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Geschmackspapillen und -knospen Q1-2, Studium

Bereiche der Zunge

In alten Biologiebüchern findet man die klassische Einteilung der Zunge in einen Bereich für die Geschmacksempfindungen "süß", "sauer", "salzig" und "bitter".

Ergebnis einer Google-Bildersuche zum Thema Zunge und Geschmack

Eine kurze Google-Suche bestätigt, dass sich dieses "Vorurteil" auch heute noch bei den meisten Quellen hält. Demnach wäre die Zungenspitze für den Geschmack "süß" zuständig, die hinteren Randbereiche für "sauer", der hintere Mittelbereich der Zunge für "bitter" und der vordere Randbereich für "salzig".

Rezeptorenverteilung aus Henry Gray's Anatomy of the Human Body
Autor: Rainer Zenz, Lizenz: Public domain

Dieses (bearbeitete) Bild aus der berühmten Gray's Anatomy zeigt bereits, dass die Rezeptoren für die vier Geschmacksrichtungen etwas stärker verstreut auf der Zunge liegen. Die Zungenspitze ist für süß, sauer und salzig sehr empfindlich, ebenso die Ränder der Zunge. Die Bitter-Rezeptoren liegen zwar vor allem im hinteren Zungenbereich, sind aber auch in den anderen Regionen vertreten.

"Geschmacksforscher wissen seit langem, dass die Zunge nicht einzelne exklusive Zonen für bestimmte Geschmäcke aufweist. Denn sämtliche Bereiche, die Geschmacksknospen tragen, können alle Geschmacksqualitäten erfassen." [1].

Heute kennt man zwei weitere Geschmacksrichtungen: "umami" und "fettig", und es wird auch diskutiert, ob auch "wässrig" eine zusätzliche Geschmacksrichtung ist. Dann hätten wir also nicht vier, sondern sieben verschiedene Geschmacksrichtungen.

Geschmackspapillen und -knospen

Die Geschmackspapillen, kleine Auswölbungen auf der Zunge, kann man in der Regel nicht gut sehen, dafür sind sie zu klein, lediglich im hinteren Zungenbereich erkennt man die großen Wallpapillen [2]:

Die vier Typen der Geschmackspapillen auf der menschlichen Zunge
OpenStax, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons

Jede Geschmackspapille enthält mindestens eine, oft mehrere, manchmal bis mehrere Hundert Geschmacksknospen, und jede Geschmacksknospe wiederum besitzt ca. 50 bis 150 Geschmackssinneszellen für die vier bzw. fünf Geschmacksrichtungen [3, S. 281] (fünf, wenn man den Geschmack "umami" dazurechnet).

Eine Geschmacksknospe
NEUROtiker, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Hier sehen wir den Aufbau einer einzelnen Geschmacksknospe [2]. Jede Geschmacksknospe enthält mehrere Geschmackssinneszellen bzw. Geschmacksrezeptoren. Jeder Geschmacksrezeptor ist für eine der vier bzw. fünf Geschmacksrichtungen zuständig, aber eine Geschmacksknospe kann durchaus unterschiedliche Geschmacksrezeptoren nebeneinander enthalten, wie folgendes Experiment zeigt:

 

Verschiedene Geschmacksrezeptoren reagieren unterschiedlich auf einzelne Reize
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Hier hat man drei Geschmacksrezeptoren einer Geschmacksknospe unterschiedlichen chemischen Verbindungen ausgesetzt und dann die Aktionspotenziale am Axon der ableitenden Folgezelle gemessen [3, S. 283].

Die Geschmacksrezeptoren sind sekundäre Sinneszellen, besitzen also selbst kein Axon, sondern schütten Neurotransmitter aus, die dann die folgenden Nervenzellen erregen, worauf diese dann Aktionspotenziale bilden und Richtung Gehirn entsenden.

