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3. Physikalische Eigenschaften

Allgemeines - Nomenklatur - phys. Eigenschaften - Nucleophile Substitution - Eliminierung

3.1 Rekapitulation Schulwissen

Die physikalischen Eigenschaften der Halogenalkane werden im Schulunterricht durchaus kurz behandelt. Das Interessante an dieser Stoffklasse ist ja, dass die Moleküle stark polar sind und daher Dipolcharakter haben. Es bestehen also durchaus relativ starke zwischenmolekulare Wechselwirkungen, die zur Folge haben, dass die Schmelzpunkte und Siedepunkte der Halogenalkane deutlich über denen gleichwertiger Alkane oder Alkene liegen.

So hat Butan einen Siedepunkt von 0,5 ºC, 1-Chlor-butan dagegen siedet bei 78 ºC. Allerdings ist dieser Siedepunkt niedriger als der von Butan-1-ol mit 117,7 ºC. Das wiederum liegt daran, dass die Halogenalkane keine Wasserstoffbrücken-Bindungen untereinander eingehen können, während die Alkohole das ja können.

Einen erheblichen Einfluss auf die drei genannten Eigenschaften hat auch die Art des Halogens, das mit dem Alkan verbunden ist. So hat Fluor-ethan einen Siedepunkt von -37,1 ºC, während Iod-ethan bei +71 ºC siedet. Ursache hierfür ist erstens die höhere molare Masse des Iod-ethans (156 gegenüber 48 beim Fluor-ethan), und zweitens die leichte Polarisierbarkeit des Iod-Atom.

Wasserlöslichkeit

Die Wasserlöslichkeit der Halogenalkane ist sehr gering, aber immer noch deutlich höher als bei den entsprechenden Alkanen:

  • Pentan: 39 mg / l Wasser
  • 1-Chlor-pentan: 200 mg / l Wasser
  • 1-Pentanol: 22.000 mg / l Wasser

Das Chlor-pentan ist also fast fünfmal besser wasserlöslich als das bei Zimmertemperatur ebenfalls flüssige Pentan. Allerdings ist der entsprechende Alkohol 1-Pentanol über 100 mal besser wasserlöslich als 1-Chlor-pentan.

Offensichtlich hat die polare C-X-Bindung einen Einfluss auf die Wasserlöslichkeit. Dies ist zunächst etwas verwunderlich, da die Halogenalkane ja keine Wasserstoffbrücken-Bindungen mit Wasser-Molekülen eingehen können. Allerdings sind Halogenalkan-Moleküle permanente Dipole, genau wie Wasser-Moleküle. Daher können sich Dipol-Dipol-Kräfte zwischen den Molekülen des Halogenalkans und den Wasser-Molekülen ausbilden. Wie man beim Vergleich mit den entsprechenden Alkoholen sieht, sind diese Wechselwirkungen aber sehr schwach im Gegensatz zu den Wasserstoffbrücken-Bindungen, die sich zwischen den OH-Gruppen der Alkohole und den Wasser-Molekülen bilden können.

3.2 Studienvorbereitung

3.2.1 Die Siedepunkte der Halogenalkane
3.2.1.1 Siedepunkt und Kettenlänge

Vergleichen wir einmal die Siedepunkte der ersten vier Alkane mit den Siedepunkt der von diesen Alkanen abgeleiteten Chlor-Alkane.

n Alkan Chlor-Alkan
1 Methan: -161.6 Chlor-methan: -23,8
2 Ethan: -88,6 Chlor-ethan: 13,1
3 Propan: -41,1 1-Chlor-propan: 47
4 Butan: -0,5 1-Chlor-butan: 78

Die Siedepunkte der Chlor-Alkane liegen also deutlich höher als die Siedepunkte der entsprechenden Alkane. Extrem ist dies beim Methan. Der Siedepunkt vom Chlor-methan liegt 137,8 Grad über dem Siedepunkt des Methans.

Frage

Warum nimmt die Differenz zwischen den Siedepunkten des Chlor-Alkans und dem Alkan mit zunehmender Kettenlänge immer mehr ab?

Antwort: Mit zunehmender Kettenlänge nimmt die Zahl der unpolaren C-C- und C-H-Bindungen zu, und der Einfluss der C-Cl-Bindung wird im Vergleich dazu immer geringer. Im Chlor-methan stellt die C-Cl-Bindung ein Viertel aller kovalenten Bindungen, im Chlor-butan nur noch ein Dreizehntel.

