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Grundgewebe

Zum Begriff "Grundgewebe"

Einige Bücher der Allgemeinen Biologie wie zum Beispiel der Campbell [4] oder der Purves [5] teilen die Grundgewebe der Pflanzen in drei Typen ein, nämlich Parenchym, Kollenchym und Sklerenchym. Einige Internetseiten schließen sich dieser einfachen Gliederung an. Fachbücher der Botanik wie der Nultsch [2,3] oder der Strasburger [1] dagegen - und übrigens auch die Wikipedia - unterteilen die Grundgewebe in drei andere Haupttypen, nämlich in Assimilationsgewebe, Speichergewebe und Durchlüftungsgewebe. Kollenchym und Skerenchym werden anderen Gewebetypen zugeordnet. Sowohl der Nutsch wie auch der Strasburger ordnen Kollenchym und Skerenchym dem Festigungsgewebe zu und nicht dem Grundgewebe. Ich werde mich auf dieser Seite der Einordnung der Fachbücher anschließen.

Grundgewebe

Parenchyme oder Grundgewebe bestehen ausschließlich aus ausgewachsenen, lebenden, jedoch nicht allzu stark differenzierten Zellen. Parenchyme machen die Hauptmasse krautiger Pflanzen aus, sie bestehen vorwiegend aus isodiametrischen Zellen [1] (siehe Abb. 1), es kommen aber auch andere Zelltypen vor (siehe zum Beispiel Palisadenparenchym im Assimilationsgewebe).

Eine isodiametrische (links) und eine prosenchymatische (rechts) Zelle (Zellorganelle nicht mit eingezeichnet)
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Die Zellen des Grundgewebes sind relativ reich an Plastiden, ihre Zellwände sind verhältnismäßig dünn und ihr Turgor ist so hoch, dass die Zellen gleichzeitig eine Stützfunktion ausüben können.

1. Chlorenchym / Assimilationsgewebe

Die Chlorenchyme oder Assimilationsgewebe der grünen Pflanzen sind chloroplastenreiche, photosynthetisch aktive Grundgewebe und finden sich besonders häufig in den Blättern.

Assimilationsparenchym in einem Laubblatt, Aufnahme eingefärbt mit Photoshop.
Photo: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Bei den höheren Pflanzen, besonders bei den Angiospermen, kommen in den Blättern häufig zwei Typen von Assimilationsgeweben vor: Das Palisadenparenchym und das Schwammparenchym. Beide Gewebe werden zusammen auch als Mesophyll bezeichnet.

Die Zellen des Assimilationsgewebes haben relativ dünne Zellwände, das erleichtert den Gasaustausch, was ja für die Photosynthese wichtig ist.

Ligustrum vulgare, Blattquerschnitt
Autor: Ulrich Helmich 1979/2021, Lizenz: siehe Seitenende

Palisadenparenchym

Das Palisadenparenchym besteht aus langgestreckten, zylindrischen und an chloroplastenreichen Zellen, die wie die Latten einer Palisade dicht an dicht stehen und keinen Platz für interzellularen lassen.

Allerdings darf man sich nicht von dem Eindruck täuschen lassen, wie er zum Beispiel in der Abbildung 2 vermittelt wird. Es gibt ja nicht nur eine Reihe von Palisadenzellen, sondern in dem Blatt befinden sich viele solcher Reihen hintereinander, die die gesamte Fläche unter der Blattepidermis bedecken. Insofern hinkt der Vergleich mit einer echten Palisade etwas, die meistens ja nur aus einer Reihe von Brettern oder Pfählen besteht.

In der Abbildung 2 ist das Palisadenparenchym einschichtig, besteht also aus nur einer Lage von Zellen. Pflanzen, die besonderes sonnenreichen Standorten ausgesetzt sind, haben aber oft ein mehrschichtiges Palisadenparenchym.

Links ein Sonnenblatt, rechts ein Schattenblatt
Autor: Ulrich Helmich 2017, Lizenz: siehe Seitenende

An solchen Standorten ist die Lichtintensität so groß, dass das Licht auch zwei oder drei Lagen von Palisadenzellen durchdringen kann und trotzdem noch das Schwammparenchym erreicht. An weniger gut belichteten Standorten (Schattenpflanzen oder Schattenblätter von Pflanzen) darf das Palisadenparenchym dagegen nur einzeilig sein, weil sonst das Schwammparenchym kein Licht mehr abbekommen würde.

