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Vitamin A

Vitamin A - D - E - K

Retinol, Carotin

Diese beiden Begriffe kennen Sie vielleicht schon aus dem Chemie- oder Biologie-Unterricht. Retinol spielt eine wichtige Rolle beim Sehprozess in den Zapfen und Stäbchen der Netzhaut, und Carotine sind die orangeroten Farbstoffe vieler Pflanzen, vor allem der Karotte, die den Farbstoffen ihren Namen gegeben hat. Vielen Leuten, und bestimmt auch Ihnen, ist bekannt, dass der Verzehr von Karotten (Möhren, Mohrrüben) gut für das Auge ist.

Der Retinol/Retinal-Zyklus

Auf dieser Seite der Biologie-Abteilung wird der photochemische Prozesse ausführlich erläutert, der beim Sehvorgang in der Netzhaut des Auges abläuft.

Struktur von Vitamin A

"Vitamin A" ist keine chemische Verbindung im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr eine Gruppe verwandter und ähnlich aufgebauter Verbindungen, die vergleichbare Wirkungen im Körper haben.

Betrachten wir dazu einmal ein Bild aus dem Biologie-Unterricht. Bereits in der Einleitung wurde schon angedeutet, dass Vitamin A für den Sehprozesse wichtig ist.

Der Retinal/Retinol-Zyklus
Autor: Ulrich Helmich 2015, Lizenz: siehe Seitenende

Hier sehen wir den sogenannten Retinal/Retinol-Zyklus. Wenn Licht auf unsere Sehzellen (Stäbchen, Zapfen) fällt, wird eine Verbindung namens 11-cis-Retinal in die Verbindung all-trans-Retinal umgewandelt. Der "Knick" im 11-cis-Retinal wird dabei aufgebrochen, und dieses "Aufbrechen" ist die entscheidende Information, das "etwas gesehen" wurde. Über verschiedene Proteine wird diese Informationen dann zu weiteren Zellen der Netzhaut und schließlich über den Sehnerv zum Gehirn weitergeleitet.

Das ist jetzt alles sehr einfach ausgedrückt. Wer mehr wissen will, sollte auf die entsprechenden Seiten in der Biologie-Abteilung gehen.

Über zwei Zwischenstufen (all-trans-Retinol und 11-cis-Retinol) wird dann das lichtempfindliche 11-cis-Retinal wieder regeneriert - und fertig ist der Retinal/Retinol-Zyklus - es kann erneut ein Lichtsignal eingefangen werden.

Was haben nun diese Verbindungen mit Vitamin A zu tun, fragen Sie sich jetzt bestimmt? Schauen wir uns dazu ein Bild aus dem Wikipedia-Artikel zu Vitamin A an.

Beschreibung siehe folgenden Text

Die verschiedenen Vitamin-A-Verbindungen
Cvf-ps, Public domain, via Wikimedia Commons

Wir sollten die Betrachtung dieses Bildes nicht mit dem Vitamin-A-Ester beginnen, sondern mit dem Retinol, also der zweiten Strukturformel von oben.

Aus dem Chemie-Unterricht der Sek. I kennen Sie bestimmt die Alkohole (Methanol, Ethanol und so weiter). Alkohole zeichnen sich durch den Besitz einer OH-Gruppe aus. Das Retinol gehört ebenfalls zu den Alkoholen (was man ja auch schon an der Endsilbe "ol" erkennen kann).

Ebenfalls aus dem Chemie-Unterricht ist Ihnen bekannt, dass man Alkohole leicht oxidieren kann. Aus primären Alkoholen (OH-Gruppe am ersten oder letzten C-Atom) entstehen so Aldehyde, und durch weitere Oxidation kann man aus Aldehyden Carbonsäuren erhalten. Oxidiert man beispielsweise Ethanol, so erhält man erst Ethanal als Aldehyd und dann Essigsäure als Carbonsäure.

Auch Retinol kann zu einem Aldehyd oxidiert werden und wird dann als Retinal bezeichnet ("al" ist die Endsilbe für Aldehyde).

In der Biologie ist eine Oxidation stets mit dem Entzug von Wasserstoff-Atomen verbunden, und die Coenzyme NAD+, NADP+ oder FAD können diese H-Atome aufnehmen. In unserem Fall nimmt NAD+zwei H-Atome des Retinols auf und wird dann zu NADH/H+.

NAD+ wird übrigens aus dem Vitamin B3 gebildet, dem Niacin, das ebenfalls in dieser Abteilung der Homepage besprochen wird.

