Helmichs Biologie-Lexikon

RNA-Impfstoffe

Bereits 1978 hatten Forscher mRNA in Liposomen verpackt und durch die Zellmembran in tierische Zellen eingeschleust. Anschließend konnte die Synthese von Proteinen beobachtet werden (Translation). Man konnte damals aber noch keine künstliche mRNA herstellen, das gelang erst 1984.

1988 verpackte der amerikanische Doktorand der Molekularbiologie Robert Malone mRNA in Liposomen. Diese wurden von menschlichen Zellen aufgenommen, auch hier fand anschließend eine Proteinsynthese statt. Malone war damals sehr vorausblickend, er meinte, diese mRNA/Liposomen-Komplexe könnte man gut für medizinische Zwecke verwenden, um zum Beispiel Medikamente oder Impfstoffe zu den Zielzellen zu transportieren.

Viele Jahre später und durch die Arbeit vieler Labore auf der ganzen Welt führten diese Forschungen dann zur Entwicklung der heutigen mRNA-Impfstoffe.

Ganz so einfach, wie Malone es sich vorgestellt hatte, funktioniert das Verfahren allerdings nicht. Die mRNA ist sehr instabil und wird leicht vom menschlichen Immunsystem abgebaut, und einfache Liposomen sind auch nicht das optimale Transportmittel.

1993 wurde zum ersten Mal ein "richtiger" mRNA-Impfstoff gegen Grippe an Mäusen getestet, 1995 dann ein Mittel gegen Krebs, ebenfalls an Mäusen. Aber richtig reif für den Einsatz in der Humanmedizin waren diese ersten Ansätze noch nicht.

Die Entwicklung eines mRNA-Medikaments oder -Impfstoffs ist sehr aufwändig und vor allem sehr teuer, teils müssen Firmen über 100 Millionen Dollar in die Entwicklung eines solchen Mittels investieren. Daher scheuten viele Firmen die hohen Kosten und steckten das Geld lieber in andere Projekte, die mehr Profit versprachen.

Für einen mRNA-Impfstoff müssen sowohl die mRNA wie auch die Liposomen chemisch verändert werden. Die mRNA wird leicht vom Immunsystem als "fremd" erkannt und abgebaut. Diesen Abbau kann man verhindern, indem man in der mRNA Uracil durch das chemisch leicht abgeänderte Pseudouracil ersetzt. Und die Liposomen bestehen nicht mehr aus einer Lipid-Sorte, sondern aus deren vier: einem "normalen" Phospholipid, Cholesterin (beide auch in natürlichen Zellmembranen enthalten), einen ionisierbaren Lipid und einem PEG-Lipid. Die ionisierbaren Lipid-Moleküle sind bei basischen pH-Werten positiv geladen und ziehen so die negativen Phosphatgruppen der mRNA an. Wenn das Lipid-Nanopartikel in die Zelle gelangt, ändert sich der pH-Wert, die Lipide verlieren ihre positive Ladung und können die mRNA in das Zellplasma freisetzen. Das PEG-Lipid ist ein komplexer aufgebautes Lipid auf Polyethylenglycol (PEG)-Basis.

Corona-Impfstoffe

Die mRNA, die mit den Lipid-Nanopartikeln in die Zellen transportiert werden, codieren für das Spike-Protein des Coronavirus. Allerdings ist die mRNA so modifiziert (verändert) worden, dass das Spike-Proteine genau die Konformation annehmen kann, die der Konformation des Viren-Proteins gleicht, wenn es mit der menschlichen Zelle verschmilzt.

Die Firma Moderna, die einen der bekannteren RNA-Impfstoffe produziert, hat sich übrigens nach dieser modifizierten RNA benannt.

Der mRNA-Impfstoff wird in den Muskel des Oberarms gespritzt. Von dort verteilt er sich in die Körperzellen, die ihn aufnehmen. Die mRNA wird freigesetzt und translatiert, es entstehen Moleküle des Spike-Proteins. Die Zellen transportieren diese Spike-Proteine dann an ihre Zelloberfläche, wo sie dann von bestimmten Zellen des Immunsystems erkannt werden. Dieser Prozess aktiviert das Immunsystem, und es werden Antikörper gegen das Spike-Protein produziert, außerdem wird der Bauplan des Spike-Proteins im Immungedächtnis konserviert, so dass auch später immer wieder neue Antikörper produziert werden können.

Quellen:

  1. Elie Dolgin: "Die verschlungenen Wege zum RNA-Impfstoff" in Spektrum der Wissenschaft 03/2022.
  2. Wikipedia: "RNA-Impfstoff"