Schwammparenchym

Die Zellen des Schwammparenchyms haben einer eher unregelmäßig geformten Zellen, zwischen denen sich große interzellularen (Zellzwischenräume) befinden. Dies erleichtert die CO2-Aufnahme bzw. O2-Abgabe, was ja für die Photosynthese wichtig ist. Das Schwammparenchym ist gleichzeitig ein Durchlüftungsgewebe. Die Zahl der Chloroplasten ist deutlich geringer als in den Zellen des Palisadenparenchyms.

Ligustrum vulgare, Schwammparenchym
Autor: Ulrich Helmich 1979/2021, Lizenz: siehe Seitenende

Auch die Wasser-Abgabe wird durch die großen interzellularen erleichtert. Die Verdunstung von Wasser ist wichtig für die Wasserversorgung der Pflanze, durch den in den Blättern entstehenden Wassersog (durch die Verdunstung) wird ja ständig neues Wasser aus den Wurzeln durch den Stängel nach oben gepumpt.

Die unregelmäßige Form der Zellen und die vielen interzellularen vergrößern die Oberfläche des Schwammparenchyms enorm. Botanik-online [7] nennt hier als Beispiel den Trompetenbaum, dessen Blätter eine Oberfläche von 390 m2 haben, die Oberfläche der Schwammzellen umfasst jedoch 5.100 m2.

2. Speicherparenchym

Speichergewebe dienen - wie der Name schon andeutet - zum Speichern organischer Reservestoffe, das sind vor allem Stärke, Proteine und Fette. Speichergewebe kommen oft in Samen vor und in typischen Speicherorganen wie Knollen, Zwiebeln, Rüben und so weiter.

Kohlenhydrate

Monosaccharide (Fructose und Glucose) und Disaccharide (Maltose und Saccharose) sind gut wasserlöslich und können daher leicht im Cytoplasma gespeichert werden. Fructose und Glucose finden sich oft in den Zellen der Früchte, Maltose und Saccharose kommen in großer Menge im Zuckerrohr und in der Zuckerrübe vor [3]. Allerdings hat die gute Wasserlöslichkeit der Mono- und Disaccharide auch zwei gravierende Nachteile:

  1. Sie können leicht "ausgewaschen" werden. Für eine längerfristige Speicherung eignen sich die gut wasserlöslichen Stoffe nicht.
  2. Sie erhöhen den osmotischen Wert der Zellen erheblich, was nicht immer ungefährlich ist.

Das häufigste Speicherprodukt der höheren Pflanzen ist daher die nahezu wasserunlösliche Stärke. Wegen ihrer Wasserunlöslichkeit hat Stärke auch keine Auswirkungen auf den osmotischen Wert der Zellen.

Stärke ist ein Polymer aus α-Glucose-Molekülen. Um Unterschied zur Cellulose kommen hier nur α-glycosidische Bindungen vor, und zwar α-1,4- und α-1,6-Bindungen, während die Cellulose durch β-1,4-Bindungen zusammengehalten wird. Im Gegensatz zur Cellulose ist die Stärke teilweise stark verzweigt.

Bildung der exentrischen Stärkeringe bei den Amyloplasten einer Kartoffel
Autor: Ulrich Helmich 1978/2021, Lizenz: siehe Seitenende

Die Amyloplasten haben von Art zu Art stark variierende Formen, oft sind sie sogar ein wichtiges Erkennungsmerkmal für die Bestimmung von Pflanzen:

Stärkekörner verschiedener Pflanzen
Autor: Ulrich Helmich 1978/2021, Lizenz: siehe Seitenende

Amyloplasten sind eine Plastiden-Art, die kein Chlorophyll enthält, daher gehören sie zu den Leukoplasten. Sie finden sich in den Speicherorganen der Pflanze, in Samen und Früchten oder in unterirdischen Reserveorganen wie Wurzeln, Knollen, Rüben, Rhizomen und so weiter [6]. Getreidekörner enthalten ca. 70% (Gewichtsprozent) Stärke [3]. Leukoplasten und damit auch die Amyloplasten entstehen während der Zellreifung aus Proplastiden.

Man beachte, dass "Stärke" aus zwei Komponenten aufgebaut ist:

  1. Amylose, ein geradkettiges, helixartig gedrehtes Molekül mit alpha-1,4-glycosidischen Bindungen
  2. Amylopektin, ein verzweigtes Molekül mit alpha-1,4- und alpha-1,6-glycosidischen Bindungen. Letztere sind für die Verzweigungen verantwortlich.
Proteine

Doch nicht nur Stärke kann von den Pflanzen gespeichert werden. Auch Proteine werden als Reservestoffe in besonderen Zellen bereitgehalten. Proteine werden entweder in Form von Kristallen im Cytoplasma oder als Aleuronkörner in Vakuolen gespeichert. Besonders in der Aleuronschicht der Getreidekörner sind viele gespeicherte Proteine enthalten.

