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Vererbung der Blutgruppen: AB0-System

Mendel - Chromosomen/Mitose/Meiose - Crossing over - Blutgruppen - Hautfarben

Das ABO-System

Um Verwirrungen zu vermeiden werden im folgenden Text die Phänotypen blau geschrieben und die Genotypen rot.

Das bekannteste Blutgruppensystem dürfte das ABO-System sein mit den vier Blutgruppen A, B, AB und 0. Für die Blutgruppen ist nur ein Gen verantwortlich, das allerdings nicht in zwei, sondern in drei Allelen vorliegt, die als A, B und o (null) bezeichnet werden.

Wie kommen nun die vier phänotypischen Blutgruppen A, B, AB und 0 zustande?

  1. Genotyp AA = Blutgruppe A
  2. Genotyp Ao = Blutgruppe A
  3. Genotyp BB = Blutgruppe B
  4. Genotyp Bo = Blutgruppe B
  5. Genotyp AB = Blutgruppe AB
  6. Genotyp oo = Blutgruppe 0

An dieser Auflistung kann man schnell erkennen, welche Dominanzverhältnisse bei dem Erbgang herrschen:

  • A ist dominant über o
  • B ist dominant über o
  • A und B sind gleichwertig (codominant)

Man kann auch kürzer schreiben: A = B > o

Blutgruppen und Verwandtschaft

Für den Phänotyp A können die beiden Genotypen AA und Ao verantwortlich sein, für den Phänotyp B die beiden Genotypen BB und Bo. Wenn ein Mann also die Blutgruppe A hat, weiß er nicht, ob er homozygot AA oder heterozygot Ao ist, beides ist möglich. Es sei denn, er hat ein Kind mit der Blutgruppe B . Dann muss er den Genotyp Ao haben, während die Mutter des Kindes den Genotyp BB oder Bo haben muss. Sollte das Paar ein zweites Kind bekommen, das dann die Blutgruppe 0 hat, so steht auch der Genotyp der Mutter fest, nämlich Bo .

Erst die Kinder geben Aufschluss über den Genotyp der Eltern
Autor: Ulrich Helmich 2013, Lizenz: siehe Seitenende

Die Blutgruppen-Antigene

Wer oder was verursacht eigentlich die verschiedenen Blutgruppen des Menschen?

Schauen wir uns dazu die Erythrocyten an, die roten Blutkörperchen. Erythrocyten sind ganz einfach aufgebaute Zellen. Im Grunde handelt es sich um "Beutel" mit etwas Zellplasma und viel Hämoglobin (roter Blutfarbstoff), die noch nicht einmal einen Zellkern enthalten.

Die Membran der Erythrocyten enthält Glycoproteine und Glycolipide, also Proteine und Lipide, die mit Zuckermolekülen verbunden sind. Zwei dieser Glycolipide sind für die Allele A und B verantwortlich.

Interessanterweise sind diese beiden Glycolipide eng miteinander verwandt, sie haben einen gemeinsamen Vorgänger. Säuglinge haben auf ihren roten Blutkörperchen nur das sogenannte H-Antigen. Das ist ein Lipid oder Protein, das mit fünf Zuckermolekülen verbunden ist:

Der Aufbau des H-Antigens
Autor: Ulrich Helmich 2014, Lizenz: siehe Seitenende

Aus diesem "Baby-Antigen" können sich dann die "richtigen" Blutgruppen-Antigene entwickeln:

Bildung der Blutgruppen-Antigene
Autor: Ulrich Helmich 2014, Lizenz: siehe Seitenende

  • Menschen mit der Blutgruppe A produzieren ein Enzym, welches einen N-Acetylglucosamin-Baustein an die Galactose-Einheit des H-Antigens hängt. Es entsteht dann das Antigen der Blutgruppe A .
  • Menschen mit der Blutgruppe B produzieren eine alternative Form dieses Enzyms, die einen weiteren Galactose-Baustein an die Galactose-Einheit des H-Antigens hängt. Auf diese Weise entsteht dann das Antigen der Blutgruppe B .
  • Menschen der Blutgruppe 0 produzieren weder das A-Enzym noch das B-Enzym, bei ihnen wird also kein weiterer Baustein mehr an das H-Antigen gehängt.
  • Bei Menschen der Blutgruppe AB werden beide Enzyme gebildet, und beide Antigene, sowohl das A-Antigen wie auch das B-Antigen, werden in die Zellmembran der roten Blutkörperchen eingebaut.
Für Experten

Die Darstellung oben ist nicht ganz korrekt, Säuglinge haben schon aktive Glycosyltransferasen (im entsprechenden Subtyp ihrer AB0-Blutgruppe), die die nötigen Zuckerreste an das H-Antigen koppeln. Säuglinge entwickeln allerdings erst im Laufe ihres ersten Lebensjahres die entsprechenden Antikörper gegen AB-Merkmale.

Die Blutgruppen-Antikörper

Warum sind nun die Blutgruppen überhaupt so interessant? Wichtig sind die Blutgruppen bekanntlich bei Blutspenden. Ein Mensch mit der Blutgruppe A darf kein Blut der Blutgruppe B übertragen bekommen, weil das Blut dann verklumpt, was in der Regel tödlich ist. Verantwortlich für die Verklumpung sind die Antikörper, die jeder in seinem Blutplasma trägt.

