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Intraspezifische Konkurrenz

intraspezifisch - interspezifisch - Konkurrenzvermeidung

Innerartliche Konkurrenz als Motor für die Evolution

Bereits DARWIN hatte erkannt, dass Tiere und Pflanzen stets mehr Nachkommen hervorbringen, als eigentlich zur Erhaltung der Art notwendig wären (siehe dazu auch: Selektion und Anpassung). Schauen wir uns dazu noch einmal das Bild zum logistischen Wachstum an, das wir auf der letzten Seite besprochen hatten:

Am Anfang, wenn noch genügend Ressourcen (Nahrung, Platz etc.) vorhanden sind, wächst die Population exponentiell. Mit zunehmender Individuenzahl N werden die Ressourcen knapper, und das Wachstum verlangsamt sich. Wenn schließlich die Kapazität K der Umwelt ausgeschöpft ist, wenn also so viele Individuen vorhanden sind, wie die Umwelt gerade "verkraften" kann (N = K), kommt das Populationswachstum zum Stillstand, es herrscht "Nullwachstum". Die Geburtenrate ist so weit gesunken, dass sie genau der Sterberate entspricht (oder die Sterberate ist so weit gestiegen, dass sie der Geburtenrate entspricht).

Jede Population erreicht theoretisch diesen Zustand des Nullwachstums, zumindest unter idealen Bedingungen. Unter natürlichen Bedingungen kommt es häufig nicht zur N = K - Situation, weil ungünstige abiotische Faktoren (schlechtes Wetter, harte Winter) oder ungünstige biotische Faktoren (zu viele Räuber, zu wenig Nahrung, Parasiten, Krankheitserreger etc.) eine zu starke Zunahme der Bevölkerung verhindern.

Fakt ist aber, egal welche Umweltbedingungen gerade herrschen, dass immer mehr Individuen erzeugt werden, als zum Überleben der Art notwendig ist. DARWIN wusste dies, er hatte nämlich den "Essay on the Principle of Population" von MALTHUS gelesen, das sich allerdings nicht auf Tiere oder Pflanzen bezog, sondern auf die frühindustrielle englische Stadtbevölkerung. MALTHUS war es übrigens auch, der den Begriff "Kampf ums Dasein" geprägt hat ("struggle for existence" bzw. "struggle for room").

Wenn ein Elternpaar 100 Nachkommen hat, aber nur - statistisch gesehen - 2 Nachkommen überleben, müssen die anderen 98 irgendwie zu Grunde gehen. Aber wer entscheidet, welche beiden Nachkommen die Überlebenden sind? Für diese wichtige Frage hatte DARWIN die passende Antwort. Diejenigen Individuen, die am besten an die jeweilige Umwelt angepasst sind, haben nicht nur die größten Überlebenschancen, sondern auch die besten Chancen, ihrerseits viel Nachwuchs zu bekommen und somit die Gene, denen sie die gute Angepasstheit (zum Teil) verdanken, an die nächste Generation weiterzugeben.

Alle 100 Nachkommen konkurrieren um die (in der Regel knappen) Ressourcen, es herrscht eine starke intraspezifische Konkurrenz. Intraspezifische Konkurrenz ist wichtig für die natürliche Auslese und damit für die Evolution der Lebewesen, wie wir gerade gesehen haben. Im Grunde basiert die ganze DARWINsche Evolutionstheorie auf der intraspezifischen Konkurrenz.

Schauen wir uns dazu noch eine andere Graphik an, die einige von Ihnen vielleicht schon aus einer Klausur oder Gruppenarbeit kennen:

Populationswachstum von Drosophila melanogaster mit und ohne Mutationsdruck

Drosophila melanogaster, die Taufliege (fälschlicherweise oft als "Fruchtfliege" bezeichnet), das "Haustier" des Genetikers, eignet sich wegen der hohen Fortpflanzungsrate hervorragend für Experimente "im Reagenzglas".

Mehrere Kulturen von Drosophila wurden über längere Zeit in geschlossenen Gefäßen kultiviert. Nahrung stand zur Verfügung, allerdings wurde diese Ressource künstlich begrenzt, so dass es nach einigen Wochen zum Nullwachstum kam.

Einige der Drosophila-Populationen wurden normal behandelt (roter Graph), andere Populationen wurden schwach radioaktiv bestrahlt (grüner Graph). Die Strahlung war allerdings so schwach, dass die Tiere nicht geschädigt wurden - dann wäre die Kurve nämlich steil nach unten gegangen.

