen beim Menschen abhängig von Cobalamin, und laut [3] sogar nur zwei Reaktionen.

Damit Cobalamin wirken kann, muss es an ein Enzym gebunden sein. Laut [5] ist nur das Methyl-Cobalamin ein Methylgruppen-Überträger.

In [2] finden wir eine etwas genauere Darstellung der Aufgaben der Cobalamine. Demnach sind nur Methyl-Cobalamin, Hydroxy-Cobalamin und Adenosyl-Cobalamin biologisch im Stoffwechsel wirksam. Das Hydroxy-Cobalamin findet sich in zahlreichen Lebensmitteln, das Adenosyl-Cobalamin kann seine Desoxyadenosyl-Gruppe übertragen, und das Methyl-Cobalamin seine Methylgruppe.

Das Aquo-Cobalamin tritt nicht als Coenzym auf, kann aber gut im Körper gespeichert werden (Depotform).

Das Cyano-Cobalamin gibt es in der Natur nicht, es wird von der Pharma-Industrie als Nahrungsergänzungsmittel hergestellt. Diese Form des Vitamin B12 ist chemisch sehr stabil und kann daher lange aufbewahrt werden. Nimmt man das Nahrungsergänzungsmittel ein, wird es im Körper in die oben genannten aktiven Formen umgewandelt werden [2].

In der Wikipedia findet sich eine kleine Übersicht, wie Aminosäuren in den Citratzyklus einfließen können und welche Rolle dabei die Vitamine Cobalamin und Biotin spielen. Bevor wir uns dieses Schema anschauen, betrachten wir doch einmal eine Zeichnung, die ich für die Biologie-Seite "Citratzyklus als Zentrum des Katabolismus" angefertigt habe:

Allgemeines Schema zur Rolle des Citratzyklus
Autor: Ulrich Helmich 2017, Lizenz: siehe Seitenende

Man kann hier erkennen, wie sowohl Kohlenhydrate, Fette und Proteine in den Zykus einfließen. Die Proteine werden in ihre Aminosäuren zerlegt, und einige dieser Aminosäuren können dann in den Citratzyklus einfließen. Das Schema in der Wikipedia zeigt, wie Valin, Methionin, Isoleucin und Threonin zu Succinat umgesetzt werden:

Methionin (Met) und Threonin (Thr) werden zunächst zu α-Ketobutyrat umgesetzt. Aus dem α-Ketobutyrat entsteht dann Propionyl-CoA. Sowohl die Enzyme wie auch die erforderlichen Coenzyme sind in dieser Zeichnung nicht berücksichtigt worden.

Aus den Aminosäuren Valin (Val) und Isoleucin (Ile) wird das Propionyl-CoA direkt gebildet.

In einer Biotin-abhängigen Reaktion wird das Propionyl-CoA dann zu dem Zwischenprodukt Methylmalonyl-CoA umgebaut, und in einer Vitamin B12-abhängigen Reaktion entsteht dann Succinyl-CoA, das in den Citratzyklus einfließt.

Für einen Ernährungslehre-Leistungskurs mag diese Zeichnung ausreichen, für eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema im Studium jedoch nicht. Da sich diese Seite aber hauptsächlich an Schüler (m/w/d) von Ernährungslehre-Kursen der Qualifikationsphase richtet, wollen wir es hierbei einmal belassen.

Aufnahme in den Körper

Da Vitamin B12 von unserem Körper nicht selbst hergestellt werden kann, muss es mit der Nahrung aufgenommen werden. Die "Verwertung" von Vitamin B12 beginnt interessanterweise bereits im Mund! Da B12 anfällig für Säuren ist, tritt der Mundspeichel in Aktion. Die Kopfspeicheldrüsen sondern ein Glycoprotein namens Haptocorrin ab, das mit dem Vitamin B12-Molekülen einen Komplex bildet, der von der Salzsäure des Magens nicht angegriffen werden kann [2, 6].

Das Haptocorrin hat einen interessanten Namen. "Hapto" heißt so viel wie "haften, anhaften", und die Silbe "corrin" bezieht sich auf den Corrin-Ring, der ja das Grundgerüst der Cobalamin-Moleküle bildet.

Allerdings ist die B12-Aufnahme im Mund nicht sehr effektiv, es werden nur ca. 1% einer oralen Dosis aufgenommen [10].

