Helmichs Chemie-Lexikon

Fructose

Fructose oder Fruchtzuckerist ein wichtiges und bekanntes Monosaccharid, das in der Natur vorkommt. In Obst und Früchten kommt viel reine Fructose vor, und vor allem ist Fructose zusammen mit Glucose ein Baustein der Saccharose, des Rohr- oder Rübenzuckers.

Struktur

Betrachten wir zunächst die Strukturformeln von Fructose und vergleichen Sie mit der Strukturformel von Glucose (Traubenzucker), einem anderen Monosaccharid mit sechs C-Atomen.

Glucose und Fructose in der Kettenform
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Wenn man die vielen OH-Gruppen an den C-Atomen einmal vernachlässigt, könnte man Glucose als ein Hexanal-Derivat, Fructose als ein Hexan-2-on-Derivat bezeichnen. Das spiegelt sich auch in den Bezeichnungen Aldohexose und Ketohexose für Glucose und Fructose wieder. Allerdings gibt es mehrere Aldohexosen und auch mehrere Ketohexosen, Glucose und Fructose sind nur die bekanntesten Vertreter dieser Stoffklassen.

Die korrekte chemische Bezeichnung der Fructose wäre 1,3,4,5,6-Pentahydroxy-hexan-2-on. Dieser Name wird jedoch in der Literatur und im Internet so gut wie nie benutzt, weil er so kompliziert und schlecht zu merken ist. "Fructose" oder "Fruchtzucker" sind die gängigen Bezeichnungen für dieses Monosaccharid, auch in der Fachliteratur.

Ringbildung

In der oben gezeigten kettenförmigen Struktur kommt Fructose in der Natur so gut wie nicht vor. Fructose-Moleküle und auch die Moleküle anderer Pentosen und Hexosen (Monosaccharide mit fünf oder sechs C-Atomen) neigen zur Ringbildung.

Wie kommt diese Ringbildung der Fructose zustande?

Betrachten wir dazu das folgende Bild:

Ringbildung bei der Fructose
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende.

Die OH-Gruppe am 5. C-Atom der Fructose-Kette reagiert mit der C=O-Gruppe an Position 2. Chemisch gesehen handelt es sich bei dieser Reaktion um eine nucleophile Addition, genauer um eine Halbacetal-Bildung. Auf der Seite über Monosaccharide wird näher auf diese Reaktion eingegangen.

Monosaccharide

Auf dieser Seite wird auf die Stereochemie der Monosaccharide ausführlich eingegangen, auch auf die Chemie der Ringbildung.

Durch die Ringbildung können zwei verschiedene Fructose-Ringe entstehen. Bei der α-Fructose "schaut" die OH-Gruppe am C2-Atom nach "unten", während sie bei der β-Glucose nach "oben" gerichtet ist.

Stereochemie der Fructose

Die kettenförmigen Ketohexosen haben je drei chirale C-Atome, nämlich C3, C4 und C5, daher gibt es 23 = 8 Stereoisomere. Die Isomere, bei denen die OH-Gruppe am C5-Atom in der Kettendarstellung (Fischer-Projektion) nach rechts schaut, werden als D-Isomere bezeichnet. Wenn die C5-OH-Gruppe dagegen nach links gerichtet ist, spricht man von L-Isomeren. In der Natur kommen so gut wie nur die D-Isomere vor. Wenn also von Fructose die Rede ist, ist stets die D-Fructose gemeint, so wie sie im Bild 2 zu sehen ist.

D-Isomere und L-Isomere der Aldohexosen verhalten sich wie Bild und Spiegelbild, es sind also Enantiomere. Die verschiedenen D-Isomere sind dagegen Diastereomere, also Stereo-Isomere, die sich nicht wie Bild und Spiegelbild verhalten. Weitere Einzelheiten dazu finden Sie auf der Seite über Monosaccharide in meinem Chemie-Lexikon.

Wenn sich das Fructose-Molekül zu einem Ring schließt, entsteht ein neues Chiralitätszentrum am C2-Atom. Entsprechend gibt es zwei neue Stereo-Isomere, die sich nicht wie Bild und Spiegelbild verhalten. Bei Kohlenhydraten spricht man jetzt aber nicht von Diastereomeren, sondern von Anomeren. Die α- und die β-Fructose sind also Anomere.

Diese Ringschließung ist auch bei den anderen Aldohexosen und Ketohexosen und auch bei den Aldopentosen zu beoachten.

