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Crossingover, Chiasmata

Mendel - Chromosomen/Mitose/Meiose - Crossing over - Blutgruppen - Hautfarben

Paarung der homologen Chromosomen

Der wichtigste Schritt der Meiose ist die Paarung der homologen Chromosomen: Die strukturgleichen Chromosomen väterlicher und mütterlicher Herkunft legen sich während der Metaphase der Meisose nebeneinander und werden dann von den Spindelfasern auseinander gezogen, so dass jede Tochterzelle ein Exemplar eines jeden Chromosoms erhält. Dies ist notwendig für die Reduktion des diploiden Chromosomensatzes der Körperzellen auf den haploiden Chromosomensatz der Keimzellen (Gameten = Samenzellen und Eizellen).

Bei der Paarung der homologen Chromosomen liegen die beiden Chromosom sehr eng zusammen, verschiedene Proteine vermitteln diese Paarung. Beim Auseinanderziehen der gepaarten Chromosomen kommt es gelegentlich vor, dass die mechanisch nicht besonders stabilen DNA/Histon-Komplexe an bestimmten Stellen zerbrechen und dann wieder - durch die Tätigkeit bestimmter Enzyme - "zusammengeklebt" werden.

Im Lichtmikroskop sehen kann man diese als Crossingover bezeichneten Phänomene nicht, da sie sich auf molekularer Ebene abspielen. Was man allerdings im Lichtmikroskop während der späten Metaphase und in der Anaphase einer Mitose erkennen kann, sind sogenannte Chiasmata.

Die Original-Zeichnung von Morgan (dem großen Drosophila-Genetik), mit der er 1916 das Phänomen des crossing over erklärt hat.

Kurz nachdem man Anfang des 20. Jahrhunderts im Lichtmikroskop die Vorgänge der Zellteilung, der Mitose und der Meiose entdeckt hatte, fielen den Forschern seltsame Phänomene während der Metaphase und Anaphase der ersten meiotischen Teilung auf. Bei der Paarung der homologen Chromosomen kam es hin und wieder vor, dass sich die homologen Chromosomen X-förmig übereinander legten, so wie es Morgan in seiner Abbildung oben dargestellt hat. Eine solche X-förmige, im Lichtmikroskop sichtbare Struktur bezeichnete man damals als Chiasma (Plural: Chiasmata).

Gleichzeitig machten die klassischen Genetik (wie zum Beispiel auch Morgan) eine interessante Endteckung. Nach den Mendelschen Regeln werden bei einem dihybriden Erbgang die beiden Gene bzw. ihre Allele unabhängig voneinander vererbt.

Erbsenpflanzen mit gelben runden Erbsen und grünen kantigen Erbsen können, wenn man sie kreuzt, auch Nachkommen hervorbringen, die gelbe kantige oder grüne runde Erbsen bekommen. Dies ist eine alte Erkenntnis, die auf Mendel selbst zurückgeht (1866).

Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten dann Genetiker wie Thomas Hunt Morgan (1866-1945), dass manche Erbanlagen oder Gene, wie man sie dann nannte, miteinander gekoppelt sind. Sie werden also nicht unabhängig voneinander vererbt, sondern stets zusammen (gekoppelte Vererbung). Die Chromosomentheorie lieferte dann eine Erklärung für dieses Phänomen: Die beiden Erbanlagen oder Gene befinden sich auf dem selben Chromosom.

Man war nun ganz glücklich, dass man die gekoppelte Vererbung mit Hilfe der Chromosomentheorie erklären konnte, als neue Erkenntnisse wieder alles über den Haufen warfen. Bei Erbanlagen, von denen man inzwischen mit Sicherheit wusste, dass sie auf dem gleichen Chromosom liegen, stellte man wieder eine Entkopplung fest (Kopplungsbruch). Die Gene verhielten sich plötzlich wieder so, als lägen sie auf verschiedenen Chromosomen.

Forscher wie Morgan zählten Eins und Eins zusammen und brachten diese Beobachtungen mit den im Lichtmikroskop sichtbaren Chiasmata in Zusammenhang. Offensichtlich können Chromosomen während der Paarung in der Metaphase der Meiose auseinanderbrechen und dann "falsch" wieder verwachsen - und schon sind Abschnitte des einen Chromosoms auf das homologe Chromosom "gewandert" und umgekehrt.

Eine Bestätigung fand diese Theorie, als man feststellte, dass eng benachbarte Gene eines Chromosoms mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit ausgetauscht wurden als weit entfernte Gene, die auf einem Chromosom lagen. Je weiter entfernt zwei Gene voneinander auf einem Chromosom liegen, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Bruch zwischen diesen beiden Genen auftritt. Als man dies erkannt hatte, war es relativ leicht, sogenannte Genkarten aufzustellen. Man schaute einfach, wie häufig es bei Kreuzungen zur Entkopplung zweier an sich gekoppelter Gene kommt. Je öfter ein solcher Kopplungsbruch auftrat, desto weiter mussten die Gene auseinander liegen.

Was genau bei einem solchen Chiasma passiert, wusste man aber eine ganze lange Zeit nicht. 1956 erst wurde die Struktur der DNA aufgeklärt, später entdeckte man, dass die DNA im Zellkern mit Histonen assoziiert ist, und danach entdeckte man DNA-Reparatur-Mechanismen und Phänomene wie Crossingover, bei denen DNA-Strangbrüche auftreten, die dann durch bestimmte Reparaturenzyme wieder geschlossen werden. Dabei kann es dann auch zu Crossingover-Prozessen kommen. Diese sind aber keine Fehler in der DNA-Reparatur, sondern durchaus "gewollt".

Rekombination in der Evolutionsbiologie

In der Evolutionsbiologie geht man davon aus, dass es zwei große "Triebkräfte" für die Evolution gibt: Einerseits die große Variationsbreite innerhalb einer Population (Variabilität), andererseits die natürliche Auslese. Die natürliche Auslese sorgt dafür, dass die Individuen, die am besten an die jeweilige Umwelt angepasst sind, mehr Nachkommen haben als die nicht so gut angepassten. Wären alle Individuen einer Population gleich, so könnte die natürliche Auslese nicht greifen. Es gibt genetische Ursachen für diese Variabilität, und die Rekombination von Chromosomen während der Meiose sowie der Austausch von Chromosomenstücken durch Crossingover gehören dazu. Crossingover-Vorgänge sind also keineswegs mit Mutationen vergleichbare Fehler, sondern durchaus gewollte Vorgänge, die die Variablilität während der sexuellen Fortpflanzung deutlich erhöhen.

Allgemeine Quellen, die über allgemeines Schulbuchwissen hinausgehen:

  1. Jochen Graw: Genetik, 7. Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2021.
  2. Alfred Nordheim, Rolf Knippers: Molekulare Genetik, 11. Auflage, Thieme-Verlag Stuttgart 2018.
  3. Rolf Knippers: Eine kurze Geschichte der Genetik, 2. Auflage, Springer-Verlag 2017.
  4. Alberts, Bruce et al. Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie, 5. Auflage, Weinheim 2021.