Ein Mensch mit der Blutgruppe A hat natürlich keine Antikörper gegen seine A-Antigene, wohl aber Antikörper gegen die B-Antigene. Hätte er Antikörper gegen seine eigenen Antigene, würde sein Blut sofort anfangen, zu verklumpen.

Landsteiners Versuche mit verschiedenen Blutgruppen
Autor: Ulrich Helmich 2014, Lizenz: siehe Seitenende

Landsteiners Experimente (1900) sowie die Erklärung für die Ergebnisse
Autor: Ulrich Helmich 2014, Lizenz: siehe Seitenende

Die obere Abbildung zeigt, wann es bei einer Bluttransfusion zu einer Verklumpung kommen kann. Die untere Abbildung liefert die Erklärung für dieses Verhalten.

Ein Mensch mit der Blutgruppe A ist schwer verletzt und bekommt jetzt Blut der Blutgruppe 0. In dem Plasma des 0-Spenderblutes sind Antikörper gegen A-Antigene und auch Antikörper gegen B-Antigene enthalten. Was bei einer Blutübertragung passiert, zeigt nun das nächste Bild.

Blut der Blutgruppe A wird mit Plasma der Blutgruppe 0 gemischt
Autor: Ulrich Helmich 2014, Lizenz: siehe Seitenende

Die A-Antikörper im 0-Plasma setzen sich an die A-Antigene auf den Erythrocyten des A-Blutes und führen so zu einer Verklumpung desselben. Auch ein Mensch mit der Blutgruppe B dürfte sich über eine 0-Blutspende nicht freuen, denn die im 0-Plasma vorhandenen B-Antikörper würden zu einer Verklumpung der B-Erythrocyten führen.

Ein typischer Erbgang

Exemplarisch wollen wir hier einen typischen Erbgang betrachten.

Vererbung des ABO-Systems am Beispiel eines anderen A-Vaters und einer B-Mutter
Autor: Ulrich Helmich 2014, Lizenz: siehe Seitenende

Einige meiner Schüler meinen dann immer, dass die Eltern genau vier Kinder haben müssen, eins mit der Blutgruppe AB, eins mit der Blutgruppe A, eins mit der Blutgruppe B und eins mit der Blutgruppe 0. Das ist natürlich völliger Unsinn, denn das Erbschema zeigt nur a) auf welche Weise diese Eltern zu Kindern mit der Blutgruppe AB, A, B oder 0 kommen, und b) dass jede dieser vier Blutgruppen bei den Kindern gleich wahrscheinlich ist (25%).

Wenn die beiden Eltern also drei Kinder haben, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle drei Kinder die Blutgruppe 0 haben = 1/4 * 1/4 * 1/4 = 1/64. Das liegt aber nicht daran, dass das 0-Allel rezessiv ist. Die Wahrscheinlichkeit, drei Kinder mit der Blutgruppe AB zu bekommen ist nämlich ebenfalls 1/64, obwohl beide Allele dominant gegenüber 0 sind.

Aufgabe

In der Entbindungsstation des Lübbecker Krankenhauses wurden in einer turbulenten Nacht vier Kinder geboren und versehentlich nicht gekennzeichnet. Ihre Blutgruppen konnten aber als A, AB, B und 0 ermittelt werden.

Die entsprechende Untersuchung bei den vier Elternpaaren ergab:

Paar 1: Mann 0, Frau 0
Paar 2: Mann AB, Frau 0
Paar 3: Mann A, Frau B
Paar 4: Mann B, Frau B

Spielen Sie den Gutachter retten Sie das Familienglück der vier betroffenen Familien, indem Sie die Kinder den Elternpaaren zuordnen.

Zuerst ordnet man dem Paar 1 das Kind mit der Blutgruppe 0 zu, denn diese beiden Eltern können auf gar keinen Fall eines der anderen Kinder haben.

Das Paar 2 könnte Kinder der Blutgruppe A oder der Blutgruppe B haben, aber keine Kinder mit der Blutgruppe AB oder der Blutgruppe 0. Ob jetzt das Kind A oder das Kind B zu Paar 2 gehört, kann noch nicht entschieden werden.

Das Paar 3 kann Kinder der Blutgruppe AB haben, aber auch Kinder der Blutgruppe A (wenn der Genotyp der Frau B0 ist) oder Kinder der Blutgruppe B (wenn der Genotyp des Mannes A0 ist).

Das Paar 4 kann Kinder der Blutgruppe B oder 0 haben, dazu müssten beide Eltern aber den Genotyp B0 haben. Da das Kind der Blutgruppe 0 bereits dem Paar 1 zugeordnet ist, bleibt für das Paar 4 nur das Kind mit der Blutgruppe B.

Da das Kind mit der Blutgruppe B nun dem Paar 4 zugeordnet ist, kann das Paar 2 nur das Kind mit der Blutgruppe A haben. Für das Paar 3 bleibt dann das Kind mit der Blutgruppe AB.

Allgemeine Quellen, die über allgemeines Schulbuchwissen hinausgehen:

  1. Jochen Graw: Genetik, 7. Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2021.
  2. Savada, Hillis, Heller, Hacker: Purves Biologie, Springer Verlag Deutschland 2019, 10. Auflage. Herausgegeben von Jürgen Markl.
  3. Wikipedia, Artikel "Blutgruppen"