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Informationsverarbeitung beim Riechen

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Abitur NRW

Themen zur Duftwahrnehmung bei Wirbellosen und Wirbeltieren kommen in folgenden Abituraufgaben vor:

Der Riechkolben mit Mitralzellen, deren Axone zum Gehirn ziehen

Hier sehen wir den Riechkolben (blau gezeichnet), der die Mitralzellen enthält, deren Axone sich zum Riechnerv vereinigen, der zum Riechzentrum des Gehirns zieht.

In der Riechschleimhaut gibt es ca. 350 - 380 verschiedene Typen von Riechsinneszellen; jeder Typ verfügt über einen spezifischen Duftstoffrezeptor. Jeder Duftstoffrezeptor muss von einem eigenen Gen codiert werden, so dass man auf eine Zahl von ca. 350 Genen allein für den Riechsinn kommt. Bei insgesamt nur 35.000 Genen des Menschen ist dies ein ziemlich hoher Anteil.

Die Axone der Riechsinneszellen ziehen durch das Siebbein in den Riechkolben. Dort befinden sich die Mitralzellen. Das sind Neurone, die für einen bestimmten Geruch "zuständig" sind. Alle Riechsinneszellen mit dem gleichen Duftstoffrezeptor sind mit derselben Mitralzelle verbunden. In der Abbildung oben sind die "roten" Duftstoffrezeptoren mit der roten Mitralzelle verbunden, und die gelben Duftstoffrezeptoren mit der gelben Mitralzelle.

Die Axone aller Mitralzellen vereinigen sich zum Riechnerv, der dann zum Riechzentrum des Gehirns weiterzieht.

Millionen verschiedene Düfte nimmt der Mensch wahr, er hat aber nur 350 bis 380 verschiedene Duftstoffrezeptoren. Also scheidet die einfachste Möglichkeit der Informationsverarbeitung schon mal aus: Ein Duftstoffrezeptor pro Duft. Wie muss man sich die Dufterkennung dann vorstellen? Betrachten Sie dazu folgendes Schema:

Ein Experiment zum Geruchssinn

Messung von Potenzialen

Hier hat man folgendes Experiment gemacht: Die Zellkörper von zehn verschiedenen Mitralzellen wurden mit Mikroelektroden "angezapft" und die Rezeptorpotenziale R1, R2, …, R10 wurden gemessen. In der Tabelle werden die unterschiedlich starken Rezeptorpotenziale durch unterschiedlich große Kreise dargestellt.

Dann wurde die Nase des Versuchstiers - vermutlich eine weiße Ratte - fünf verschiedenen Duftstoffen D1 bis D5 ausgesetzt. Dabei registrierte man die Rezeptorpotenziale der zehn Mitralzellen.

Die Ergebnisse der Tabelle sprechen eine klare Sprache: Keine Mitralzelle (und somit auch keine Riechsinneszelle) ist für einen bestimmten Geruch "zuständig". Vielmehr ist es so, dass eine Riechsinneszelle eine Vielzahl von Duftstoffen wahrnehmen kann. Die Riechsinneszelle, die mit der Mitralzelle 2 verbunden sind, sind z.B. sehr empfindlich für den Duftstoff D1, aber auch für Duftstoff D5, während sie für D3 und D4 kaum empfindlich sind. Umgekehrt kann der Duftstoff D1 die Riechsinneszellen, die mit den Mitralzellen R2, R4 und R5 verbunden sind, ziemlich stark erregen.

Angenommen, D1 ist Moschusgeruch und D2 Waldmeistergeruch. Wenn jetzt das Riechzentrum des Gehirns von den Mitralzellen R2, R4 und R5 stark erregt wird, so "weiß" das Gehirn: "Aha - Moschusgeruch". Wird das Riechzentrum dagegen hauptsächlich von Mitralzellen R2 und R7 und daneben von Mitralzellen R5, R9 und R10 erregt, so erkennt das Gehirn "Waldmeistergeruch".

Experimente mit Fluoreszenz-Farbstoffen

Man hat in einem aufwendigen Experiment die Mitralzellen des Riechkolbens gentechnisch so verändert, dass sie ein Protein produzieren, dass in Anwesenheit von hohen Ca2+-Konzentrationen im UV-Licht farbig aufleuchtet.

Setzt man die noch intakten Riechsinneszellen nun einem bestimmten Geruch aus, sagen wir mal Zitronengeruch, so leuchten in dem Riechkolben nur ganz bestimmte Mitralzellen hell auf, ein paar Mitralzellen leuchten etwas weniger auf, und die meisten Mitralzellen leuchten überhaupt nicht. Auf dem Bildschirm der Versuchsapparatur ist also ein ganz bestimmtes Muster zu sehen, das typisch ist für den Zitronengeruch.

Setzt man die Riechsinneszellen nun einem anderen Geruch aus, beispielsweise Zimtgeruch, so leuchten in dem Riechkolben plötzlich ganz andere Mitralzellen auf, auch hier bildet sich wieder ein typisches Muster aus [3, S. 302].

Aktivitätsmuster von Mitralzellen bei zwei verschiedenen Duftstoffen
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Quellen:

  1. "Tausendfache Geruchsfänger", ein Artikel von Stephan Frings auf der Seite der Universität Heidelberg von 2008.
  2. Schmidt, Schaible, Neuro- und Sinnesphysiologie, Heidelberg 2006
  3. Bear, Connors, Paradiso: Neurowissenschaften, Springer-Verlag 2018