Helmichs Biologie-Lexikon

RNA

Bei der Transkription wird ein eng begrenzter Abschnitt der DNA in eine RNA-Kopie umgeschrieben. Diese kann dann entweder als Vorlage für die Synthese von Proteinen an den Ribosomen dienen (messenger-RNA, mRNA), als transfer-RNA (tRNA) Aminosäuren zu den Ribosomen transportieren, oder als ribosomale RNA (rRNA) als essentieller Baustein von Ribosomen verwendet werden. Andere RNA-Sorten dienen zur Regulation der Genexpression, indem sie zum Beispiel bestimmte DNA-Abschnitte komplementär abdecken oder sich komplementär an mRNA-Moleküle anlagern, um diese zu inaktivieren.

Wie unterscheidet sich RNA von DNA?

Beides sind Nucleinsäuren, kommen also im Zellkern der Eukaryotenzelle bzw. im Innern der Prokaryotenzelle vor. DNA und RNA unterscheiden sich aber in ein paar wichtigen Punkten:

Einzelsträngigkeit
Der auffälligste Unterschied: Die RNA besteht aus einem einzigen Polynucleotidstrang, während die DNA ein doppelter Polynucleotidstrang ist, also aus zwei Einzelsträngen besteht, die sich umeinander winden (Doppelhelix).

Auf Grund seiner Einzelsträngigkeit kann ein RNA-Einzelstrang alle möglichen Raumstrukturen einnehmen, es kommen sogar Bereiche vor, in denen sich ein Teil des RNA-Strangs mit einem anderen Teil des RNA-Stranges zu einem kurzen Doppelstrang zusammenschließt, wenn nämlich die beiden Teile komplementär zueinander sind (Bildung von Haarnadelschleifen):

Bildung einer Haarnadelschleife durch intramolekulare Basenpaarung

Bildung einer Haarnadelschleife durch intramolekulare Basenpaarung
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende.

Ribose

Bei der DNA kommt das Zuckerderivat Desoxyribose im Rückgrat vor, bei der RNA der "Original"-Zucker Ribose.

Ribose und Desoxyribose
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Der Unterschied ist augenfällig: Die beta-Ribose ist der eigentliche Zucker, eine Pentose mit fünf C-Atomen. Die Desoxyribose ist das Reduktionsprodukt der Ribose, es fehlt am C2-Atom ein Sauerstoff-Atom.

Durch die OH-Gruppe am C2-Atom wird die RNA instabiler als die DNA. Es können sich leichter 2' → 3' - Ringester bilden [1]. Das kann man so verstehen, dass sich die OH-Gruppe am C2-Atom mit der OH-Gruppe am C3-Atom verbindet. Dadurch wird natürlich die Bindung zur Phosphatgruppe, die am C3-Atom sitzt, zerstört. Alternativ kann die OH-Gruppe am C2-Atom sich mit der Phosphatgruppe am C3-Atom verbinden [2], wobei die Phosphatgruppe dann das angehängte Nucleotid quasi "loslässt".

Insgesamt ist also die RNA deutlich instabiler als die DNA, was aber durch die Bildung von zweisträngigen Bereichen wieder etwas ausgeglichen wird. Außerdem kann die RNA durch ihre Einsträngigkeit besser gefaltet werden und sich beispielsweise in den Ribosomen mit Proteinen verbinden [1].

Uracil

Ein weiterer Unterschied: Die Pyrimidinbase Thymin ist in einem RNA-Molekül durch die Pyrimidinbase Uracil ersetzt.

Beschreibung
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Die Frage, warum die RNA Uracil statt Thymin enthält, beschäftigte schon viele Wissenschaftler jeglichen Geschlechts. Uracil bietet gegenüber Thymin überhaupt keine Vorteile. Man müsste die Frage eigentlich andersherum formulieren: Wieso enthält die DNA eigentlich Thymin statt Uracil. Nach den gängigen Vorstellungen existierte auf der Erde vor der DNA-Welt eine RNA-Welt. Die DNA wurde erst später "erfunden". Vielleicht hatten die ersten DNA-Moleküle noch Uracil als Baustein. Dummerweise kann aber Uracil leicht zu Cytosin umgewandelt werden:

Uracil kann leicht zu Cytosin umgewandelt werden
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Würde das in einer Uracil haltigen DNA passieren, wäre das echt schlimm. Das Uracil paar sich nämlich komplementär mit Thymin, das Cytosin aber mit Guanin. Wenn sich jetzt ein Uracil-Baustein in einen Cytosin-Baustein umwandelt, wird bei der nächsten DNA-Replikation nicht Adenin eingebaut, sondern Guanin, was natürlich zu einer Punktmutation führen würde, also zu einem Fehler bei der Replikation, der eventuell gravierende Folgen haben könnte. Daher nimmt man an, dass sich im Laufe der Evolution das Thymin als DNA-Baustein anstelle des Uracils durchgesetzt hat, weil Thymin nicht so leicht in eine andere Base umgewandelt werden kann [3].

