Lernziele
Das Prinzip des kleinsten Zwangs wird in folgenden NRW-Abituraufgaben thematisiert:
- 2020-LK-HT 1: Polyvinylbutyral macht Scheiben sicher
Dieses wichtige Gesetz beschreibt, wie Gleichgewichtsreaktionen durch äußere Einflüsse wie Druck, Temperatur, Veränderungen der Konzentrationen etc. auf die Seite der Edukte oder Produkte verschoben werden können. Das LeChateliersche Gesetz ist auch als "Prinzip des kleinsten Zwangs" bekannt, obwohl die Formulierung etwas unglücklich ist. Auf der Seite von Prof. Blume finden sich interessante Überlegungen zu der Frage, was eigentlich mit dem Wort "kleinster" gemeint ist.
Aufgestellt wurde das berühmte Gesetz von H. F. Le Chatelier und K. F. Braun im Jahre 1887. Das Le Chateliersche Gesetz besagt, dass sich ein chemisches Gleichgewicht immer so verschiebt, dess es dem äußeren Zwang ausweicht.
Berühmtes Beispiel: Ammoniak-Synthese
Die Ammoniak-Synthese läuft nach folgender Reaktion ab:
$N_{2} + 3 H_{2} \rightleftharpoons 2 NH_{3}$
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Aus vier Volumenteilen Gas entstehen durch die Reaktion zwei Volumenteile; das Volumen halbiert sich also. Werden die Edukte Stickstoff und Wasserstoff einem hohen Druck ausgesetzt, so wird das Gleichgewicht der Reaktion nach rechts verschoben. Durch die Volumenhalbierung weicht das System diesem hohen Druck aus.
Beispiel: Konzentrationserhöhung
Bei einer allgemeinen Reaktion der Art
$A + B \rightleftharpoons C$
führt eine Erhöhung von c(A) oder c(B) zu einer Gleichgewichtsverschiebung nach rechts. Durch den Abbau der Edukte versucht das System, diesem Zwang auszuweichen.
Eine Erhöhung von c(C) verschiebt das Gleichgewicht dagegen nach links. Von der Stoßtheorie her könnte man so argumentieren, dass bei erhöhter C-Konzentration die Wahrscheinlichkeit von C-C-Zusammenstößen steigt und somit auch die Geschwindigkeit der Rückreaktion.
Beispiel: Konzentrationserniedrigung
Bei einer allgemeinen Reaktion der Art
$A + B \rightleftharpoons C$
führt eine Erniedrigung von c(A) oder c(B) zu einer Gleichgewichtsverschiebung nach links. Durch die Bildung neuer Edukte versucht das System, diesem Zwang auszuweichen.
Eine Erniedrigung von c(C) verschiebt das Gleichgewicht dagegen nach rechts. Das System "versucht", neues C herzustellen, um diesem Zwang auszuweichen.
Beispiel Temperaturerhöhung
Wenn
$A + B \rightleftharpoons C$
eine exotherme Reaktion ist, dann führt eine Temperaturerhöhung zu einer Verschiebung des Gleichgewichts nach links. Bei der Reaktion wird Energie freigesetzt. Wenn wir diese freigesetzte Energie formal als Produkt betrachten, können wir schreiben:
$A + B \rightleftharpoons C + Energie$
Wenn wir jetzt Energie zuführen (Temperaturerhöhung), dann könnte man das formal so sehen, als ob die "Konzentration" des Produktes "Energie" erhöht wird. Daher wird das Gleichgewicht nach links, auf die Eduktseite, verschoben.
Ist
$A + B \rightleftharpoons C$
dagegen eine endotherme Reaktion, so führt eine Temperaturerhöhung zu einer Gleichgewichtsverschiebung nach rechts.
$A + B + Energie \rightleftharpoons C$
Die Energiezufuhr wirkt formal wie eine Erhöhung der "Energiekonzentration".
Beispiel: Ionenprodukt des Wassers
Betrachten wie die Autoprotolysegleichung des Wassers mit der Reaktionsenergie als "Stoff":
$2 H_{2}O + Energie \rightleftharpoons H_{3}O^{+} + OH^{-}$
dann sieht man, dass eine Temperaturerhöhung das Gleichgewicht nach rechts verschiebt. Die Konzentration der Oxonium-Ionen und Hydroxid-Ionen nimmt also zu. Statt 10-7 mol/l steigen die Konzentration vielleicht auf 10-6 mol/l. Das Ionenprodukt steigt entsprechend von 10-14 mol2/l2 auf 10-12 mol2/l2 an. Der pH-Wert des heißen Wassers liegt dann bei 6, dennoch ist das heiße Wasser neutral, denn es gilt immer noch c(H3O+) = c(OH-).
Beispiel: Konzentrationszellen
Bei einem galvanischen Element befindet sich die linke Silber-Elektrode in einer 1-molaren Silbernitratlösung, die rechte Silber-Elektrode in einer 0,1-molaren Silbernitratlösung. Die Erniedrigung der Konzentration der Silber-Kationen in der rechten Halbzelle bewirkt eine Verschiebung des Gleichgewichts der Reaktion
$Ag_{(s)}\rightleftharpoons Ag^{+}_{(aq)}+ e^{-} $
nach rechts. Es werden also mehr Elektronen freigesetzt, die dann zur linken Halbzelle fließen können, wenn die beiden Halbzellen miteinander verbunden werden.
Beispiel: Iodierung von Chloralkanen
Bei der sogenannten Finkelstein-Reaktion, einer einfachen nucleophilen Substitution, wird das Chlor-Atom eines Chloralkans durch ein Iod-Atom ersetzt [4]. Bei dieser Reaktion
$R-Cl + I^{-} \rightleftharpoons R-I + Cl^{-} $
wird meistens Natriumiodid, gelöst in Aceton, als Reagenz zugesetzt. Das Gleichgewicht dieser Reaktion kann stärker zur Produktseite verschoben werden, wenn es gelingt, die Chlorid-Ionen zu entfernen. Hier macht man sich die Tatsache zu Nutze, dass Natriumiodid gut in Aceton löslich ist, Natriumchlorid dagegen nicht. Das bei der Reaktion gebildete Natriumchlorid fällt also als Feststoff aus (wegen der geringen Löslichkeit in Aceton) und verschwindet damit aus dem Reaktionsgemisch. So wird das Gleichgewicht der Reaktion stärker auf die Produktseite verschoben, einfach durch eine geschickte Wahl des Lösungsmittels.
Beispiel: Isomerisierung von Glucose-6-phosphat
Der zweite Schritt der Glycolyse ist die Isomerisierung von Glucose-6-phosphat zu Fructose-6-phosphat. Das chemische Gleichgewicht liegt stark auf der Seite des Edukts. Dennoch wird das Edukt vollständig umgesetzt, weil das Produkt ständig aus dem Stoffgemisch entzogen wird, da es weiterreagiert.
Beispiel: Bildung des Nitronium-Ions
Salpetersäure HNO3 wird durch Schwefelsäure zu H2NO3+ protoniert und zerfällt dann in das Nitronium-Ion NO2+ und Wasser H2O. Die hygroskopische Schwefelsäure entfernt das Wasser aus dem Gleichgewicht und "zieht" so die Reaktion auf die Produktseite.
Quellen:
- Chemie-Lehrbücher für die gymnasiale Oberstufe
- Das Prinzip von Le Chatelier: Gleichgewichte lassen sich verschieben
- Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992
- Wikipedia, Artikel "Finkelstein-Reaktion", aufgerufen am 20.03.2020