Wie man gut sehen kann, reagiert jeder Rezeptor auf alle vier Geschmacksrichtungen, allerdings unterschiedlich stark. Der Rezeptor A reagiert am stärksten auf "süß", der Rezeptor B reagiert stark auf "salzige" und "sauer", so gut wie gar nicht auf "bitter" und etwas mehr auf "süß". Der Rezeptor C schließlich reagiert vor allem auf "salzig", aber auch auf "sauer" und die beiden anderen Geschmacksrichtungen.

Geschmacksrezeptoren

Man unterscheidet drei Typen von Geschmackssinneszellen, die man - sehr einfallsreich - als Typ I, Typ II und Typ III bezeichnet [4].

Typ I - Zellen

Diese Zellen sind sehr einfach aufgebaut und kommen in den Geschmacksknospen sehr häufig vor. Sie umhüllen die anderen Zellen der Geschmacksknospe. In EM-Aufnahmen erscheinen sie recht dunkel, wegen der hohen Dichte ihres Cytoplasmas [5].

Typ I - Zellen sind für die Geschmacksrichtung "salzig" zuständig, haben aber auch noch weitere Aufgaben, die von scheinen vor allem mit "Aufräumen" beschäftigt [4]. Das heißt, sie entfernen alle "störenden" Stoffe, die die Geschmacksempfindung beeinträchtigen können, zum Beispiel überschüssige Neurotransmitter, ATP, Kalium-Ionen etc. Hübner vergleicht die Typ I - Zellen der Geschmacksknospen daher mit den Gliazellen des Gehirns [5].

Typ II - Zellen

Bei den Typ II - Zellen handelt es sich um klassische Sinneszellen mit G-Protein gekoppelten Rezeptorproteinen, die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip auf bestimmte chemische Verbindungen ansprechen (im Prinzip ähnlich aufgebaut wie die Duftstoff-Rezeptoren der Riechschleimhaut).

Die Typ II -Zellen sind für die vier Geschmacksrichtungen "süß", "umami", "fettig" und "bitter" zuständig.

Typ II - Zellen schütten den Botenstoff ATP aus, wenn sie erregt werden. Dieses ATP wirkt dann auf die nachfolgenden Nervenzellen wie ein Neurotransmitter, erregt diese also. Aber auch die benachbarten Sinneszellen werden durch das ATP erregt [4]. Die Typ I - Zellen bauen dieses ATP dann wieder ab. "Richtige" Neurotransmitter werden von den Typ II - Zellen jedoch nicht ausgeschüttet [5].

Transduktionsprozesse bei Typ II - Zellen

Die Transduktionsprozesse bei den Typ II - Zellen sind recht komplex und werden auf der nächsten Seite erklärt.

Typ III - Zellen

Diese Zellen sind die einzigen Geschmackssinneszellen, die synaptische Endknöpfchen mit synaptischen Vesikeln besitzen. Sie können daher "richtige" Neurotransmitter ausschütten, wenn sie erregt werden, und zwar Serotonin, GABA und Noradrenalin [4, 5].

Typ III - Zellen sind für die Geschmacksrichtung "sauer" zuständig, werden aber auch durch das ATP erregt, das von den Typ II - Zellen ausgeschüttet wird, sprechen indirekt also ebenfalls auf die vier Geschmacksrichtungen "süß", "umami", "fettig" und "bitter" an.

Quellen, die über allgemeines Schulbuchwissen hinausgehen:

  1. D. Smith, R. Margolskee, "Das Geheimnis des Geschmackssinns", Spektrum der Wissenschaft Juli 2001.
  2. Wikipedia, Artikel "Geschmacksknospe".
  3. Bear, Connors, Paradiso: Neurowissenschaften, Springer-Verlag 2018
  4. Schling: Der Geschmack (essentials). Springer-Verlag 2018. Kindle-Version.
  5. Hübner: Molekulare Grundlagen der Bittergeschmackswahrnehmung in der Maus. Dissertation, Uni Potsdam 2014.

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