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1. Allgemeines

Allgemeines - Nomenklatur - phys. Eigenschaften - Nucleophile Substitution - Eliminierung

1.1 Rekapitulation Schulwissen

Einige Halogenalkane
Autor: Ulrich Helmich 2017, Lizenz: siehe Seitenende.

In den Schulbüchern der gymnasialen Oberstufe wird die Stoffklasse der Halogenalkane in folgenden Zusammenhängen behandelt:

  • Radikalische Substitution: Halogenalkane sind die Reaktionsprodukte der Chlorierung und Bromierung von Alkanen.
  • Nucleophile Substitution: Halogenalkane sind die Ausgangsstoffe für die Synthese von Alkoholen und anderen Verbindungen.
  • Umweltchemie: Halogenalkane sind wichtige Verbindungen im Haushalt und in der Industrie und sind teils recht problematisch, was die Umweltverträglichkeit angeht.
1.1.1 Radikalische Substitution

Diesen Reaktionstyp kennen Sie aus dem Abschnitt über Alkane. Es handelt sich um eine radikalische Kettenreaktion mit einem Kettenstart, zwei Kettenfortpflanzungsschritten und drei möglichen Kettenabbruchreaktionen.

Chloriert man Methan, bildet sich zunächst Chlormethan. Lässt man dieses Produkt weiter mit Chlor reagieren, erhält man Dichlormethan, dann Tri- und schließlich Tetrachlormethan. Beim Propan erhält man schon zwei verschiedene Monochlorierungs-Produkte, nämlich 1-Chlorpropan und 2-Chlorpropan. Das 2-Chlorpropan entsteht häufiger als man rein statistisch erwarten kann, weil das Zwischenprodukt der Reaktion ein sekundäres Kohlenstoff-Radikal ist. Sekundäre Radikale sind bekanntlich stabiler als primäre, daher verläuft dieser Reaktionsschritt relativ schnell.

In der Industrie werden meisten Chlorierungen durchgeführt, da Chlor erstens reaktiver und zweitens vor allem billiger herzustellen ist als Brom. Bromierungen von Alkanen sind dagegen typische Labor-Reaktionen. Iodierungen scheitern an der geringen Reaktivität der Reaktion, und Fluorierungen sind in der Regel zu gefährlich, um sie durchzuführen.

1.1.2 Nucleophile Substitution

Besonders tertiäre Halogenalkane wie beispielsweise 2-Brom-2-methyl-propan sind hervorragende Substrate für die nucleophile Substitution. In einem bekannten Schulversuch werden drei verschiedene Brombutane mit Ethanol versetzt: 1-Brombutan, 2-Brombutan und 2-Brom-2-methyl-propan.

Zum Versuch

Auf dieser Seite wird dieser Schulversuch ausführlich beschrieben.

In dem genannten Versuch wird das Brom-Atom durch eine O-C2H5-Gruppe ersetzt, es entstehen also Ether. Beim primären 1-Brombutan kann man so gut wie keine Reaktion beobachten, beim sekundären 2-Brombutan setzt mit der Zeit eine Trübung ein, und beim tertiären 2-Brom-2-methyl-propan kann man sofort eine Reaktion beobachten, das tertiäre Edukt reagiert am schnellsten. Der Grund: Es liegt eine SN1-Substitution vor, und als Zwischenprodukt entsteht ein tertiäres Carbenium-Ion. Ähnlich wie tertiäre C-Radikale bilden sich tertiäre Carbenium-Ionen am schnellsten, das liegt an dem stabilisierenden +I-Effekt der benachbarten Alkylgruppen, durch den die Elektronendichte am positiv geladenen (oder radikalischen) C-Atom etwas erhöht wird.

1.1.3 Umweltchemie

Dieses Thema steht zwar in jedem Schulbuch, wird aber aus Zeitgründen oft gar nicht im Unterricht behandelt. Ich selbst bin bisher auch kaum dazu gekommen und habe das Thema dann oft als Schüler-Referat vergeben.

Wir wollen doch jetzt einmal sehen, was ChatGPT zu diesem Thema zu sagen hat. Dazu müssen wir uns zunächst eine griffige Fragestellung ausdenken. Wie wäre es mit "Welchen Einfluss haben Halogenalkane auf die Umwelt?". Versuchen wir es mal. Hier das Ergebnis:

Welchen Einfluss haben Halogenalkane auf die Umwelt?