Das Problem mit dem Haptocorrin

Laut [8] ist das mit der Nahrung aufgenommene Vitamin B12 bereits an Proteine gebunden und "muss zunächst mit Hilfe der Magensäure und proteolytischer Enzyme (Pepsin) aus der Proteinbindung im Lebensmittel gelöst werden".

Das Haptocorrin taucht laut [9] erst im Magen auf, das dort von Parietalzellen produziert wird. Laut [2] und [10] werden diese Haptocorrine aber bereits im Mundspeichel produziert.

So ganz klar ist das nach einer oberflächlichen Recherche also nicht, wo jetzt genau die Haptocorrine synthetisiert werden, die Fachliteratur ist sich da nicht ganz einig.

Nach der Magen-Passage gelangt der B12-Haptocorrin-Komplex in den Zwölffingerdarm (Duodenum). Durch Proteasen aus der Bauchspeicheldrüse (Pankreasproteasen, vor allem Trypsin) wird Haptocorrin von Vitamin B12 abgespalten.

Das freie B12 wird dann von einem neuen Glycoprotein gebunden, das als Intrinsic factor bezeichnet wird. Auch dieses Protein wird von den Parietalzellen des Magens gebildet [9].

Dieser Komplex wird dann im unteren Teil des Dünndarms resorbiert. In Anwesenheit von Ca2+-Ionen und schwach saurem Milieu (pH>6) wird der Komplex in einer energieabhängigen Reaktion an ein weiteres Protein gebunden, nämlich das Cubilin. Dabei handelt es sich um einen in der Membran der Enterocyten sitzenden Rezeptor. Der Rezeptor mit dem daran gebundenem B12/IF-Komplex wird dann durch Endocytose in die Zellen aufgenommen [8]. Die Endocytose-Vesikel verschmelzen dann mit Lysosomen, die vom Golgi-Apparat gebildet wurden. Dort wird das Cobalamin dann freigesetzt. Das freie Cobalamin gelangt dann als Methyl-Cobalamin in das Zellplasma oder als Adenosyl-Cobalamin in die Mitochondrien der Enterocyten [9].

Aus den Enterocyten wird das Vitamin B12 dann in den Blutkreislauf abgegeben, und zwar in den Pfortaderkreislauf, wo das B12 dann in die Leber gelangt. Dort wird das Vitamin gespeichert und bei Bedarf wieder freigesetzt [6].

Wenn man eine größere Menge Vitamin B12 mit der Nahrung aufnimmt, wird der größte Teil davon nicht resorbiert, denn die Menge des freigesetzten Intrinsic factors ist stark begrenzt. Pro Mahlzeit können daher nur maximal 2 µg Vitamin B12 aufgenommen werden [6].

Transport im Blut

Im Blut wird das Vitamin B12 nicht frei transportiert, sondern an ein Transportprotein gebunden, nämlich ein Transcobalamin. Im Blut des Menschen kommen zwei dieser Transcobalamine vor:

Transcobalamin I dient dazu, überschüssiges Vitamin B12 aus dem Blut zurück zur Leber zu transportieren.

Transcobalamin II dient zum Transport von Vitamin B12 zu den Zielzellen. Dort wird der Komplex aus Transcobalamin II und Vitamin B12 dann durch eine rezeptorvermittelte Endocytose aufgenommen [8,9]. Das nicht mehr benötigte Transcobalamin II gelangt dann aus der Zelle wieder zurück ins Blut [9].

Bildung von Vitamin B12 durch Darmbakterien

Zwar können die Bakterien des Dickdarms Vitamin B12 bilden, und sogar in großen Mengen, doch leider nützt das nicht viel, denn die Resorption des B12 findet bereits im Dünndarm statt. Allerdings findet sich dadurch im Kot relativ viel B12, und das könnte wiederum der Grund dafür sein, dass manche Tiere gerne Kot fressen [7].

Exkretion

Vitamin B12 wird hauptsächlich über die Gallenflüssigkeit ausgeschieden, allerdings wird auch recht viel B12 reabsorbiert, also wieder ins Blut aufgenommen und "wiederverwertet".

