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Aktuelle Erkenntnisse zum Riechen

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Abitur NRW

Themen zur Duftwahrnehmung bei Wirbellosen und Wirbeltieren kommen in folgenden Abituraufgaben vor:

Forscher verleihen Mäusen den Superriecher

(Spektrum direkt, 8. Juli 2016)

Forscher haben Mäuse genetisch so verändert, dass sie den Geruchsrezeptor M71, der normalerweise nur von 0,1 % der Riechzellen ausgebildet wird, wesentlich häufiger in die Riechcilien einbauen. Durch Dressurversuche fanden die Forscher dann heraus, dass diese genetisch veränderten Mäuse den zum Rezeptor passenden Duftstoff Acetophenon tatsächlich wesentlich besser riechen konnten als normale Mäuse. Anschließend bauten die Forscher das Gen für den menschlichen Geruchsrezeptor OR1A1 in das Mäuse-Genom ein. Dieser Rezeptor ist für einen pfefferminzartigen Geruch zuständig. Und tatsächlich - raffinierte Dressurexperimente ergaben dann, dass die so veränderten Mäuse in der Lage sind, diesen Duftstoff 100 mal so empfindlich wahrzunehmen wie normale Mäuse.

Das eigentliche Ziel der Forscher ist es, Tiere genetisch so zu verändern, dass sie ähnlich wie Hunde in der Lage sind, bestimmte gefährliche Stoffe zu erkennen; nicht nur verschiedene Drogen, sondern auch beispielsweise den Sprengstoff TNT, der in vielen Landminen enthalten ist.

Siehe auch Original-Artikel in Spektrum direkt vom 8. Juli 2016.

Riechen per Molekülschwingung

(Spektrum der Wissenschaft, Juni 2016)

Bisher galt auch für das Erkennen von Gerüchen das Schlüssel-Schloss-Prinzip: Ein Duftstoff-Molekül setzt sich in einen passenden Rezeptor in der Riechschleimhaut, der Rezeptor startet dann im Zellinnern eine Kaskade chemischer Reaktionen, die schließlich zur Depolarisierung der Membran der Riechsinneszelle führen (siehe Grundlegendes zum Riechsinn). Allerdings kann diese Theorie nicht erklären, wieso völlig unterschiedlich gestaltete Moleküle die gleiche Duftempfindung hervorrufen. Und es ist bisher nicht gelungen, aufgrund der Gestalt eines Moleküls vorherzusagen, wie es riecht. Eigentlich sollte dies ja möglich sein, wenn ausschließlich das Schlüssel-Schloss-Prinzip für die Erkennung von Gerüchen gilt.

Eine alternative Theorie schlägt vor, dass die Schwingungen der Duftstoff-Moleküle eine wichtige Rolle bei der Erkennung von Gerüchen spielen. Diese Theorie lässt sich ganz einfach überprüfen: Man baut in ein solches Molekül H-Atome ein, die etwas schwerer sind als normale H-Atome, Deuterium-Atome nämlich (Wasserstoff mit einem zusätzlichen Neutron). Nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip müsste ein derart verändertes Molekül genau so riechen wie das ursprüngliche Molekül. Allerdings verändern sich durch das etwas erhöhte Gewicht die Schwingungen eines solchen Moleküls. Wenn also die alternative Theorie zutrifft, sollte dieser schwere Duftstoff anders riechen als der leichte. Und tatsächlich, genau dies wurde von den Forschern bewiesen.

Zunächst konnte nur das Verhalten von verschiedenen Tieren untersucht werden und auch das subjektive Geruchsempfinden von Versuchspersonen. Allerdings sind solche Experimente recht unzuverlässig. Dann kamen die Forscher auf die Idee, die intrazellulären Calcium-Konzentrationen der olfaktorischen Glomeruli im Riechzentrum des Gehirns von Insekten zu untersuchen. Man fand heraus, dass die Calciumionen-Konzentration in diesen Zellen davon abhing, ob der schwere oder der leichte Duftstoff gegeben wurde. Dies war ein eindrucksvoller Beweis für die Richtigkeit der alternativen Schwingungstheorie.

Der Original-Artikel erschien im Spektrum-Heft 6/2016.

Der Mensch nimmt 1 Billion Düfte wahr

(Spektrum direkt, 20. März 2014)

Mindestens eine Billion Düfte können wir unterscheiden, haben Wissenschaftler aus New York jetzt mit Hilfe aufwändiger Versuche mit Menschen herausgefunden. Das ist wesentlich mehr als die 10.000 verschiedenen wahrnehmbaren Düfte, von denen man bisher ausgegangen ist.