RNA-Typen

Die folgende Tabelle zeigt die drei wichtigsten RNA-Typen der Zelle:

RNA-Art

Nucleotide

Anteil

Funktion

transfer-RNA bzw. tRNA

80-90

ca. 15%

Übertragung von Aminosäuren zu den Ribosomen

Proteincodierend!

messenger-RNA bzw. mRNA

100 - 10000

ca. 5%

Die Boten-RNA überbringt den Ribosomen eine Abschrift eines Gens

ribosomale RNA bzw. rRNA

120 - 3500

ca. 80%

Struktur- und Funktionselemente der Ribosomen

Alle RNA-Arten kommen zusammen 5 bis 10 mal häufiger vor als DNA und machen somit den Großteil der Nucleinsäuren in allen Zellen aus. Die ribosomale RNA stellt dabei mit 80% der RNA den größten Anteil. Sie ist hauptverantwortlich für den Aufbau der Ribosomen. Die messenger-RNA haben wir soeben kennengelernt, sie spielt bei der Transkription eine wichtige Rolle als "Bote". Die transfer-RNA schließlich spielt eine wichtige Rolle bei der Translation als "Zugpferd" für die Aminosäuren, die zu den Ribosomen transportiert und in das entstehende Protein eingebaut werden müssen. Auf die verschiedenen RNA-Sorten gehe ich auf den entsprechenden Seiten näher ein.

Lediglich die mRNA gehört zu den proteincodierenden RNAs, alle anderen RNA-Typen werden als nicht-proteincodierend bezeichnet.

Weitere RNA-Typen

Neben diesen oben genannten Haupt-RNA-Typen gibt es viele weitere nicht-proteincodierende RNA-Typen, die in den letzten Jahrzehnten entdeckt worden sind. Hier einige Beispiele, ich habe die Begriffe mit Links zu den entsprechenden Wikipedia-Artikeln unterlegt. Die Beschreibung der Funktionen stammt aus dem Knippers [4] und teils aus den Wikipedia-Artikeln [5].

lncRNA (long non-coding RNA), eine recht lange RNA mit verschiedenen Funktionen bei der Genregulation

snRNA (short nuclear RNA), Bestandteil der Spleißosomen. Ca, 100 bis 300 Basen lang.

microRNA, kurze RNAs, die eine Rolle beim Gen-Silencing spielen, also beim Stilllegen von Genen, indem sie sich komplementär an das gebildete mRNA-Molekül legen (RNA-Interferenz).

snoRNA (small nucleolar RNA), ca. 50 bis 300 Basen lange RNA-Moleküle, die als guide-RNAs arbeiten, also Proteine an die richtigen Stellen der RNA leiten.

7SL-RNA, diese ca. 300 Basen lange RNA ist Bestandteil eines RNA-Protein-Komplexes, der fertig translatierte Proteine durch die Membran des endoplasmatischen Reticulums leitet.

endo-siRNA (endogenous-small-interfering RNA) dienen zur Repression von mobilen genetischen Elementen (Einzelheiten siehe den frei zugänglichen Nature-Artikel "Endo-siRNAs truly endogenous").

pi-RNA (piwi-interacting RNA), mit nur 21 bis 27 Basen sehr kurze RNA, die bei der Organisation des Chromatins und bei der Repression von mobilen genetischen Elementen eine Rolle spielt.

RNA-Impfstoffe
RNA-Impfstoffe

Dazu gibt es einen eigenen kurzen Lexikon-Artikel, auf dem das Wesentliche erläutert wird. Ansonsten ist der Wikipedia-Artikel "RNA-Impfstoff" sehr gut, allerdings auch recht anspruchsvoll.

Quellen:

  1. Jochen Graw: Genetik, 7. Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2021.
  2. Wikipedia, Artikel "Ribonukleinsäure"
  3. "Uracil in DNA: Fehler oder Zeichen?" auf Science in School.
  4. Alfred Nordheim, Rolf Knippers: Molekulare Genetik, 11. Auflage, Thieme-Verlag Stuttgart 2018.
  5. Wikipedia, verschiedene Artikel zu den RNA-Typen.