Der Beobachtungszeitraum wurde in zwei Abschnitt unterteilt, der erste Abschnitt umfasste mehrere Wochen, der zweite Abschnitt einige Monate. Daher habe ich diesen Abschnitt in der obigen Graphik stark gestaucht - schließlich passt keine zwei Meter breite Graphik auf meine Homepage.

Im ersten Abschnitt sehen wir ein typisches logistisches Wachstum - egal, ob die Fliegen radioaktiv bestrahlt wurden oder nicht.

Im zweiten Beobachtungsabschnitt zeigten sich aber zwei unerwartete Überraschungen. Die erste Überraschung: Obwohl die Kapazität der Umwelt K erreicht wurde, wuchsen alle Populationen weiter. Nicht allzu schnell, aber immerhin, es war ein deutliches Wachstum zu erkennen. Wie kann man das erklären?

Es herrschte ein starker Konkurrenzkampf zwischen den Individuen, da ja viel mehr Nachkommen produziert wurden, als die Umwelt ernähren konnte. Nur die "Besten der Besten der Besten" überlebten. Dabei waren Individuen im Vorteil, die die wenige Nahrung besser auswerten konnten, vielleicht weil sie sparsamer im Verbrauch waren, weil sie kleiner waren, weil sie sich weniger bewegten oder aus sonst irgendwelchen Gründen.

Solche Individuen sind quasi besser an die Umwelt angepasst als die "normalen" Tiere. Sie setzen sich im Überlebenskampf durch und hinterlassen mehr Nachkommen als die andere Tiere. Die Allele, die für die Angepasstheit an den Nahrungs- und Platzmangel verantwortlich sind, verbreiten sich in der nächsten Generation also stärker als die "normalen" Allele der entsprechenden Gene. In der nächsten Generation wiederholt sich das Spiel, die Tiere passen sich immer besser an die Umweltbedingungen an. Dies hat zur Folge, dass eine langsam aber stetig größer werdende Zahl von Tieren in der Umwelt überleben kann. Die Population wächst langsam aber sicher (roter Graph).

Nun die zweite Überraschung. Bei "Radioaktivität" denkt ja jeder normale Mensch an "Strahlungsschäden", "Verbrennungen" und "Mutationen". Entgegen dieser Ansicht hatten die bestrahlten Kulturen aber von der Bestrahlung profitiert, denn sie vermehrten sich viel besser als die nicht bestrahlten Kulturen (grüner Graph). Die Erklärung hierfür ist wieder in der DARWINschen Evolutionstheorie zu suchen.

Ein wichtiger Motor für Evolution ist das Auftreten von Variationen innerhalb einer Population. In einer Population sehen die Individuen normalerweise unterschiedlich aus. Gerade in der K-Phase des Populationswachstum, wenn also ein starker Konkurrenzdruck herrscht, macht sich das für manche Individuen vorteilhaft bemerkbar. Manche Tiere sind aufgrund der Variabilität sehr gut an die Umwelt angepasst, andere Tiere wiederum nicht so gut.

Durch die radioaktive Bestrahlung traten bei den Kulturen vermehrt Mutationen auf, die Mutationsrate erhöhte sich.

Die meisten Mutationen sind grundsätzlich neutral, verändern also nicht den Grad der Angepasstheit an die Umwelt. Wenn beispielsweise eine Fliege plötzlich eine andere Augenfarbe hat, so ändert das nichts an der Art und Weise, wie sie ihre Nahrung zu sich nimmt. Einige Mutationen sind schädlich, diese Tiere haben dann Nachteile gegenüber ihren Konkurrenten, was aber nicht weiter auffällt, da ja sowieso über 99% der Tiere den Konkurrenzkampf nicht überleben - zumindest bei r-Strategen wie Fliegen nicht.

Ganz wenige Mutationen sind von Vorteil. Solche Fliegen kommen dann mit weniger Nahrung aus oder können plötzlich Nahrung verwerten, die die anderen Tiere aus bestimmten Gründen gemieden haben. Durch die radioaktive Strahlung wurde nicht der Anteil an positiven Mutationen erhöht, aber die absolute Zahl an vorteilhaften Mutationen stieg an, weil insgesamt die Mutationsrate zunahm. Die radioaktiv bestrahlten Kulturen konnten sich also besser und schneller an die Umweltbedingungen anpassen. Daher das raschere Wachstum der bestrahlten Kulturen.

Damit wollen wir es genug sein lassen mit der intraspezifischen Konkurrenz. Das eigentliche Thema dieser Seite ist ja die interspezifische Konkurrenz, also die Konkurrenz zwischen verschiedenen Tier- oder Pflanzenarten.