Siehe auch Original-Artikel in Science vom 21. März 2014: "Humans Can Discriminate More than 1 Trillion Olfactory Stimuli".

Faule-Eier-Gestank nur dank Kupfer wahrnehmbar

(Spektrum direkt, 6. Februar 2012)

Bei Experimenten mit Mäusen haben Forscher bei Mäusen einen Geruchsrezeptor entdeckt, der zum korrekten Arbeiten ein Kupferion benötigt. Das Metall bindet an bestimmte Duftstoff-Moleküle und verändert ihre Konformation, so dass sie besser in das aktive Zentrum des Rezeptor-Proteins passen. Erhöht man die Konzentration der Kupferionen in der Riechschleimhaut der Mäuse, können Sie Duftstoffe wie MTMT (Methylthiomethanthiol) wesentlich besser wahrnehmen. MTMT ist ein Pheromon im Urin der Mäuse. Vor dieser Entdeckung haben sich die Forscher lange gewundert, warum dieser Duftstoff von den Mäusen noch in Konzentrationen von wenigen PPB (Teilen pro Milliarde) wahrgenommen werden kann.

Ein neuer Geruchssinn

(Spektrum der Wissenschaft, Januar 2007)

Die Rezeptor-Moleküle in der Membran der Riechsinneszellen sind normalerweise auf der Membraninnenseite mit einem G-Protein gekoppelt, welches dann andere Enzyme wie beispielsweise Adenylatcyclase zur Synthese sekundärer Botenstoffe anregt, welche dann dafür sorgen, dass sich Ionenkanäle der Zellmembran öffnen, so dass Natrium-Ionen einströmen und die Membran depolarisieren können.

Bei Mäusen haben Wissenschaftler nun 15 neue Duftstoff-Rezeptoren entdeckt, die nicht an normale G-Proteine gekoppelt sind, sondern an ganz spezielle G-Proteine, wie sie sonst nur bei der Erkennung bestimmter Neurotransmitter vorkommen, vor allem von Serotonin und Dopamin. Wie man weiter herausfand, sind diese neuen Rezeptoren hauptsächlich für Amine empfindlich, chemische Verbindungen mit NH2-Gruppen, die vor allem im Urin der Mäuse vorkommen. Die Konzentration dieser Amine ist vom Geschlecht und der sexuellen Reife der Maus abhängig. Man vermutet also, dass die neuen Duftstoff-Rezeptoren das Sozial- und Sexualverhalten der Tiere steuern.

Wässriges Schnuppererlebnis

(spektrumdirekt, 22.12.2006)

Unter Wasser lebende Säugetiere sollten eigentlich nicht riechen können. Normalerweise verbindet man mit dem Begriff "Geruch" die Vorstellung, dass Moleküle in der gasförmigen Luft verteilt sind und so in die Riechschleimhaut unserer Nase gelangen. Der Geschmackssinn dagegen nimmt in Wasser gelöste Moleküle wahr. Tiere, die unter Wasser leben und chemische Substanzen wahrnehmen, sollten diese daher eher schmecken als riechen.

Nun hat man aber den Sternmull näher untersucht und festgestellt, dass dieses absolut hässliche Tier nicht nur tauchen, sondern auch noch unter Wasser riechen kann. Und zwar richtig riechen - in dem Sinne, dass Moleküle in der Luft verteilt wahrgenommen werden. Dazu produziert der Sternmull Luftblasen, die mit Ausatemluft gefüllt sind. Sieht der Sternmull ein interessantes Objekt, pustet er es mit seinen Luftblasen an, ungefähr zehn Stück pro Sekunde. Die Luftblasen treffen auf das Objekt und nehmen einen Teil seines Geruchs auf. Dann werden die Luftblasen vom Sternmull wieder eingeatmet. Die jetzt in der Luft gelösten Duftstoffe können tatsächlich wahrgenommen werden, wie Untersuchungen bestätigt haben.

Bei der Nördlichen Wasserspitzmaus, die ebenfalls wie der Sternmull unter Wasser jagen kann, hat man einen vergleichbaren Mechanismus entdeckt, auch sie pustet viele kleine Luftblasen auf ein potenzielles Opfer und atmet sie dann wieder ein, um den Geruch zu kontrollieren.

