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Histologie der Sprossachse

Dieser Seite liegt ein selbst erstelltes Vorlesungsskript der Allgemeinen Botanik-Vorlesung von 1978/79 zu Grunde, die ich im Laufe meines Biologie-Studiums an der Universität Münster besucht habe. Ich bin noch nicht dazu gekommen, den Text zu aktualisieren. Die Zeichnungen habe ich teilweise überarbeitet und neu beschriftet. Aber so viel dürfte sich ja bei der Anatomie der Pflanzen nicht geändert haben.

Von der Knospe zur Differenzierungszone

Die Sprossachse, der Träger der Blätter, lässt sich in verschiedene Zonen einteilen, die durch ihre unterschiedliche Histologie gekennzeichnet sind.

Knospe bzw. Vegetationskegel einer zweikeimblättrigen Pflanze
Autor: Ulrich Helmich 1978/2022, Lizenz: siehe Seitenende

Der obere Teil der Sprossachse heißt Knospe. Hier besteht der Spross aus embryonalem Bildungsgewebe, das von umliegenden Blättern geschützt wird. Im Querschnitt durch diese Embryonalzone sieht man nur meristematisches Bildungsgewebe. Eine Epidermis ist in dieser ca. 0,02 mm langen Zone noch nicht vorhanden, ebenso wenig eine aus parenchymatischen Dauerzellen bestehende Rinde.

Querschnitte durch Knospe, Determinationszone und Differenzierungszone
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

In der ca. 0,02 mm langen Determinationszone geht aus dem Meristem nach außen eine Rinde und nach innen ein Mark hervor, beides parenchymatische Dauergewebe. Eine Epidermis ist noch nicht vorhanden. Das Meristem erscheint im Querschnitt bereits ringförmig.

Auf die Determinationszone folgt die ca. 25 mm lange Differenzierungszone. In ihr sind bereits verschiedene Abschnitte erkennbar. Die Epidermis tritt als neues Gewebe auf.

Im nächsten Abschnitt durchbricht der Meristemring, es entsteht das Prokambium:

Bildung der Prokambiums
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Aus diesen Prokambiumsträngen entstehen neue Dauergewebe: Nach innen Tracheen und Tracheiden, also Xylem-Elemente, und nach außen Siebzellen und Siebröhren, also Phloem-Elemente (siehe Leitgewebe).

Bildung von Xylem und Phloem
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Phloem- und Xylemzellen entstehen aus Kambiumzellen nach einem ganz bestimmten Schema:

Bildungsschema für Xylem und Phloem-Elemente
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

An dieser Stelle ist die Differenzierungszone zu Ende. Nun setzt das sekundäre Dickenwachstum ein.

Sekundäres Dickenwachstum

Zwischen den einzelnen Leitbündeln liegen die Markstrahlen. Diese bestehen aus Grundgewebe. Ein Teil dieser parenchymatischen Zellen kann nun seine Teilungsfähigkeit wiedererlangen. Und zwar diejenigen Zellen, die mit den Kambium der benachbarten Leitbündel eine Linie bilden (in der nächsten Abbildung hellgrün gekennzeichnet):

Bildung neuer teilungsfähiger Zellen
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Die Teilung dieser Markstrahlzellen erfolgt in zwei Schritten, so wie oben rechts in der Abbildung angedeutet. Die mittlere, kleine Tochterzelle ist zu einer interfaszikulären Kambiumzelle geworden. Sie ist teilungsfähig und erzeugt nun, genau wie das faszikuläre Kambium der Leitbündel, nach außen Phloem- und nach innen Xylemelemente.

Bildung sekundärer Phloem- und Xylemelemente
Autor: Ulrich Helmich 1978/2022, Lizenz: siehe Seitenende

Der Phloemteil holziger Pflanzen wird häufig auch als Bast bezeichnet, der Xylemteil als Holz.

Bast

Der Bast setzt sich aus Siebzellen und Siebparenchym zusammen (siehe Leitgewebe), in der Regel sind Sklerenchymfasern eingelagert (siehe Festigungsgewebe)

Zusammensetzung des Bastes
Autor: Ulrich Helmich 1978/2022, Lizenz: siehe Seitenende

Die Sklerenchym-Komponente des Bastes wird auch als Hart-Bast bezeichnet, die Phloem-Komponente dagegen als Weich-Bast. Oft befinden sich die Sklerenchymfasern als Ring außerhalb des Phloem-Zylinders.

Holz

Der Holzteil besteht in der Regel aus drei verschiedenen Elementen: Den Leitungsgefäßen (Tracheiden bei Gymnospermen, Tracheen bei Angiospermen), dem Holzparenchym (senkrecht und radial verlaufend) und den Festigungselementen (Sklerenchymfasern, häufig als Holzfasern bezeichnet).

Gymnospermenholz

Bei den Gymnospermen bestehen die Wasserleitungsbahnen aus miteinander verbundenen Tracheiden, die eine Länge bis zu 8 m erreichen können. Die Tracheiden haben eine ähnliche Gestalt wie die Kambiumzellen und können nur in radialer Richtung wachsen.