Ähnlich wie Ethanal zu Essigsäure oxidiert werden kann, kann auch Retinal zu Retinsäure (Vitamin-A-Säure) oxidiert werden. Damit wären wir bei der untersten der vier Strukturformeln. Kommen wir nun zur obersten.

Ähnlich wie Ethanol mit einer Carbonsäure zu einem Ester reagieren kann, kann auch der Alkohol Retinol mit einer Carbonsäure zu einem solchen Ester reagieren. Dabei entsteht dann Retinol-Ester. Bei der Carbonsäure handelt es sich meistens um eine längerkettige Fettsäure wie Stearinsäure oder Palmitinsäure.

Carotinoide

Bestimmte Carotinoide werden als Provitamin A bezeichnet, weil sie leicht in Vitamin A umgewandelt werden können.

Beschreibung siehe folgenden Text

β-Carotin wird in zwei all-trans-Retinal-Moleküle gespalten
Autor: Ulrich Helmich 10/2023, Lizenz: siehe Seitenende

Auf diesem Bild sehen wir die Spaltung von β-Carotin in zwei all-trans-Retinal-Moleküle. Dafür wird Sauerstoff O2 benötigt und natürlich ein Enzym, das diesen Vorgang beschleunigt, nämlich die β-Carotin-15,15'-Dioxygenase.

Der Name dieses Enzyms leitet sich aus dem Substrat β-Carotin her, der Position, an der die Spaltung durchgeführt wird (Position 15) und der Tatsache, dass beide O-Atome eines O2-Moleküls benötigt werden (Di-Oxygenase).

Da β-Carotin symmetrisch aufgebaut ist, liefert die Spaltung dieser Verbindung zwei gleiche Moleküle all-trans-Retinal. Andere Carotinoide sind nicht unbedingt symmetrisch aufgebaut und liefern daher zwei verschiedene Produkte bei der Spaltung, von denen nur eines das Retinal ist.

Nach der Spaltung des β-Carotin wird das erhaltene all-trans-Retinal zu Retinol reduziert, und zwar von der Retinal-Reduktase (RalR1) [3]. Beide Enzyme kommen in verschiedenen Zellen des Körpers vor, vor allem aber in den Zellen der Dünndarm-Schleimhaut (Enterocyten).

Aufnahme in den Körper

In der tierischen Nahrung, die wir essen, liegt das Vitamin A hauptsächlich in der Ester-Form vor (siehe Abb. 2, obere Strukturformel). In pflanzlicher Nahrung kommt das Vitamin A hauptsächlich in Form von Carotinoiden vor, die auch als Provitamin A bezeichnet werden, weil sie ja noch erst in Retinal-Moleküle gespalten werden müssen (siehe Abb. 3). Das tierische Vitamin A kann gut resorbiert werden, zu 70 bis 90%, während das pflanzliche Provitamin A nur mit 5 bis 65 % resorbiert wird [3].

Im Lumen des Dünndarms werden die Retinolester hydrolytisch gespalten, durch Esterasen aus der Bauchspeicheldrüse. Zusätzlich werden die Ester durch eine Retinylesterase gespalten, die in der Bürstensaummembran der Epithelzellen sitzt [2].

Das so freigesetzte Retinol kann jetzt resorbiert werden. Zusammen mit den pflanzlichen Carotinoiden und bestimmten Nahrungsfetten wird das Retinol in Micellen eingebaut, das sind winzige Fetttröpfchen, bei denen die hydrophoben Enden der Lipide nach innen gerichtet sind, während die hydrophilen Enden nach außen weisen.

Eine Micelle
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0

Die obige Abbildung zeigt eine Micelle, die aus vielen Phospholipiden gebildet ist - man muss sich das Ganze natürlich räumlich vorstellen und nicht flach. Die Micellen, die bei der Verdauung von Vitamin A entstehen, sind aber komplexer aufgebaut, weil sie sich aus verschiedenen Molekülen zusammensetzen - Retinol, Carotinoiden und Fettsäuren. Man spricht hier auch von gemischten Micellen [2].

Diese gemischten Micellen werden dann von den Zellen der Schleimhaut des oberen Dünndarms aufgenommen. In diesen Zellen, den Enterocyten, findet die oben beschriebene Hydrolyse der Carotinoide statt, wobei Retinal und andere Produkte entstehen. Das Retinal wird dann zu Retinol reduziert.

Nun passiert wieder mal etwas Interessantes: Die Retinol-Moleküle werden wieder verestert, hauptsächlich mit Palmitinsäure. Diese Retinolpalmitat-Moleküle werden dann in sogenannte Chylomikronen eingebaut. Das sind kleine Partikel im Zellplasma, die ähnlich aufgebaut sind wie Micellen, aber wesentlich komplexer organisiert sind.

