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Kontraktion der Muskelfasern

Inhalt

Die Kontraktion der Skelettmuskulatur ist das Ergebnis einer komplexen Reihe von Ereignissen, die auf molekularer Ebene stattfinden. Der Prozess beinhaltet das Zusammenspiel verschiedener Proteine und Enzyme, die zusammenarbeiten, um chemische Energie in Bewegungsenergie umzuwandeln.

Bau des Skelettmuskels

Der Aufbau eines Skelettmuskels wurde bereits auf einer eigenen Seite beschrieben. Der grundlegende Baustein der Muskeln sind die Muskelfasern, große und vor allem lange Zellen mit vielen Zellkernen, die durch die Fusion vieler kleiner Zellen entstanden sind.

Jede Muskelfaser ist quasi "vollgepackt" [1] mit vielen fadenförmigen Myofibrillen, die aus sich wiederholenden Einheiten bestehen, den Sarkomeren. Diese ca. 2,5 µm langen Sarkomere sind die funktionellen Einheiten der Muskelkontraktion und bestehen aus zwei Haupttypen von Proteinfilamenten: dicken Myosinfilamenten und dünnen Actinfilamenten, die mit weiteren Proteinen wie Tropomyosin und drei verschiedenen Troponinen assoziiert sind. Auf diesem Bild aus der engl. Wikipedia kann man das besonders gut erkennen:

Cardiac sarcomere structure featuring myosin
Mohamed Elshennawy, M.D., CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Jedes Sarkomer wird links und rechts von einer Z-Scheibe begrenzt. Diese Z.-Scheiben sind die Anheftungsstellen der Actinfilamente und - über das Protein Titin - auch der Myosinfilamente.

Die regelmäßige Anordnung der vielen Sarkomere führt dann zu der typischen Querstreifung der Skelettmuskulatur, die oft auch als "quergestreifte Muskulatur" bezeichnet wird.

Lichtmikroskopischer Längsschnitt quergestreifter Muskelzellen bei starker Vergrößerung
Rollroboter, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Die Verkürzung eines Skelettmuskels kommt durch die synchrone Verkürzung der Muskelfasern zustande, und diese ist wiederum auf die gleichzeitige Verkürzung aller Sarkomere einer Muskelfaser zurückzuführen.

Ausgelöst wird diese Kontraktion der Sarkomere durch die Ausschüttung des Neurotransmitters Acetylcholin an der motorischen Endplatte.

Die motorische Endplatte

Der Bau der neuromuskulären Synapse, also der Schnittstelle zwischen Motoneuron und Muskelfaser, wird auf diesen Seiten der Neurobiologie-Abteilung näher beschrieben.

Auslösung der Kontraktion

Das von den Endknöpfchen der vorgeschalteten Motoneurone ausgeschüttete Acetylcholin bewirkt eine Depolarisation der Membran und die Erzeugung eines Aktionspotentials am Sarkolemma, der Membran der Muskelfaser.

Das Sarkolemma zeichnet sich durch zahlreiche Einstülpungen aus, die weit in die Muskelfaser hineinreichen, die sogenannten Transversaltubuli oder kurz T-Tubuli. Die erzeugten Aktionspotenziale wandern die T-Tubuli hinunter, was dann die Freisetzung von Calciumionen (Ca2+) aus dem sarkoplasmatischen Reticulum (SR) auslöst. Das SR ist eine Spezialform des endoplasmatischen Reticulums, seine Tubuli und Zisternen umgeben jede einzelne Myofibrille. Auf diesem Bild aus der engl. Wikipedia sieht man das sehr schön:

Das SR enthält eine hohe Konzentration an Calcium-Ionen. Die ankommenden Aktionspotenziale bewirken nun das Öffnen von Calciumkanälen in der Membran des SR, und Ca2+-Ionen strömen nun passiv in das Cytosol der Muskelzelle.

Für Experten:

Mechanisch gesteuerte Ca2+-Kanäle

Die Calciumkanäle des sarkoplasmatischen Reticulums sind nicht elektrisch oder chemisch gesteuert, sondern mechanisch.

In der Membran der T-Tubuli, also der Einstülpungen der Membran der Muskelfaser, befinden sich spannungsgesteuerte Calciumkanäle. Durch das gebildete Aktionspotenzial öffnen sich diese, und ein paar Calcium-Ionen strömen in das Cytosol. Das ist aber nicht das Entscheidende.

Viel wichtiger ist Folgendes: Die spannungsgesteuerten Calciumkanäle der T-Tubuli sind über eine Kette von Molekülen mechanisch mit den Calciumkanälen des SR verbunden. Öffnen sich nun die spannungsgesteuerten Calciumkanäle, so wird deren Bewegung auf die Calciumkanäle des SR mechanisch übertragen, und diese öffnen sich ebenfalls [1].