Die Nieren scheiden relativ wenig Vitamin B12 aus, lediglich bei hohen Vitamindosen nimmt die Ausscheidung über den Harn deutlich zu.

Vorkommen in Lebensmitteln und Bedarf

Vitamin B12 kommt hauptsächlich in folgenden Nahrungsmitteln vor [9]:

  • Rinderleber 65 µg/100 g
  • Kalbsleber 60 µg/100 g
  • Schweineleber 39 µg/100 g
  • Putenleber 30 µg/100 g
  • Hering 8 µg/100 g
  • mageres Rindfleisch 5 µg/100 g
  • Lachs 3 µg/100 g
  • Kalbfleisch 2 µg/100 g
  • Goudakäse 1,9 µg/100 g
  • Hühnerei 1,8 µg/100 g

Pflanzliche Lebensmittel sind in der Tabelle überhaupt nicht aufgeführt, was für manche Veganer sicherlich ein (lösbares) Problem darstellt. Vegetarier können zumindest Käse und Eier essen, die etwas Vitamin B12 enthalten.

Bedarf

Im Grunde braucht man so wenig Vitamin B12, das manche Autoren schon von einem Mikronährstoff sprechen. Der Bedarf eines erwachsenen Menschen liegt bei 1 bis 2 µg pro Tag. Allerdings nur ungefähr die Hälfte des aufgenommenen Nahrungs-Cobalamins resorbiert werden. Daher liegt die sogenannte Bioverfügbarkeit des Vitamins bei 50%.

Will man also den Bedarf von 1 bis 2 µg pro Tag decken, muss man mit der Nahrung 2 bis 4 µg Vitamin B12 pro Tag zu sich nehmen. Die Empfehlungen der DGE für Jugendliche und Erwachsene bei 3,0 µg/Tag, für Schwangere bei 3,5 µg/Tag und für Stillende bei 4,0 µg/Tag liegen.

Beschreibung siehe folgenden Text

Vitamin B12 ist ein beliebtes Nahrungsergänzungsmittel
Screenshot der Google-Suche nach Cyanocobalamin

Wenn man im Internet nach "Vitamin B12" sucht, findet man nur recht wenig Werbung. Sucht man dagegen nach Cyanocobalamin, kommt sofort jede Menge Werbung zum Vorschein. Das Cyano-Cobalamin ist nämlich chemisch und physikalisch viel beständiger als die anderen Formen und kann daher leicht als Nahrungsergänzungsmittel oder Medikament produziert und verkauft werden.

Eine solche Tablette kann leicht 1000 µg Cyano-Cobalamin enthalten, also das 250fache des Tagesbedarfs einer stillenden Frau. Und laut Produktinformation soll man täglich eine Tablette einnehmen, wenn man unter B12-Mangel leidet.

Wenn ich so etwas lese, muss ich immer an die eine Bing-Bang-Theory-Folge denken, in der Sheldon Penny erklärt, dass solche Präparate nur Zutaten für sehr teuren Urin sind.

Mangelerscheinungen

Vitamin B12-Hypovitaminosen treten nur sehr selten auf, da die B12-Reserven des Körpers für mehrere Jahre reichen. In der Leber können nämlich 2 bis 5 mg gespeichert werden [1]. Zur Erinnerung: 1 mg = 1000 µg!

Hypervitaminose

Folsäure-Hypervitaminosen sind nicht bekannt [1].

Quellen:

  1. Schlieper, Grundfragen der Ernährung, 21. Auflage, Hamburg 2014.
  2. Hahn et al., Ernährung, 3. Auflage, Stuttgart 2016.
  3. Wikipedia-Artikel "Cobalamine"
  4. deGroot, Ernährungswissenschaft, 5. Auflage, Haan-Gruiten 2011.
  5. Biesalski et al., Ernährungsmedizin, 3. Auflage, Stuttgart 2004.
  6. DocCheck Flexikon, Artikel "Intrinsic factor"
  7. Wikipedia-Artikel "Intrinsischer Faktor"
  8. Wikipedia-Artikel "Transcobalamine"
  9. Stahl, Heseker, "Vitamin B12 (Cobalamine)", Ernährungs Umschau 10/07, S. 594ff.
  10. DocCheck Flexikon, Artikel "Cobalamin"
  11. DocCheck Flexikon, Artikel "Holo-Transcobalamin"