Bau der Chylomikronen
OpenStax College, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Die Abbildung oben zeigt den ungefähren Aufbau dieser Chylomikronen.

Im Innern befinden sich hauptsächlich Triglyceride (Neutralfette), außen herum vor allem Phospholipide, und eingebettet in diese Lipidschicht finden sich Apolipoproteine.

Wo sich jetzt die Retinolester-Moleküle befinden, ging aus meinen Recherchen leider nicht hervor, aber vermutlich im Innern der Kugel, weil Ester ja in der Regel recht lipophil sind und sich daher in den Triglyceriden besser lösen können als in der äußeren Lipidschicht mit ihren hydrophilen Köpfchen.

Die Chylomikronen verlassen nun die Enterocyten über die basale Membran und gelangen so in die Lymphe. Ein kleiner Teil des Retinols wird aber auch in nicht-veresterter Form in das Blut abgegeben [2].

Als Nächstes gelangen die Chylomikronen mit den Retinolestern in die Leber. Dort findet wieder erst eine Hydrolyse statt, das so gebildete Retinol wird dann aber erneut verestert in in speziellen Zellen gespeichert, den Ito-Zellen.

Bei Bedarf werden die Retinolester wieder hydrolysiert, und das freigesetzte Retinol wird an ein Transportprotein gebunden, das retinolbindende Protein (RBP).

"Beim Menschen gibt es mindestens vier RBPs und zwei Proteine, die spezifisch für Retinsäure sind (CRABP). Mutationen im RBP4-Gen können zu RBP-Mangel mit den Symptomen einer Vitamin-A-Hypovitaminose führen." [5]

Die Retinol-RBP-Komplexe werden im Blut dann an ein weiteres Transportprotein gebunden, das als Transthyretin (TTR) bezeichnet wird. Dieses Transportprotein kann auch andere Verbindungen im Blut transportieren, zum Beispiel das Schilddrüsenhormon Thyroxin.

"Fehlgefaltetes Transthyretin kann sich in Form von Amyloiden im Gewebe anreichern und dadurch zu einer Amyloidose führen."[4]

An den Zielzellen angekommen, wird der Retinol-RBP-TTR-Komplex durch ein spezielles Transportprotein in der Zellmembran eingeschleust, nachdem der Komplex an einen spezifischen Rezeptor in der Membran angedockt hat.

Im Zellplasma der Zielzelle angekommen, wird das Retinol nun auf den jeweiligen Bedarf zugeschnitten. In den Photorezeptoren der Netzhaut wird das Retinol beispielsweise zu Retinal oxidiert [2]. In anderen Zellen entsteht Retinsäure, oder das Retinol wird wieder verestert und so gespeichert.

Vitamin A reiche Lebensmittel

Normalerweise wird der Vitamingehalt eines Lebensmittel in mg / 100 g oder µg / 100 g angegeben. Beim Vitamin A ist das etwas komplizierter, weil es verschiedene Verbindungen gibt, die eine Vitamin-A-Wirkung haben, wie Retinol, Retinal oder Carotinoide. Daher hat man die Einheit "Retinol-Äquivalent" (RÄ) erfunden, so dass man die verschiedenen Lebensmittel besser vergleichen kann.

1 RÄ = 1 mg Retinol oder 6 mg β-Carotin oder 12 mg andere Carotinoide [1].

Die folgende Liste aus [6] zeigt die zehn Lebensmittel mit dem höchsten Vitamin-A-Gehalt. Die hier verwendete physikalische Einheit ist µg RÄ / 100 g Lebensmittel:

  1. Schweineleber: 36.000
  2. Hühnerleber: 34.000
  3. Kalbsleber: 28.000
  4. Rinderleber: 18.000
  5. Leberwurst: 8.300
  6. Karotte: 1.500
  7. Eigelb: 886
  8. Grünkohl: 860
  9. Spinat: 795
  10. Butter: 653

Man ist hier also versucht, möglichst viel Leber oder zumindest Leberwurst zu essen. Dummerweise sagen solche Tabellen nicht viel darüber aus, wie gesund solche Lebensmittel generell sind. Leber enthält beispielsweise eine recht hohe Konzentration an Arachidonsäure, die dafür bekannt ist, dass sie Entzündungen fördert, wenn man zu viel davon zu sich nimmt. Schweineleber enthält beispielsweise 870 mg / 100 g Arachidonsäure, was ein sehr hoher Wert ist.

Bedarf an Vitamin A

Die DGE empfiehlt für Männer eine tägliche Zufuhr von 1 mg RÄ, für Frauen 0,8 mg RÄ. Das wären also 1 mg Retinol oder 6 mg β-Carotin am Tag für Männer, für Frauen entsprechend weniger. Schwangere sollten 1,1 mg und Stillende 1,5 mg RÄ am Tag zu sich nehmen [2].