3.2.1.2 Siedepunkt und Art des Halogen-Atoms

Schauen wir uns nun die folgende Tabelle an:

Name molare Masse in g/mol EN-Differenz bei C-X Siedepunkt in ºC
Ethan 30,07 0,4 -88,6
Fluor-ethan 48,06 -1,5 -37,1
Chlor-ethan 64,15 -0,5 13,1
Brom-ethan 108,97 -0,3 38
Iod-ethan 155,97 0 71

Die Siedepunkte steigen vom Ethan zum Iod-ethan kontinuierlich an.

Aufgabe

Überprüfen Sie die Behauptung, dass der Siedepunkt eines Halogen-Ethans von der Polarität der X-C-Bindung abhängt.

Lösungsvorschlag:

Man könnte zunächst denken, dass eine stark polare C-X-Bindung einen hohen Siedepunkt zur Folge hat, wegen des starken Dipol-Charakters des Halogenalkans. Wäre diese Aussage korrekt, müsste Fluor-ethan den höchsten Siedepunkt aller Halogen-ethane haben.

Das Gegenteil ist aber der Fall, den höchsten Siedepunkt hat Iod-ethan, dessen Moleküle den geringsten Dipol-Charakter haben, da die EN-Differenz zwischen Iod und Kohlenstoff Null ist.

Offensichtlich ist die Polarität der C-X-Bindung nicht der entscheidende Faktor, der die Höhe des Siedepunkts bestimmt.

Viel wichtiger ist die molare Masse der Verbindung. Iod-Atome sind sehr schwer, sie haben eine Atommasse von 126,9 g/mol. Fluor dagegen hat eine Atommasse von lediglich 19 g/mol. Obwohl also die C-I-Bindung völlig unpolar ist (zumindest wenn man die EN-Differenz betrachtet), hat Iod-ethan auf Grund der hohen molaren Masse von 155,97 g/mol einen derart hohen Siedepunkt.

3.2.1.3 Anzahl der Halogen-Atome

Wenn die Substitution eines H-Atoms durch ein Halogen-Atom den Siedepunkt eines Alkans stark erhöht, dann sollte doch der Siedepunkt noch viel stärker steigen, wenn wir zwei oder drei H-Atome substituieren. Das wollen wir mal am Beispiel der Chlorethane überprüfen.

1-Chlorethan hat einen Siedepunkt von 12,3 ºC, der Siedepunkt von 1,2-Dichlorethan liegt bei 84 ºC, ist also deutlich höher als der von 1-Chlorethan. Interessanterweise beträgt der Siedepunkt von 1,1-Dichlorethan nur 57 ºC.

Also hat nicht nur die Anzahl der Halogen-Atome einen Einfluss auf den Siedepunkt, sondern auch die Position derselben.

Sonderfall Fluoralkane

Vergleichen wir einmal die Siedepunkte von Difluormethan CH2F2 und Tetrafluormethan CF4. Difluormethan hat einen Siedepunkt von -51,7 ºC, während Tetrafluormethan einen Siedepunkt von -127,8 ºC hat.

An sich sollte man doch erwarten, dass CF4 einen wesentlich höheren Siedepunkt hat als CH2F2. Dichlorethan hatte ja auch einen deutlich höheren Siedepunkt als Fluorethan. Wieso hat CF4 einen viel tieferen Siedepunkt als CH2F2 ?

Im Buddrus/Schmidt finden wir eine Antwort auf diese Frage. Die Fluor-Atome sind extrem elektronegativ, ziehen also Bindungselektronen an sich und sind daher von einer dichten Elektronenwolke umgeben. Solche Fluor-Atome stoßen sich daher gegenseitig ab.

Fluoralkan-Moleküle werden durch intermolekulare Kräfte zusammengehalten, und zwar durch Keesom-Kräfte, die zu den van-der-Waals-Wechselwirkungen gehören. Diese Anziehungskräfte werden aber durch die Abstoßungskräfte zwischen den Fluor-Atomen verschiedener Moleküle stark verringert, und das erklärt die relativ niedrigen Siedepunkte von Fluoralkanen.

van-der-Waals-Kräfte

Das, was Sie in der Schule als "van-der-Waals-Kraft" kennen gelernt haben, ist in Wirklichkeit in Oberbegriff, der drei verschiedene intermolekulare Wechselwirkungen umfasst:

  1. Keesom-Wechselwirkungen zwischen permanenten Dipolen wie zum Beispiel Chlor-methan / Chlor-methan
  2. Debye-Wechselwirkungen zwischen permanenten Dipolen und polarisierbaren Nicht-Dipolen wie zum Beispiel Chlor-methan / Butan
  3. London-Wechselwirkung zwischen polarisierbaren Nicht-Dipolen wie zum Beispiel Ethan / Ethan
van-der-Waals-Kräfte

Mehr zu den van-der-Waals-Kräften erfahren Sie auf dieser Lexikon-Seite.

