Algen
Als "Algen" bezeichnet man normalerweise photosynthetisch aktive eukaryotische Lebewesen, die im Salz- oder Süßwasser leben. Die meisten Algen existieren als Einzeller (Protisten), viele Algen bilden aber auch kleine Aggregate aus mehreren Zellen, lange Fäden aus vielen Zellen oder sogar große verzweigte Strukturen, die entfernt an größere Pflanzen erinnern, zum Beispiel die Tange in der Nordsee.
In der Wikipedia (Artikel "Alge") können wir zwar lesen, dass die Algen keine monophyletische Gruppe darstellen, aber streng genommen ist das nicht ganz korrekt - es sei denn, man zählt auch die "Blaualgen" (Cyanobakterien) mit zu den Algen.
Die eukaryotischen Algen sind monophyletisch, denn sie stammen alle von dem gemeinsamen Vorfahren ab, der es vor ca. 1,6 Milliarden Jahren geschafft hat, Cyanobakterien als Endosymbionten aufzunehmen.
Zeittafel
Zur besseren Orientierung betrachten wir hier eine Zeittafel, die ich nach Daten aus dem Buch von Willis, McElwain, The Evolution of Plants [5] erstellt habe:
Zeitraum in Milliarden Jahren |
Ereignis |
4,7 | Entstehung der Erde |
4,2 | LUCA (erste Zelle) |
3,8 | Aufspaltung in Archaeen und Bakterien [10] |
3,7 | Cyanobakterien bilden Stromatolithen |
3,5 | Erster Nachweis des Photosynthese-Enzyms RUBISCO (Calvin-Zyklus zur CO2-Fixierung) |
3,4 | Erfindung der Photosynthese |
2,7 | Archaebakterium nimmt Eubakterium auf, Bildung des Zellkerns* [10] |
2,1 ? | Erster nachgewiesener Eukaryot - Grypania |
2,0 | Endosymbiose eines aeroben Protobakteriums, Bildung von Mitochondrien* [10] |
1,6 ? | Aufnahme eines Cyanobakteriums, Bildung von Chloroplasten* |
1,2 | Erste nachgewiesene Rotalge - Bangia |
0,8 | Erste Hinweise für mehrzellige grüne Algen - Cladophora |
0,75 | Chlorophyta (Grünalgen) breiten sich aus |
*Diese Daten beziehen sich auf das in [5] erwähnte und in [10 näher erklärte] "two-merger-model" von Baldauf (2003) und Bhattacharya (2009), nachdem zunächst der Zellkern durch Aufnahme eines Eubakteriums entstand, dann die Mitochondrien und schließlich die Chloroplasten. Das alternative "one-merger-model" nimmt an, dass der Zellkern und die Mitochondrien zeitgleich entstanden sind.
Auf die Bildung der Chloroplasten gehen diese beiden Modelle nicht näher ein, weil die Chloroplasten erst lange nach der Herausbildung der Eukaryoten entstanden sind.
Die einzelnen Daten widersprechen sich teilweise. So soll einerseits die Bildung der Chloroplasten erst vor 1,6 Milliarden Jahren begonnen haben, die erste Alge soll aber schon 2,1 Milliarden Jahre alt sein.
In dem Buch [5] werden drei Algen-Arten besonders hervorgehoben, die 2,1 Milliarden Jahre alte Grypania, die 1,2 Milliarden Jahre alte Rotalge Bangia und die 0,8 Milliarden Jahre alte Grünalge Cladophora.
Bevor wir uns aber näher mit diesen drei Arten beschäftigen, sollten wir uns noch einmal das System der Algen klar machen, das an anderer Stelle auf dieser Homepage ausführlich erläutert wird.
Archaeplastida
Der Begriff "Algen" ist kein wissenschaftlicher Fachausdruck, sondern beschreibt im Grunde eine Organisationsform oder Lebensweise. Wissenschaftlich korrekter wäre die Bezeichnung "Archaeplastida".
Die Archaeplastida sind ein Taxon, das die drei Gruppen der Glaucophyta, Rhodophyta (Rotalgen) und Chloroplastida (Grünalgen und grüne Landpflanzen) umfasst. Gemeinsam ist diesen drei Gruppen der Besitz von photosynthetisch aktiven Plastiden. Diese Plastiden betreiben nicht nur Photosynthese, sondern können das Photosyntheseprodukt Glucose auch in Form von Stärke speichern.
Ein weiteres gemeinsames Merkmal ist der Besitz einer Zellwand, die hauptsächlich aus Cellulose besteht.
Hier geht es zur Seite über die Archaeplastida in der Systematik-Abteilung auf der Botanik-Homepage.
Wir wollen uns nun die drei Gruppen von Archaeplastida kurz anschauen, damit wir anschließend die in dem Buch von Willis und McElwain genannten fossilen Arten besser einordnen können.