Halogenalkane, auch bekannt als Halogenierte Kohlenwasserstoffe, können verschiedene Auswirkungen auf die Umwelt haben. Diese Auswirkungen hängen von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich des spezifischen Halogenalkans, seiner Konzentration, seiner Persistenz in der Umwelt und seiner Wechselwirkung mit anderen Chemikalien.

Einige Halogenalkane, wie beispielsweise chlorierte Lösungsmittel und Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), haben eine nachgewiesene schädliche Wirkung auf die Umwelt. Hier sind einige der Hauptauswirkungen:

  • Ozonabbau: Bestimmte Halogenalkane, insbesondere FCKW, wurden mit dem Abbau der Ozonschicht in Verbindung gebracht. FCKW können in die Atmosphäre gelangen und durch photochemische Reaktionen zur Zerstörung von Ozon beitragen. Der Abbau der Ozonschicht erhöht das Risiko schädlicher UV-Strahlen der Sonne, die Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen haben können.
  • Treibhausgasemissionen: Einige Halogenalkane, wie beispielsweise Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), haben ein hohes Treibhauspotenzial. Das bedeutet, dass sie zur globalen Erwärmung beitragen können, wenn sie in die Atmosphäre freigesetzt werden. Viele FKW werden als Ersatz für die ozonabbauenden FCKW verwendet, haben jedoch eine hohe Klimawirksamkeit.
  • Toxizität: Einige Halogenalkane können giftig sein und eine schädliche Wirkung auf Tiere und Pflanzen haben. Sie können sich in der Umwelt anreichern und die Nahrungskette beeinflussen. Beispielsweise wurde das Insektizid DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) wegen seiner toxischen Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit von Organismen weltweit verboten.
  • Grundwasserverschmutzung: Halogenalkane können ins Grundwasser gelangen und Trinkwasserquellen verschmutzen. Dies kann zu Gesundheitsrisiken für Menschen führen, die mit kontaminiertem Wasser in Kontakt kommen.

Es ist wichtig anzumerken, dass nicht alle Halogenalkane die gleichen Auswirkungen haben. Einige Verbindungen wurden verboten oder eingeschränkt, um ihre Umweltauswirkungen zu minimieren. Es wurden auch umweltfreundlichere Alternativen entwickelt, um schädliche Halogenalkane in verschiedenen Anwendungen zu ersetzen. Die genaue Bewertung der Umweltauswirkungen eines spezifischen Halogenalkans erfordert eine detaillierte Untersuchung der spezifischen Verbindung und ihrer Verwendung.

ChatGPT am 1. Juni 2023, Antwort auf die Frage "Welchen Einfluss haben Halogenalkane auf die Umwelt?".

Das hört sich auf den ersten Blick gar nicht mal so schlecht an, müsste jetzt natürlich Aussage für Aussage überprüft werden, weil ChatGPT bekannt dafür ist, relativ häufig Fehler in seine Ergebnisse einzubauen. Schauen wir am besten mal in ein paar gängige Schulbücher.

  • Die Sache mit dem Ozonabbau stimmt. In dem alten Schroedel-Band "Chemie heute" von 1998 findet man noch recht wenig, aber in den neueren Ausgaben kann man viel über die Zerstörung der Ozonschicht durch FCKWs lesen.
  • Dass Halogenalkane Treibhausgabe sind, findet man auch in Schulbüchern bestätigt. Vor allem Trichlorfluormethan CCl3F und Dichlordifluormethan CCl2F2 werden hier erwähnt ("Chemie heute SII Einführungsphase" von 2014).
  • Die Toxizität von Halogenalkanen ist unbestreitbar, wegen der geringen Wasserlöslichkeit und guten Fettlöslichkeit sind sie von lebenden Organismen nur sehr schwer abbaubar und reichern sich in der Nahrungskette an, wie man in guten Biologie-Büchern im Bereich der Ökologie lesen kann. Dort spricht man dann von einer Bioakkumulation.
    Manche Halogenalkane haben Ähnlichkeit mit Steroiden (Hormonen) und können so auch in den Hormonhaushalt von Tieren und Menschen eingreifen. Bei Fischen wurden schon Geschlechtsumwandlungen entdeckt, die durch solche Giftstoffe ausgelöst wurden, wie man in dem Dokument "Hormonaktive Substanzen im Wasser" auf der Webseite von bund-naturschutz.de nachlesen kann.
  • Zur Sache mit der Grundwasserverschmutzung habe ich jetzt in Schulbüchern keine Informationen gefunden, und im Internet findet man zu diesem Thema auch nicht sehr viel, aber an sich klingt die Aussage völlig logisch.