Noch ein letztes Wort

In dem "Basisbuch Organische Chemie" von Carsten Schmuck kann man folgendes lesen:

"Gerichtete Dipol-Dipol-Wechselwirkung scheinen ... nur eine untergeordnete Rolle zu spielen, auch wenn diese häufig noch in Lehrbüchern als Ursachen für die höheren Schmelz- und Siedetemperaturen diskutiert werden". Nach Schmuck sind die schwachen London-Kräfte (die er hier grob vereinfachend als "van-der-Waals-Wechselwirkungen" bezeichnet) hauptverantwortlich für die relativ hohen Schmelz- und Siedetemperaturen."

3.2.2 Schmelzpunkte

Zu den Schmelzpunkten der Halogenalkane muss jetzt nicht mehr viel gesagt werden, das Wichtigste wurde ja bereits bei der Besprechung der Siedepunkte erläutert. Auf Grund ihrer hohen molaren Masse sowie der starken intermolekularen Anziehungskräfte haben Halogenalkane natürlich höhere Schmelzpunkte als die entsprechenden Alkane, wie man leicht an einem willkürlich herausgegriffenem Beispiel sehen kann. Vergleichen wir einmal die Schmelzpunkte von Butan und 1-Chlor-butan:

  • Butan: Schmelzpunkt = -138,3 ºC
  • 1-Chlor-butan: Schmelzpunkt = -123 ºC

Der Unterschied ist allerdings nicht so groß wie vielleicht erwartet. Sollte die Kettenlänge von 1-Chlor-butan schon so groß sein, dass der Einfluss der C-Cl-Bindung verhältnismäßig klein ist? Das überprüfen wir jetzt an einem zweiten Beispiel, nämlich Methan und Chlor-methan.

  • Methan: Schmelzpunkt = -182 ºC
  • Chlor-methan: Schmelzpunkt = -97,4 ºC

Hier ist der Unterschied tatsächlich sehr viel größer als bei den C4-Verbindungen.

3.2.3 Dichten

Auch bei den Dichten spielen die schweren Halogen-Atome eine entscheidende Rolle. Halogen-Alkane haben stets eine höhere Dichte als die entsprechenden Alkane. Das schauen wir uns wieder an zwei Beispielen näher an. Bei den Alkanen wird dabei die Dichte im flüssigen Aggregatzustand berücksichtigt, weil man Gase schlecht mit Flüssigkeiten vergleichen kann.

  • Methan (flüssig): Dichte = 0,42 g/cm3
  • Chlormethan (flüssig): Dichte = 1,00 g/cm3

Und hier ein zweites Beispiel:

  • Butan (flüssig): Dichte = 0,60 g/cm3
  • 1-Chlorbutan (flüssig): Dichte = 0,89 g/cm3

Die Dichte der Halogenalkane nimmt also nicht unbedingt mit der Zahl der C-Atome zu, wie man beim Vergleich von Chlormethan und 1-Chlorbutan sieht. Aber immer ist die Dichte des Halogenalkans größer als die Dichte des entsprechenden Alkans. Wegen der unerwartet niedrigen Dichte des 1-Chlor-butans schauen wir uns noch ein drittes Beispiel an, diesmal von zwei Verbindungen, die bei Raumtemperatur flüssig sind:

  • Hexan (flüssig): Dichte = 0,66 g/cm3
  • 1-Chlorhexan (flüssig): Dichte = 0,88 g/cm3

Auch hier ist die Dichte des Halogenalkans größer als die Dichte des entsprechenden Alkans, jedoch ist die Dichte von 1-Chlorhexan ungefähr so groß wie die von flüssigem 1-Chlorbutan. Allerdings muss man dazu sagen, dass die Werte der gasförmigen Verbindungen Chlormethan und 1-Chlorbutan nahe am Siedepunkt der Verbindungen gemessen wurden. Die Verbindungen waren also flüssig, als ihre Dichte gemessen wurde, allerdings kurz vor dem Verdampfen. Leider liegen mir hier keine Dichte-Angaben von den Flüssigkeiten bei niedrigeren Temperaturen vor.

  • Octan (flüssig): Dichte = 0,70 g/cm3
  • 1-Chloroctan (flüssig): Dichte = 0,87 g/cm3

Offensichtlich nehmen die Dichten der höheren Halogenalkane nicht weiter zu, wie uns das Beispiel 1-Chloroctan zeigt. Je länger die Kohlenstoff-Kette des Halogenalkans ist, desto mehr nähren sich die Dichten an die Werte des reinen Alkans an.