Furanose und Pyranose-Form der Fructose

Die fünfeckige Form der Fructose kommt dadurch zustande, dass sich die OH-Gruppe am C5-Atom mit der C=O-Gruppe am C2-Atom zusammenschließt. Die Gruppe am C1-Atom und die Gruppe am C6-Atom sind nicht an der Ringschließung beteiligt und ragen aus dem Ring heraus. Diese Form der Fructose wird als Furanose-Form bezeichnet. Je nach Stellung der OH-Gruppe am C2-Atom des Ringes unterscheidet man zwischen der α-Fructofuranose und der β-Fructofuranose.

Halbacetalbildung bei der Glucose bzw. Fructose
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Es kann aber auch die OH-Gruppe am C6-Atom der Fructose mit der C=O-Gruppe am C2-Atom reagieren. Dann befindet sich nur das C1-Atom nicht im Ring. Es bildet sich so ein sechseckiger Ring. Diese Form der Fructose wird als α-Fructopyranose und der β-Fructopyranose bezeichnet.

In wässriger Lösung liegt die Fructose zu 60% in der Pyranoseform vor, also als Sechseck: genauer gesagt, zu 57% als β-Fructopyranose und zu 3% als α-Fructopyranose. Zu 40% liegt Fructose in wässriger Lösung in der Furanoseform vor, und zwar zu 31% als β-Fructofuranose und zu 9% als α-Fructofuranose [1]. Auch in fester Form, also in Kristallen, liegt Fructose meistens als β-Fructopyranose vor.

In der Wikipedia [2] (aufgerufen am 22.10.2021) findet man allerdings völlig andere Angaben:

"Die α- und β-Anomere der jeweiligen Ringformen können in wässriger Lösung ineinander umgewandelt werden und stehen untereinander in einem Gleichgewicht. Bei 20 °C liegt in Wasser gelöste D-Fructose zu 76 % in der β-Pyranoseform, zu 4 % in der α-Furanoseform und zu 20 % in der β-Furanoseform vor." Rein rechnerisch kommt die α-Fructopyranose nach dieser Quelle dann zu genau 0% vor. Die Angaben in der Wikipedia stammen angeblich aus einem Lehrbuch der Lebensmittelchemie von 2008 [3].

Ist die Fructose jedoch Baustein höherer Saccharide, so liegt sie in der Furanoseform vor, also als Fünfeck. Die Zeichnung eines Saccharose-Moleküls mit einer sechseckigen Glucose und einer fünfeckigen Fructose ist also korrekt.

Eigenschaften (Auswahl)

Feste Fructose C6H12O6 ist ein sehr süß schmeckendes weißes Pulver mit einer Dichte von 1,6 g/cm3 und einem Schmelzpunkt von 106 ºC. Allerdings zersetzt sich Fructose schon bei "gemäßigten" Temperaturen von über 106 ºC, daher ist die Ermittlung des Schmelzpunktes nicht ganz so einfach.

Fructose ist sehr gut wasserlöslich; bei 20 ºC lösen sich ca. 790 Gramm Fructose in einem Liter Wasser (das ist deutlich mehr als bei der Glucose). Die hohe Wasserlöslichkeit liegt an den vielen OH-Gruppen im Fructose-Molekül. Jede OH-Gruppe kann Wasserstoffbrücken-Bindungen mit Wasser-Molekülen eingehen.

Fructose ist ein Baustein des Zweifachzuckers Saccharose (Rohr- oder Rübenzucker).

Mit der Fehlingprobe reagiert Fructose positiv, also mit Rotfärbung.

Das verwundert zunächst etwas, weil man im Chemieunterricht lernt, dass nur Aldehyde weiter oxidiert werden können (zu Carbonsäuren), während Ketone nicht mehr oxidiert werden können. Fructose ist chemisch ein Keton, sollte also durch die Kupfer-Ionen der Fehling-Lösung nicht mehr oxidiert werden können. Nun ist es aber so, dass sich Fructose beim Erwärmen in Glucose umwandeln kann. Beide Moleküle sind ja "nur" Isomere mit der gleichen Summenformel C6H12O6.

Fructose in der Wikipedia

Wenn Sie sich für die weiteren Eigenschaften der Fructose interessieren, kann ich Ihnen die entsprechende Wikipedia-Seite nur empfehlen.

Quellen:

  1. Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992
  2. Wikipedia, Artikel "Fructose"
  3. Belitz, Grosch, Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 6. Auflage, Springer Berlin, Heidelberg 2008.
  4. Berg, Tymoczko, Gatto jr., Stryer: Stryer Biochemie, 8. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2018.