Insgesamt ist das Ergebnis von ChatGPT durchaus verwendbar, Sachfehler konnte ich nicht entdecken, aber teils sind die Aussagen doch recht oberflächlich. Typisch für ChatGPT ist auch das "Gelaber" am Ende ("Es ist wichtig anzumerken..."), wo noch einmal eine Art zusammenfassende Bewertung versucht wird.

1.2 Studienvorbereitung und

1.3 Was sagt die Fachliteratur?

Was wird im Studium zum Allgemeinwissen über Halogenalkane verlangt? Da schauen wir doch am besten einmal in die gängigen Hochschul-Lehrbücher hinein.

Der Vollhardt/Schore hält sich nicht lange mit allgemeinen Ausführungen zu Halogenalkanen auf. In der Einleitung zu dem entsprechenden Kapitel weist das Buch auf die Bedeutung der Halogenalkane für chemische Synthesen hin (leichte Austauschbarkeit der Halogen-Atome gegen andere funktionelle Gruppen) und dass man Halogenalkane sehr leicht aus Alkanen und Alkenen gewinnen kann.

Auch der Morrison/Boyd geht gleich in die Vollen, er beginnt das Thema Halogenalkane mit einer Betrachtung über funktionelle Gruppen und geht dann gleich zur Nomenklatur und den physikalischen Eigenschaften über.

Umweltchemie scheint die großen Lehrbücher der Organischen Chemie so gut wie gar nicht zu interessieren, vielleicht, weil es zu diesem Thema jede Menge spezielle Fachbücher gibt.

Im Clayden, der ja sehr anspruchsvoll ist, werden Halogenalkane auf Seite 34 kurz erwähnt, hier wird kurz auf die Giftigkeit von Iodmethan CH3I eingegangen, mehr nicht. Ein eigenes Kapitel über Halogenalkane gibt es in diesem Buch nicht.

Schließlich schauen wir noch einmal in den Buddrus/Schmidt. Auf Seite 245 beginnt ein großes Kapitel über Halogenkohlenwasserstoffe, und es gibt sogar eine Einleitung "Bedeutung von Halogenkohlenwasserstoffen". Hier werden zwei Halogenkohlenwasserstoffe vorgestellt, die auch in der Natur vorkommen (im Seetang und in Rotalgen), und dann wird kurz auf die Umweltproblematik verwiesen. Dann gibt es allerdings einen längeren Abschnitt "Halogenkohlenwasserstoffe im Alltag" (S. 249-253), in dem auch auf die Umweltproblematik eingegangen wird. Der Abbau von Ozon wird kurz erklärt:

$CF_2Cl_2 \to CF_2Cl \bullet + \bullet Cl$

Diese homolytische Zersetzung von Dichlor-difluor-methan erfolgt im UV-Licht, es entstehten zwei Radikale, eines davon ist ein Chlor-Radikal.

Das Chlor-Radikal reagiert nun mit dem Ozon:

$Cl \bullet + O_3 \to ClO \bullet + O_2$

Es bildet sich ein ClO-Radikal, das erneut mit Ozon reagiert:

$ClO \bullet + O_3 \to Cl \bullet + 2 O_2$

In der Gesamtbilanz bilden sich also aus zwei O3-Molekülen drei O2-Moleküle, das Ozon der Ozonschicht wird so langsam abgebaut:

$2 O_3 \to 3 O_2$

Was mich jetzt mal persönlich interessieren würde - alle Leute reden ja über ChatGPT und andere KIs: Was meint ChatGPT zu diesem Thema? Stellen wir die KI auf die Probe:

Abbau der Ozonschicht durch CF2Cl2

CF2Cl2 ist eine chemische Verbindung, die auch als Dichlordifluormethan oder unter dem Handelsnamen Freon-12 bekannt ist. Es gehört zur Gruppe der chlorierten Fluorkohlenwasserstoffe (CFCs). Diese Verbindungen wurden in der Vergangenheit häufig als Kältemittel, Treibmittel in Aerosoldosen und Lösungsmittel verwendet.

Der Abbau der Ozonschicht durch CF2Cl2 und andere CFCs erfolgt durch einen komplexen Prozess, der in der Stratosphäre stattfindet. Die Ozonschicht befindet sich in der oberen Atmosphäre in einer Höhe von etwa 10 bis 50 Kilometern. Sie spielt eine entscheidende Rolle beim Schutz der Erde vor schädlicher ultravioletter (UV) Strahlung.