  • Decan (flüssig): Dichte = 0,73 g/cm3
  • 1-Chlordecan (flüssig): Dichte = 0,87 g/cm3

Das erscheint ja auch logisch, denn bei Halogenalkanen mit nur einem Halogen-Atom und einer langen Alkylkette spielt der Einfluss des Halogen-Atoms auf die Dichte so gut wie keine Rolle mehr.

3.2.4 Wasserlöslichkeit

Bei den langkettigen Halogenalkanen sollte man eine extrem geringe Wasserlöslichkeit erwarten, denn die langkettigen Halogenalkane ähneln in ihrem physikalischen Verhalten den entsprechenden langkettigen Alkanen immer mehr, je länger die C-Kette ist. Interessant sind jedoch die kurzkettigen Halogenalkane. Hat die stark polare C-X-Bindung der Fluor- und Chlor-Alkane einen Einfluss auf die Wasserlöslichkeit der Verbindungen? Schauen wir uns wieder ein paar Beispiele an:

  • Pentan: Wasserlöslichkeit = 39 mg / l Wasser
  • 1-Chlorpentan: Wasserlöslichkeit = 200 mg / l Wasser
  • 1-Pentanol: Wasserlöslichkeit = 22.000 mg / l Wasser

Das Chlorpentan ist also fast fünfmal besser wasserlöslich als das bei Zimmertemperatur ebenfalls flüssige Pentan. Allerdings ist der entsprechende Alkohol 1-Pentanol über 100 mal besser wasserlöslich als 1-Chlorpentan.

Machen wir einen zweiten Vergleich

  • Heptan: Wasserlöslichkeit = 2,2 mg / l Wasser
  • 1-Chlorheptan: Wasserlöslichkeit = 14 mg / l Wasser
  • 1-Heptanol: Wasserlöslichkeit = 1.000 mg / l Wasser

Offensichtlich hat die polare C-Cl-Bindung einen Einfluss auf die Wasserlöslichkeit. Dies ist zunächst etwas verwunderlich, da die Halogenalkane ja keine Wasserstoffbrücken-Bindungen mit Wasser-Molekülen eingehen können. Allerdings sind Halogenalkan-Moleküle permanente Dipole, genau wie Wasser-Moleküle. Daher können sich Keesom-Wechselwirkungen (Dipol-Dipol-Kräfte) zwischen den Molekülen des Halogenalkans und den Wasser-Molekülen ausbilden. Wie man beim Vergleich mit den entsprechenden Alkoholen sieht, sind diese Wechselwirkungen aber sehr schwach im Gegensatz zu den Wasserstoffbrücken-Bindungen, die sich zwischen den OH-Gruppen der Alkohole und den Wasser-Molekülen bilden können.

3.3 Übungen

Aufgabe 3.1*

Recherchieren Sie die Siedepunkte von Hexan und Chlorhexan, berechnen Sie die Differenz und überprüfen Sie dann die Aussage, dass die Differenz der Siedepunkte zwischen Alkan und Chloralkan mit zunehmender Kettenlänge abnimmt.

Für die nächste Aufgabe betrachten Sie bitte folgende Tabelle mit den Siedepunkten der primären und sekundären Monohalogenpropane:

Halogen 1-Halogenpropan 2-Halogenpropan
Fluor -2,5 ºC -10 ºC
Chlor 47,2 ºC 35 ºC
Brom 71 ºC 59 ºC
Iod 102 ºC 89 ºC

2-Chlorpropan hat beispielsweise einen Siedepunkt von 35 ºC.

Aufgabe 3.2**

Analysieren Sie die Daten der Tabelle und begründen Sie Ihre Beobachtungen!

Aufgabe 3.3**

Recherchieren Sie die Siedepunkte von Octan, 1-Chloroctan, Decan und 1-Chlordecan, analysieren Sie die Daten und begründen Sie die Befunde. Gehen Sie dabei differenziert auf die unterschiedlichen intermolekularen Wechselwirkungen zwischen den Molekülen der Verbindungen ein.

Quellen:

  1. Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992
  2. VollhardT, Schore: Organische Chemie. 6. Auflage, Weinheim 2020.
  3. Morrison, Boyd, Bhattacharjee: Organic Chemistry. 7. Auflage, Dorling Kindersley 2011.
  4. J. Clayden, N. Greeves, S. Warren: Organische Chemie. Berlin 2013.
  5. Buddrus, Schmidt, Grundlagen der Organischen Chemie, 5. Auflage, De Gruyter-Verlag 2014.
  6. Schmuck, Basisbuch Organische Chemie, 2. Auflage, Pearson-Verlag 2018.

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