Helmichs Biologie-Lexikon

Meiose

Überblick

Sinn und Zweck der Meiose ist die Reduktion des diploiden Chromosomensatzes eines Lebewesens auf den haploiden Chromosomensatz, also eine Reduktion von 2n auf n.

Das ist notwendig, weil sonst die Nachkommen einer sexuellen Fortpflanzung den vierfachen Chromosomensatz hätten, und deren Nachkommen den achtfachen und so weiter. Vor der Bildung der Geschlechtszellen muss die Chromosomenzahl also halbiert werden. Samenzellen und Eizellen der Tiere und Pflanzen sind also haploid und nicht mehr diploid wie die Körperzellen ihrer Erzeuger.

Die Meiose besteht aus zwei Teilungsschritten, die als Reifeteilungen bezeichnet werden. In der 1. Reifeteilung wird der Chromosomensatz halbiert, aus dem diploiden Chromosomensatz wird ein haploider. Daher wurde diese Teilung früher auch als Reduktionsteilung bezeichnet.

Nach Strasburger [1] trifft dieser Begriff nicht ganz zu. Eine Reduktion des diploiden Chromosomensatzes kann beispielsweise auch erreicht werden, indem die S-Phase des Zellzyklus blockiert wird. Allerdings ist dieser Einwand nicht ganz nachvollziehbar, denn wenn die DNA-Replikation unterbleibt, besitzt die Zelle zu Beginn der nächsten Mitose einen vollständigen 2n-Chromosomensatz, allerdings liegen dann keine 2-Chromatid-Chromosomen vor, sondern 1-Chromatid-Chromosomen. Was mit denen dann in der Anaphase passiert, darauf geht der Strasburger leider nicht ein. Statt "Reduktionsteilung" schlägt der aktuelle Strasburger den Begriff "Rekombinationsteilung" vor, weil der Hauptsinn der Meiose die doppelte Rekombination des Erbmaterials ist.

In der 2. Reifeteilung durchlaufen dann die beiden haploiden Tochterzellen eine mehr oder weniger normale Mitose, so dass am Ende vier haploide Zellen vorliegen. Das folgende Schema unterteilt diese beiden Teilungsschritte in sechs Abschnitte.

Die Meiose, vereinfachte Darstellung
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Interphase (nicht eingezeichnet)

  • Der Zellkern ist intakt, von einer doppelten Kernhülle umgeben. Die Chromosomen sind lichtmikroskopisch nicht sichtbar, die Chromosomen sind entspiralisiert und an der Kernlamina (innerste Schicht der Kernhülle) verankert. Jedes Chromosom besteht aus zwei DNA-Strängen, die durch Proteine (Histone) auf komplexe Weise "aufgewickelt" sind. Ein Centrosom, das aus zwei Centriolen besteht, existiert in der Nähe des Zellkerns.

1. Prophase

In der Prophase der Meiose findet die Verdopplung des Centrosoms statt, und die Chromosomen werden im Lichtmikroskop sichtbar, weil die DNA/Protein-Komplexe des Erbmaterials stark kondensieren. Die Kernhülle beginnt sich aufzulösen.

Meiose, Prophase

Die meisten Autoren und Autorinnen teilen die Prophase der ersten meiotischen Teilung noch einmal in fünf Unterabschnitte ein, die als Leptotän, Zygotän, Pachytän, Diplotän und Diakinese bezeichnet werden. Wer sich dafür interessiert, geht bitte auf diese Spezialistenseite.

Nun findet - im Gegensatz zur Mitose - ein hochkomplexer Prozess statt, bei dem sich die homologen Chromosomen paarweise zusammenlegen. Als homologe Chromosomen bezeichnet man die einander entsprechenden Chromosomen väterlichen und mütterlichen Ursprungs. Bei der Bildung menschlicher Keimzellen beispielsweise legen sich das Chromosom Nr. 12 väterlichen Ursprungs und das Chromosom Nr. 12 mütterlichen Ursprungs zusammen und bilden ein Chromosomenpaar. Das Gleiche geschieht mit den anderen Chromosomen.

Dieser Vorgang ist hochkomplex und noch nicht so richtig erforscht. Auf jeden Fall wird er durch bestimmte Enzyme unterstützt, welche die homologen Chromosomen an irgendwelchen strukturellen Merkmalen (Basensequenzen, Tertiärstruktur des DNA/Histon-Komplexes oder sonst was in der Art) erkennen und dann miteinander zum synaptonemalen Komplex verbinden.

Nach der Paarung der homologen Chromosomen kondensieren diese weiter. Nun kann es zur Überlagerungen von Abschnitten der väterlichen und mütterlichen Chromosomen kommen, was auch als Chiasma bezeichnet wird. 

Terminologie: Chiasma / Crossingover

Als Chiasma bezeichnet man das im Lichtmikroskop sichtbare Übereinanderlagern von Chromosomenabschnitten, so ähnlich wie es in idealisierter Weise auf dem nächsten Bild zu sehen ist.