Der Abbau der Ozonschicht durch CF2Cl2 beginnt, wenn diese Verbindung in die Stratosphäre gelangt. Dort werden die CFC-Moleküle durch die Einwirkung von ultravioletter Strahlung photodissoziiert. Die energiereiche UV-Strahlung spaltet die Moleküle auf, wodurch Chlorradikale (Cl-Atome) freigesetzt werden. Das photodissoziierte CF2Cl2 reagiert nach folgender Reaktionsgleichung:

CF2Cl2 + UV-Strahlung → CF2Cl + Cl·

Das freigesetzte Chlorradikal (Cl·) ist äußerst reaktiv und kann eine Kaskade von Reaktionen auslösen, die zur Zerstörung von Ozonmolekülen führen. Ein einzelnes Chlorradikal kann mehrere tausend Ozonmoleküle zerstören, bevor es sich selbst neutralisiert. Die Reaktionskette läuft nach folgendem Schema ab:

Cl· + O3 → ClO· + O2

ClO· + O → Cl· + O2

Das Chlorradikal (Cl·) wird also während der Reaktion regeneriert und kann den Abbau weiterer Ozonmoleküle fortsetzen.

Der Abbau der Ozonschicht durch CF2Cl2 und andere CFCs hat zur Ausdünnung der Ozonschicht geführt, insbesondere in den sogenannten "Ozonlöchern" über den Polargebieten. Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt, da eine erhöhte Menge an UV-Strahlung die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen beeinträchtigen kann.

Um den Abbau der Ozonschicht zu stoppen, wurden internationale Maßnahmen ergriffen, insbesondere das Montrealer Protokoll von 1987. Dieses Abkommen hat den Einsatz von ozonabbauenden Substanzen wie CF2Cl2 stark eingeschränkt und den Übergang zu ozonschonenden Alternativen gefördert. Dadurch konnte der Anstieg der CFC-Konzentrationen in der Atmosphäre gestoppt und eine allmähliche Erholung der Ozonschicht beobachtet werden.

ChatGPT am 2. Juni 2023, Antwort auf den Arbeitsauftrag "Erläutere die chemischen Vorgänge bei der Abbau der Ozonschicht durch CF2Cl2".

Alle Achtung, das hört sich auf den ersten Blick sehr gut an. Hier ist die KI besser als der entsprechende Abschnitt im Buddrus/Schmidt, von den anderen Büchern ganz zu schweigen.

Aber die Ergebnisse von ChatGPT und anderer KIs muss man ja immer kritisch hinterfragen, und das wollen wir jetzt einmal machen.

Anmerken könnte man hier, dass die korrekte Bezeichnung dieser Stoffklasse Fluorkohlenwasserstoffe (FCKWs) heißt und nicht "chlorierte Fluorkohlenwasserstoffe (CFCs)", wie ChatGPT behauptet. Der Begriff "Photodissoziation" ist im Deutschen eher ungewöhnlich, meistens spricht man von einer Photolyse. Das Lexikon der Physik aus dem Spektrum-Verlag allerdings verwendet diesen Begriff.

Und der Begriff "Kettenreaktion" wird überhaupt nicht erwähnt, geschweige denn "Kettenfortpflanzungsschritte" und "Kettenabbruchreaktion".

Hier noch eine Ergänzung aus der Wikipedia:

Konzentration in nmol/m3 im Meeresspiegel von CF2Cl2, gemessen in den 1990er-Jahren.
Plumbago at English Wikipedia, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Hier sieht man sehr schön, wie die Konzentration von CF2Cl2 von 1940 bis 1990 stark zunahm. Seit 2000 stagniert sie auf einem hohen Niveau.

Quellen:

  1. Webseite zum Lösungsbuch zu "Get Ready for Organic Chemistry" von Leroy G. Wade, ISBN 032183296
  2. Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992
  3. VollhardT, Schore: Organische Chemie. 6. Auflage, Weinheim 2020.
  4. Morrison, Boyd, Bhattacharjee: Organic Chemistry. 7. Auflage, Dorling Kindersley 2011.
  5. J. Clayden, N. Greeves, S. Warren: Organische Chemie. Berlin 2013.
  6. Buddrus, Schmidt, Grundlagen der Organischen Chemie, 5. Auflage, De Gruyter-Verlag 2014.
  7. ChatGPT.

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