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Die Geschlechterrelation in Populationen

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Aufmacherbild für Geschlechterrelation

Ein Gedankenexperiment

Warum eigentlich kommen in vielen Tierpopulationen und auch beim Menschen die Geschlechter männlich und weiblich im Verhältnis 50:50 vor; haben Sie sich das schon einmal gefragt? Auch solche Fragestellungen gehören in das Gebiet der Demökologie. Auf dieser Seite wollen wir uns genau mit diesem Problem beschäftigen.

Die Genetik der Vererbung des Geschlechts kennen Sie aus dem Genetik-Kurs. Beim Menschen ist es so, dass der Vater das Geschlecht des Kindes bestimmt. Trägt die Samenzelle, welche die Eizelle der Frau befruchtet, ein Y-Chromosom, so entsteht ein Junge. Enthält die Samenzelle aber ein X-Chromosom, so entsteht ein Mädchen.

Nun ist es aber so, dass Frauen (und bei Tieren die Weibchen) ziemlich viel Ressourcen in den Nachwuchs investieren, höhere Tiere bekommen daher auch nicht so viele Kinder. Männer investieren eher weniger Ressourcen in den Nachwuchs, bei manchen Tierarten kümmern sich die Männchen überhaupt nicht um die Kinder.

Nach der Theorie des egoistischen Gens von R. Dawkins sind es nicht unsere Gehirne, die unser Verhalten steuern, sondern die Gene. Die Gene wollen sich vermehren, deshalb programmieren sie den Organismus so, dass er möglichst viele Nachkommen hat.

Ein männliches Tier kann theoretisch extrem viele Nachkommen zeugen, während ein weibliches Tier nur relativ wenige Nachkommen haben kann. Angenommen, bedingt durch eine Mutation bekommt ein weibliches Tier nur noch männliche Nachkommen. Auf den ersten Blick ist das für die Gene der Mutter sehr vorteilhaft, weil nun ihre männlichen Kinder ihrerseits viele weitere Nachkommen zeugen können. Ist diese Mutation dominant, so haben die männlichen Nachkommen der Mutter wieder nur männliche Nachkommen und so weiter. Mit der Zeit steigt also die Zahl der männlichen Tiere in der Population immer stärker an.

Können Sie diesem Gedankenexperiment noch folgen?

Gut. Man könnte jetzt also annehmen, dass sich das ursprüngliche Geschlechterverhältnis von 50:50 verschiebt zu vielleicht 70:30 zugunsten der Männchen. Ein paar Generationen später liegt das Verhältnis vielleicht schon bei 80:20.

Spinnen wir diesen Gedanken weiter. Wenn sich das Verhältnis tatsächlich so verschoben hat, dass es kaum noch Weibchen gibt, dann haben die vielen Männchen echte Probleme. In China kann man übrigens ein ähnliches Phänomen beobachten. Durch die 1-Kind-Politik der chinesischen Regierung treiben viele Eltern ihre weiblichen Babys ab, um dann beim zweiten oder dritten Mal einen Jungen zu bekommen. Die Folge: Es gibt einen erheblichen Männer-Überschuss in China; diese Männer haben große Schwierigkeiten, eine gleichaltrige Partnerin zu finden.

"Kamen 1982 bereits 108,5 geborene Jungen auf 100 geborene Mädchen, ist dieses Verhältnis 2009 auf gut 120 zu 100 gestiegen, weil häufig Schwangerschaften mit weiblichen Embryonen und Föten abgebrochen werden. Zeitweilig kamen auf 100 Lebendgeborene 30 bis 50 Abtreibungen."

Zitat aus der Wikipedia, Artikel "Ein-Kind-Politik"

Nun aber wieder zurück zu der Tierpopulation. Angenommen, jetzt ereignet sich eine zweite Mutation. Eine der wenigen Mütter bekommt plötzlich nur noch weibliche Kinder. Dann ist das ziemlich vorteilhaft für diese Mutter. Hätte sie nur männliche Kinder bekommen, wäre die Zahl ihrer Enkel ziemlich gering geblieben, weil ihre Jungen kaum Partnerinnen gefunden hätten. Hat die Mutter aber viele weibliche Kinder, so haben diese kein Problem, einen männlichen Partner zu finden. Das heißt, diese Mutation wird sich in der Population ausbreiten. Immer mehr Mütter haben nur noch weibliche Kinder. Das Geschlechterverhältnis verschiebt sich wieder zugunsten des weiblichen Geschlechts.

Da nun beide Mutationen in der Population "unterwegs sind", stellt sich eine Art Gleichgewichtszustand ein. Und das Resultat dieses Gleichgewichtszustandes ist eine ausgewogene Geschlechterrelation von 50:50.

Sollten in der Population wieder zu viele Männer auftreten, haben die Eltern einen Vorteil, die eher weibliche Kinder zur Welt bringen. Sollten dagegen in der Population zu viele Frauen vorhanden sein, haben die Eltern einen Vorteil, die mehr männliche Kinder zeugen.

Ausblick: Evolutionstheorie

Einer der Triebkräfte für die Evolution von Arten sind Mutationen aller Art, vor allem vorteilhafte Mutationen. Allerdings kann sich eine Mutation nur dann in der ganzen Population durchsetzen, wenn sie evolutionär stabil ist. Die oben beschriebene Mutation, die dazu führt, dass plötzlich mehr männliche Tiere geboren werden als weibliche, ist evolutionär nicht stabil. Wenn sich die Mutation in der Population ausbreitet, begünstigt sie Tiere, die mehr weibliche Nachkommen haben, bis sich ein Gleichgewichtszustand eingestellt hat.