Die aus dem SR freigesetzten Ca2+-Ionen binden dann an Tropomyosin. Dieses Protein verhindert, dass sich die Köpfchen der Myosinfilament mit den Actinfilamenten verbinden. Die Myosinbindungsstelle der Actinfilamente wird durch das Tropomyosin blockiert.

Der Querbrückenzyklus
Schritt 1

Der Querbrückenzyklus, Schritt 1
Autor: Ulrich Helmich 03/2023, Lizenz: siehe Seitenende

Auf diesem und den folgenden Bildern sehen wir den sogenannten Querbrückenzyklus, der auch in viele Schulbücher Einzug gehalten hat, allerdings in etwas vereinfachter Form.

Eines der Actin-Moleküle des Actinfilaments wurde auf der Zeichnung rot eingefärbt, damit man das Verschieben des Actinfilaments im Laufe des Querbrückenzyklus besser verfolgen kann.

Die Troponine, die mit den Enden der Tropomyosine verbunden sind (siehe Abb. 1), können nun Ca2+-Ionen aufnehmen (auf der obigen Zeichnung nicht zu sehen). Dadurch verändert sich die Konformation der Troponine, wodurch dann die Position der Tropomyosin-Moleküle verändert wird. Die Folge dieser Lagenveränderung ist dann, dass die Myosinbindungsstelle der Actinfilamente frei wird, und die Köpfchen der Myosinfibrillen können sich mit den Actinfibrillen verbinden [1]. Dieser Schritt ist auf dem Bild oben dargestellt.

Schritt 2

Der Querbrückenzyklus, Schritt 2
Autor: Ulrich Helmich 03/2023, Lizenz: siehe Seitenende

Die Myosin-Köpfchen (auf dem Bild ist nur eines zu sehen) sind vom Myosin-Molekül um ungefähr 45 Grad abgewinkelt. In den Myosin-Köpfchen befinden sich ATPasen, also Enzyme, die in der Lage sind, ATP-Moleküle in ADP und Pi (anorganisches Phosphat) zu spalten. Diese ATP-Hydrolyse hat zunächst zur Folge, dass sich das Myosin-Köpfchen zunächst von dem Actin wieder löst.

Schritt 3

Der Querbrückenzyklus, Schritt 2
Autor: Ulrich Helmich 03/2023, Lizenz: siehe Seitenende

Eine weitere Folge der ATP-Hydrolyse ist die Veränderung des Bindungswinkels der Myosin-Köpfchen. Die Myosin-Köpfchen holen hier gewissermaßen "zum Schlag aus".

Stellen Sie sich vor, Sie stehen im Supermarkt vor einem Einkaufswagen und fahren jetzt Ihre Arme aus, um den Griff des Wagens zu ergreifen. Aber noch haben Sie nicht zugegriffen!

Schritt 4

Der Querbrückenzyklus, Schritt 2
Autor: Ulrich Helmich 03/2023, Lizenz: siehe Seitenende

Nun kommen wieder Calcium-Ionen ins Spiel. Die Ca2+-Ionen bewirken eine Freisetzung von ADP und Pi sowie - fast noch wichtiger - eine Änderung des Winkels, mit dem das Myosin-Köpfchen am Myosin verankert ist.

Um bei unserem Alltags-Beispiel zu bleiben: Ihre Hände greifen jetzt den Griff des Einkaufswagens und ziehen diesen zu sich heran.

Diese Veränderungen sehen wir im nächsten Schritt:

Schritt 5

Der Querbrückenzyklus, Schritt 2
Autor: Ulrich Helmich 03/2023, Lizenz: siehe Seitenende

Die Ca2+-induzierte Freisetzung von ATP/Pi bewirkt, dass die Myosin-Köpfchen wieder die ursprüngliche 45-Grad-Stellung einnehmen. Da sie immer noch an das Actinfilament gebunden sind, verschiebt sich dieses um eine kurze Strecke. In der Zeichnung wird dieses Verschieben des Actinfilaments durch das eingefärbte Actin-Molekül verdeutlicht.

Setzt sich nun ein neues ATP-Molekül in die ATPase des Myosin-Köpfchens, löst sich dieses wieder vom Actinfilament, und der Zyklus kann von neuem starten.

Der Querbrückenzyklus, Zusammenfassung
Autor: Ulrich Helmich 03/2023, Lizenz: siehe Seitenende

Hier sehen wir noch einmal eine Zusammenfassung des Querbrückenzyklus, wie er fast in jedem Schulbuch zu sehen ist.

Quellen, die über Schulbuchwissen hinausgehen:

  1. Alberts, Bruce et al. Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie, 5. Auflage, Weinheim 2021.
  2. Berg, Tymoczko, Gatto jr., Stryer. Stryer Biochemie, 8. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2018.
  3. Plattner, Hentschel. Zellbiologie, 5. Auflage. Stuttgart 2017.