Frage: Wie viel Gramm Karotten müsste man als Frau essen, um den Tagesbedarf an Vitamin A zu decken.

Antwort: 100 g Karotten enthalten 1,5 mg RÄ. 100 g * 0,8 / 1,5 = 53 g. Eine Karotte wiegt im Schnitt um die 50 g, also könnte eine Frau ihren Vitamin A Bedarf mit einer durchschnittlich großen Karotte decken.

Hypo- und Hypervitaminosen

Hypovitaminosen

Ein Mangel an Vitamin A kann ernsthafte Folgen nach sich ziehen. Das aus Vitamin A gebildete Retinal ist beispielsweise sehr wichtig für den Sehvorgang. Schon ein geringer Mangel an Vitamin A kann zu einer schlechteren Hell-Dunkel-Adaption des Auges führen, die - wenn nichts unternommen wird - zu einer regelrechten Nachtblindheit auswachsen kann.

Die Haut und die Schleimhäute (Atemwege, Verdauungstrakt, Urogenitalsystem) können trocken werden, die Haut kann sogar schuppig werden. Die Hornhaut des Auges kann austrocknen, die Zellen der Cornea können verhornen, was schließlich zu einer Erblindung führen kann. In Entwicklungsländern erblinden aufgrund eines Mangels an Vitamin A jährlich ca. 250.000 Kinder [2].

Auch auf das Wachstum der Knochen kann sich ein Mangel an Vitamin A auswirken, gerade bei wachsenden Kindern.

Weiter kann ein Vitamin-A-Mangel zu Schädigungen der Fortpflanzungsorgane führen, zu einer Atrophie (Gewebeschwund) in Hoden oder Eierstöcken.

Das Immunsystem ist ebenfalls abhängig von einer ausreichenden Vitamin-A-Zufuhr. Schon ein geringer Mangel an Vitamin A kann zu einer erhöhten Infektanfälligkeit führen [2].

Hypervitaminosen

Wenn man das alles liest, ist man stark versucht, sehr viel Vitamin-A-haltige Lebensmittel zu essen oder die Mahlzeiten durch Vitamin-A-Präparate zu ergänzen. Bevor man zu einer solchen Maßnahme greift, sollte man sich aber klar machen, dass Vitamin A kein wasserlösliches Vitamin ist, sondern ein fettlösliches. Wasserlösliche Vitamine werden ja einfach mit dem Urin ausgeschieden, wenn man zu viel davon zu sich genommen hat. Bei fettlöslichen Vitaminen sieht das aber anders aus.

Bei einer leichten Vitamin-A-Hypervitaminose treten Müdigkeit und unspezifische Kopfschmerzen auf. Bei einer stärkeren oder länger andauernden Hypervitaminose wird die Leber in Mitleidenschaft gezogen (Leberfibrose). Bei einer Leberfibrose wird Lebergewebe durch Bindegewebe ersetzt [7]. Interessanterweise führt [7] bei den Ursachen der Leberfibrose keine Vitamin-A-Hypervitaminose auf.

Auch ein beschleunigter Knochenumsatz mit Gelenkschmerzen kann die Folge von einer stark erhöhten Vitamin-A-Zufuhr sein [2].

Gerade schwangere Frauen sollten darauf achten, nicht zu viel Vitamin A zu sich zu nehmen. Eine Hypervitaminose kann zwischen der zweiten und fünften Schwangerschaftswoche zu Fehlbildungen der Hörorgane, des ZNS oder des kardiovaskulären Systems des Embryos führen.

"Einer ... Studie mit 22748 Frauen zufolge führte bereits eine Gesamtzufuhr von 4,5 mg Vitamin A pro Tag aus Nahrung und Supplementen zum gehäuften Auftreten der genannten Schädigungen" [2, S. 168]

Quellen:

  1. Schlieper, Grundfragen der Ernährung, 21. Auflage, Hamburg 2014.
  2. Hahn et al., Ernährung, 3. Auflage, Stuttgart 2016.
  3. Wikipedia, Artikel "Vitamin A"
  4. Wikipedia, Artikel "Transthyretin"
  5. Wikipedia, Artikel "Retinol bindende Proteine"
  6. Haeseker, Stahl, "Vitamin A: Physiologie, Funktion, Vorkommen, Referenzwerte und Versorgung in Deutschland" in Ernährungsumschau 9/10, S. 481ff
  7. DocCheck Flexikon, Artikel "Leberfibrose"