Als Crossingover dagegen bezeichnet man den nicht im Mikroskop sichtbaren molekularen Austauschvorgang von DNA-Abschnitten.

Interessanterweise findet zunächst das Crossingover statt, und zwar im Pachytän der meiotischen Prophase. Wenn sich die Chromosomen dann im Laufe des Diplotäns (der nächsten Phase) weiter kondensieren, werden die Folgen dieses Crossingovers eventuell (also nicht immer) als Chiasmata sichtbar.

Crossing over und doppeltes Crossing over
Quelle: Wikipedia, Artikel "Crossing-Over", Autor: LadyofHats, Lizenz: public domain

2. Metaphase

  • Außerhalb des Zellkerns wandert ein Centrosom zum entgegengesetzten Zellpol. Beide Centrosomen bilden Mikrotubuli aus, es entsteht die Polstrahlung, die sich später zu den Spindelfasern ausweitet.
  • Die Kernhülle löst sich endgültig auf, und die Mikrotubuli der Polstrahlung wachsen auf die Centromere der Chromosomen zu.
  • Die Chromosomenpaare ordnen sich vollständig in der Äquatorialebene an. Jedes Chromosomenpaar besteht aus vier Chromatiden, man spricht jetzt auch von Tetraden. Homologe Chromosomen, bei denen DNA-Austauschvorgänge (Crossingover) stattgefunden haben, hängen lichtmikroskopisch sichtbar immer noch zusammen (Chiasmen).

3. Anaphase

  • Die Chromosomenpaare werden von den Spindelfasern getrennt, dabei werden die Chiasmen aufgetrennt. Die 2-Chromatid-Chromosomen werden zu den Zellpolen gezogen, indem sich die Spindelfasern unter ATP-Verbrauch verkürzen.

4. Telophase, Zellteilung 1

  • Nach der Telophase und der ersten Zellteilung liegen zwei Zellen vor, die nicht erbgleich sind. Die Verteilung der väterlichen und mütterlichen Chromosomen erfolgte nach dem Zufallsprinzip, das bereits bei der Paarung der homologen Chromosomen während der Metaphase zur Geltung kam. Der Chromosomensatz ist jetzt reduziert, jede Tochterzelle hat einen haploiden Chromosomensatz, allerdings liegen die Chromosomen noch als 2-Chromatid-Chromosomen vor.

5. Meiose II

  • Im Grunde läuft nun eine mehr oder weniger normale Mitose ab, allerdings mit halbem Chromosomensatz.
  • Die sich in der Anaphase II trennenden Chromatiden sind im Gegensatz zur normalen Mitose nicht genetisch gleich, da während der Meiose I Austauschvorgänge (Crossingover) stattgefunden haben.
Mitose

Die normale Mitose ist auf dieser Seite in allen Einzelheiten dargestellt.

6. Vier Keimzellen

  • Am Ende der Mitose, die auch als 2. Reifeteilung bezeichnet wird, um sie von der "normalen" Mitose abzugrenzen, liegen vier nicht-erbgleiche Zellen vor. Bei der Spermatogenese, also der Bildung der Samenzellen, sind alle vier Zellen gleich groß. Bei der Oogenese, der Bildung der Eizellen, finden sogenannte inäquale Teilungen statt. Eine der beiden Tochterzellen bleibt sehr groß, die andere wird dafür umso kleiner. Eine zweite inäquale Teilung sorgt dann dafür, dass am Ende eine große Eizelle übrig bleibt, die drei anderen Zellen sind sehr klein und werden mehr als "Anhänge" an die Eizelle betrachtet.

Zwei inäquale Teilungen bei der Eizellenbildung
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende

Historisches

Der Ablauf der Meiose war schon Anfang des letzten Jahrhunderts bekannt. Im Strasburger Botanik-Lehrbuch von 1907 ist die Meiose folgendermaßen dargestellt:

Meiose der Pollenmutterzellen der Lilie nach Strasburger 1907
Autor: Strasburger 1907, Lizenz: Public domain.

Das (historisch) Interessante an der Sache ist, dass der Strasburger die einzelnen Phasen der beiden Reifeteilungen sehr genau beschreibt, aber ohne die Fachbegriffe zu verwenden, die heute üblich sind.

Hier zum Vergleich eine moderne Darstellung der Meiose aus der Wikipedia:

Schema der Meiose
Ali Zifan, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Hier die Zuordnung der Meiosephasen zu den Einzelbildern:

  1. Prophase I
  2. Metaphase I
  3. Anaphase I
  4. Telophase I
  5. Prophase II
  6. Metaphase II
  7. Anaphase II
  8. Telophase II

Quellen:

  1. Kadereit , Körner, Nick, Sonnewald: Strasburger - Lehrbuch der Pflanzenwissenschaften, 38. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2021.
  2. Alberts, Bruce et al. Molekularbiologie der Zelle, 6. Auflage, Weinheim 2017.
  3. Wikipedia, Artikel "Meiose"