Fette

Eine dritte Klasse von Stoffen, nämlich Fette, wird in Form von Fetttröpfchen im Cytoplasma parenchymatischer Zellen gespeichert. Eine besondere Rolle spielen die Fette bei den ölreichen Samen mancher Pflanzen: Lein, Raps, Ricinus, Sonnenblume, Erdnuss, Kokusnuss, Olive und so weiter.

Wasser

Noch zu erwähnen wären schließlich die Wasserspeichergewebe. Sie bestehen aus Zellen mit besonders großen, wasserreichen Zentralsaftvakuolen, die im Extremfall Durchmesser bis zu 0,5 mm haben können [1]. Oft besitzen die Zellwände dieser Zellen besondere Versteifungen, damit bei Wassermangel keine Kollabierung der Wasserspeicherzellen eintritt. Hydrenchyme kommen vor allem bei sukkulenten Pflanzen trockener Standorte vor, zum Beispiel Kakteen oder manche Wolfsmilchgewächse.

Links: Versteifungen der Zellwand, rechts: zieharmonikaartige Zellen
Autor: Ulrich Helmich 1978/2021, Lizenz: siehe Seitenende

Bei manchen Wasserspeichergeweben ist aber genau der entgegengesetzte Weg beschritten worden: SIe ziehen sich bei Wassermangel zusammen. Die Zellwände dieser Zellen sind zieharmonikaartig konstruiert. Dadurch kann die Pflanze bei Wassermangel oder bei Wasseraufnahme sogar besondere Bewegungen durchführen.

3. Aerenchym / Durchlüftungsgewebe

Ein Aerenchym oder Durchlüftungsgewebe wurde bereits schon erwähnt: Das Schwammparenchym der Angiospermen-Blätter. Dieses Gewebe ist gleichzeitig ein Assimilationsgewebe, wie überhaupt jedes Gewebe mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen kann. Aerenchyme sind Gewebe mit sehr großen und miteinander verbundenen Interzellularen, die bis zu 70% des Volumens des jeweiligen Organs ausmachen können [1].

Ein spezielles Durchlüftungsgewebe ist das Sternparenchym mancher Wasserpflanzen:

Sternparenchym (idealisierte Darstellung)
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Vor allem für Sumpf- und Wasserpflanzen ist ein Aerenchym überlebenswichtig. Nur wenige Blätter der Pflanze ragen aus dem Wasser oder schwimmen auf dem Wasser können Luft aufnehmen. Das Aerenchym leitet die Luft dann in die ganze Pflanze.

Plastizität der Parenchyme

Parenchyme bestehen zwar aus differenzierten Zellen, die aber trotzdem nicht allzu spezialisiert sind. Deswegen sind diese Gewebe aber keineswegs "langweilig". Im Gegenteil, diese wenig spezialisierten Zellen zeichnen sich durch eine hohe Plastizität aus, das heißt, sie können bei Bedarf neue Aufgaben übernehmen. Pflanzen sind ja bekanntlich sesshaft, können also nicht ihren Ort verlassen, wenn die Umweltbedingungen für sie unbequem werden. Sie können sich aber gut an veränderte Umweltbedingungen anpassen, indem sie ihre Organe verändern oder sogar neue Organe bilden. Parenchymatische Zellen können beispielsweise bei Bedarf zu neuem Leitgewebe werden und dadurch neue Blätter an die Sprossachse anbinden [1].

Quellen und allgemeine Literatur zur Botanik:

  1. Kadereit , Körner, Nick, Sonnewald: Strasburger - Lehrbuch der Pflanzenwissenschaften, 38. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2021.
  2. Wilhelm Nultsch: Allgemeine Botanik, 7. Auflage, Stuttgart 1982
  3. Wilhelm Nultsch: Allgemeine Botanik, 11. Auflage, Stuttgart 2001
  4. Urry, Cain, Wassermann, Minorsky, Reece. Campbell Biologie, Hallbergmoos 2019, 11.Auflage.
  5. Savada, Hillis, Heller, Hacker: Purves Biologie, Springer Verlag Deutschland 2019, 10. Auflage. Herausgegeben von Jürgen Markl.
  6. Wikipedia, Artikel "Amyloplast".
  7. Botanik-Online, Artikel "Assimilationsgewebe / Mesophyll"