Ratten riechen räumlich

(Der Spiegel, 03.02.2006)

Wie indische Wissenschaftler in dem Wissenschaftmagazin Science schreiben, können Ratten nicht nur ziemlich gut riechen, sondern sie können sogar räumlich riechen. Herausgefunden hat man das mit Hilfe einer simplen Versuchsapparatur: Ein Kasten mit einem Loch, in das die Nase der Ratte hineinpasst. Links und rechts im Kasten zwei Glas- oder Plastikröhren, durch die Luft einströmt, der wahlweise ein Duft beigemischt werden kann. Links und rechts vom Kasten zwei Wasserspender. Wenn der Duft von links kommt, ist der linke Wasserspender geöffnet, wenn der Duft von rechts kommt, der rechte. Die Versuchsratten lernten recht schnell: Immer wenn der Duft durch das linke Röhrchen in den Kasten strömte, drückten die Ratten auf den linken Wasserspender. Wenn der Duft dagegen durch das rechte Röhrchen in den Kasten kam, drückten Sie auf den rechten Wasserspender. Band man den Ratten das eine Nasenloch zu, landeten sie nur noch Zufallstreffer.

Die beiden Nasenlöcher sind bei den Ratten streng getrennt, ähnlich wie die Augen beim Menschen. Es ziehen zwei Geruchsnerven zum Gehirn, erst dort vereinigen sie sich. Das Gehirn kann aus der Zeitdifferenz, mit der zwei gleiche Duftsignale vom linken und vom rechten Nasenloch eintreffen, auf den Ort schließen, von dem der Duft stammt.

Man nimmt an, das das räumliche Riechen den Ratten bei der Orientierung in ihrem natürlichen Lebensraum hilft.

Riechsinn vs. Farbensehen

(spektrumdirekt, 20.01.2004)

Der Mensch und die Menschenaffen haben ziemlich viele Gene, die für die Produktion von Duftstoff-Rezeptor-Proteinen zuständig sind, wie sie in der Membran der Riechsinneszellen sitzen. Allerdings sind beim Menschen viele dieser Gene funktionslos - entweder werden sie gar nicht transkribiert, oder die Genprodukte werden wieder abgebaut. Beim Menschen beträgt der Anteil der funktionsfähigen Duftrezeptor-Gene ca. 50%, bei Menschenaffen sogar 70%.

Bei den primitiveren Neuwelt-Affen dagegen sind über 80% dieser Gene funktionsfähig. Die Tiere können also viel besser riechen als der Mensch. Eine Ausnahme gibt es aber bei diesen Neuweltaffen: Beim Brüllaffen sind nur ca. 66% seiner Duftrezeptor-Gene funktionsfähig.

Der Grund hierfür könnte folgender sein: Während die restlichen Neuweltaffen nur über zwei Zapfentypen in der Netzhaut verfügen, hat der Brüllaffe drei Zapfentypen, er kann also trichromatisch sehen, ähnlich wie der Mensch oder die Menschenaffen.

Typisch menschlich

(spektrumdirekt, 03.03.2003)

Der Mensch verfügt über schätzungsweise 1000 Gene nur für die Synthese von Duftstoff-Rezeptoren; ein großer Teil unserer DNA ist also für den Riechsinn zuständig. Allerdings enthalten ungefähr 60% dieser Gene Stopp-Signale mitten im Code, so dass die Translation funktionsunfähige Rezeptor-Moleküle hervorbringt. Effektiv besitzen wir somit ca. 400 verschiedene Duftstoff-Rezeptoren in unseren Riechsinneszellen.

Bei Menschenaffen sind dagegen nur 28 bis 36 Prozent der Gene durch Stopp-Signale unterbrochen, so dass unsere nahen Verwandten ungefähr 700 funktionierende Rezeptor-Moleküle besitzen und damit nahezu doppelt so viele Duftstoffe wahrnehmen können.

Normalerweise verhindert der Selektionsdruck, den die Arten ausgesetzt sind, ein allzu starkes Ansammeln von schädlichen Mutationen. Man nimmt an, dass der Geruchssinn beim Menschen im Laufe der Evolution an Bedeutung verloren hat und dass sich deshalb in den letzten Millionen Jahren so viele Mutationen in den Genen für Duftstoff-Rezeptoren ansammeln konnten. Vermutlich liegt das daran, dass sich der Mensch mehr und mehr auf das Sehen verlassen hat, während bei Menschenaffen die Nase eine wesentlich größere Rolle nicht nur bei der Nahrungswahl, sondern auch beim Sozial- und Sexualverhalten spielt.