Zwischen den Tracheiden verlaufen in radialer Richtung langgestreckte parenchymatische Zellen, die Markstrahlen oder Holzstrahlen. Sie dienen in erster Linie zur Verbindung des Holz- und Siebteils, damit die im Siebteil abwärts geleiteten organischen Assimilate durch den Holzteil in die Wurzeln oder in reifende Früchte und Samen geleitet werden.

Diese Holzstrahlen der Gymnospermen können entweder aus nur einer Zellreihe bestehen, aber auch aus mehreren zusammengesetzt sein. In diesem Fall können die jeweils obere bzw. untere Zellreihe abgestorben und tracheidal sein. Diese Holzstrahltracheiden erleichtern den Wassertransport in radialer Richtung.

Holzteil eines Gymnospermen-Stamms
Autor: Ulrich Helmich 1978/2022, Lizenz: siehe Seitenende

Sklerenchymfasern kommen beim Gymnospermenholz nicht vor, ihre Funktion erfüllen die Tracheiden.

Als weitere, zusätzliche Elemente wären die schizogenen Harzkanäle zu erwähnen.

Schizogene Harzkanäle im Holzteil
Autor: Ulrich Helmich 1978, Lizenz: siehe Seitenende

Die parenchymatischen Harzkanalzellen sind mit den ebenfalls parenchymatischen Holzstrahlzellen verbunden.

Holz der Angiospermen

Bei den Angiospermen ist das Holz anders aufgebaut. Die Tracheiden fehlen entweder ganz und sind zu Sklerenchymfasern umgewandelt, oder sie kommen als Speicherzellen neben den großen Tracheen vor.

Das Holzparenchym verläuft längs und radial. Die längs verlaufenden Zellen umgeben die Tracheen und dienen zur Einschleusung von Reserve-Polysacchariden und Ionen in die xylematischen Leitungsbahnen. Mit dem Markstrahlparenchym sind sie netzartig verbunden.

Die Holz- oder Markstrahlen der Angiospermen sind stets parenchymatisch. Abgestorbene tracheidale Zellen wie bei den Gymnospermen kommen nicht vor.

In älteren Schichten des Holzteils können die longitudinal verlaufenden Parenchymzellen in die Tracheen hineinwachsen und diese unter Freisetzung chemischer Stoffe verstopfen. Dieses Phänomen nennt man Thyllenbildung. Das so veränderte Holz ist durch Einwirkung freigesetzter Gerbstoffe und Farbstoffe oft dunkel gefärbt. Man nennt es dann Kernholz.

Thyllenbildung im Holz
Autor: Ulrich Helmich 1978/2022, Lizenz: siehe Seitenende

Bei der Verkernung des Holzes sterben die lebenden Parenchymzellen ab.

Durch das sekundäre Dickenwachstum werden die Dauergewebe, die außerhalb des Kambiums liegen, zerrissen, da sie dem Wachstum nicht zu folgen vermögen. In die entstandenen Lücken schieben sich die Markstrahlen hinein, deren Zellen die Teilungsfähigkeit wiedererlangen und die Lücken so auffüllen (Markstrahl-Dilatation).

Sekundäres Dickenwachstum
Autor: Ulrich Helmich 1978/2022, Lizenz: siehe Seitenende

Auch die Epidermis vermag dem sekundären Dickenwachstum nicht zu folgen und reißt auf. Aus den unter der Epidermis liegenden Zellen bildet sich durch inäquale Teilungen eine sekundäre Meristemschicht, das Phellogen:

Bildung des Phellogens
Autor: Ulrich Helmich 1978/2022, Lizenz: siehe Seitenende

Ähnlich wie das interfaszikuläre Kambium sondert auch das Phellogen neue Zellen nach innen und vor allem nach außen ab: Das Phelloderm, auch Kork genannt. Der Kork ist das eigentliche sekundäre Abschlussgewebe.

Die Korkzellen sind lückenlos aneinander geschlossen, Interzellularen sind nicht vorhanden. Deshalb muss ein neuer Mechanismus zum Gasaustausch mit der Luft angewendet werden. An einigen Stellen ist die Korkschicht durch Lenticellen unterbrochen. Das sind Zellverbände, die sich durch besonders viele Interzellularen auszeichnen.

Bildung des Phelloderms
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Kork, Phelloderm und Phellogen werden als Periderm zusammengefasst. Somit liegt für den Sprossquerschnitt im Stadium des sekundären Dickenwachstums folgendes Bild vor:

Sprossquerschnitt im Stadium des sekundären Dickenwachstums
Autor: Ulrich Helmich 1978/2022, Lizenz: siehe Seitenende

Und das war's erstmal mit diesem Thema. Wenn ich mal wieder viel Zeit habe, werde ich diese Seite überarbeiten und dabei die aktuelle Fachliteratur auswerten.