Glaucophyta
Die Glaucophyta (einen deutschen Namen hierfür gibt es leider nicht) sind eine kleine Gruppe von einzelligen Algen. Laut Strasburger enthält die Gruppe der Glaucophyta mindestens 13 Arten in vier Gattungen [4].
Die Vertreter dieser Gruppe der Algen kommen im Phytoplankton des Süßwassers vor. Obwohl die Glaucophyta einzellige Algen sind, kann es doch vorkommen, dass mehrere solcher Zellen von einer gemeinsamen Gallerte umschlossen sind.
Es gibt sowohl einzellige wie auch mehrzellige Arten. Bei den mehrzelligen Arten sind die Zellen jedoch nicht differenziert, sondern sehen alle gleich aus.
Eine sexuelle Fortpflanzung der Glaucophyta ist bisher nicht bekannt, es können aber begeißelte Sporen gebildet werden. Die wichtigste Vermehrungsart ist jedoch die Zellteilung [2].
Rhodophyta
Die Rotalgen, wie die Rhodophyta im Deutschen genannt werden, sind eine große Gruppe von Algen.
Die Rotalgen sind meistens mehrzellig bis vielzellig, und sie kommen überwiegend im Salzwasser vor, nur ganz selten im Süßwasser. Manche Rotalgen sind so komplex aufgebaut, dass sie auf den ersten Blick wie "richtige" Pflanzen aussehen mit Wurzeln, Stängeln und Blättern.
Chloroplastida
Dieses Taxon der Archaeplastida vereinigt die sogenannten Grünalgen und die bekannten Landpflanzen, also Moose, Farne und Samenpflanzen.
Im aktuellen Strasburger werden die Chloroplastida als Chlorobionta bezeichnet.

Das System der Chlorobionta nach Strasburger, stark vereinfacht.
Graphik: Ulrich Helmich 04/2023, Lizenz: Public domain
Nach diesem System, das auch an vielen deutschen Universitäten gelehrt wird, werden die Chlorobionta in die Streptophyta und die Chlorophyta eingeteilt.
Zu den Chlorophyta gehören dann die bekannten Chlorophyceen, die auch als Grünalgen bekannt sind. Aber auch viele andere Algengruppen gehören zu diesem Taxon.
Die Streptophyta umfassen ebenfalls viele Gruppen von Algen, am interessantesten sind hier natürlich die Embryophyta, gemeinhin bekannt als Landpflanzen (Moose, Farne, Samenpflanzen).
Auf dieser Seite in der Pflanzensystematik-Abteilung erfahren Sie mehr über dieses wichtige Taxon.
Kommen wir nun zu den im Buch von Willis und McElwain genannten fossilen drei Arten.
Grypania
Die ältesten bekannten fossilen Überreste von Eukaryoten sind ca. 2,1 Milliarden Jahre alt. Es handelt sich um die Grünalge Grypania, deren fossile Spuren 1992 in Nord-Michigan entdeckt wurden[5].
"As Grypania appears to have been a photosynthetic alga, this discovery places the origin of organelle-bearing eukaryotic cells prior to 2.1 billion years ago." [7].
Grypania hatte eine zylindrische Form von 50 cm Länge und 2 mm Durchmesser. Ihr Aussehen erinnert fern an die einzellige Riesenalge Acetabularia, eine photosynthetisch aktive Grünalge [5].
Nach einigen Modellen der Endosymbiose fand die Aufnahme von Cyanobakterien in eine Archaeenzelle aber erst vor 1,6 Milliarden Jahren statt. Entweder ist diese Aussage falsch, oder das Alter von Grypania wurde falsch bestimmt, oder Gypania war gar keine Alge, sondern doch ein großer, mehrzelliger Prokaryot, wie einige Forscher, Forscherinnen und Forschende annehmen.
Bangia
Die fossilen Spuren dieser Rotalge - Vertreter der Gattung Bangia leben heute noch - sind ca. 1,2 Milliarden Jahre alt. Die gefundenen Fossilien waren so gut erhalten, dass man Quer- und Längsschnitte an ihnen durchführen konnte. Dabei zeigte sich, dass die Vertreter der Gattung bis zu 2 cm lange Fäden mit einem Durchmesser von 15 bis 45 µm bilden - ähnlich wie rezente Arten dieser Gattung [5]. Die Pflanzen halten sich mit wurzelartigen Rhizoiden am Boden des Meeres fest.
Die Chloroplasten dieser Rotalgen enthalten Chlorophyll a und manchmal auch Chlorophyll d, außerdem akzessorische Pigmente wie Phycobilin und Xantophyll und das rote Pigment Phycoerythrin, welches den Algen die typische rotbraune Farbe verleiht [8].
Cladophora
Bei dieser fossilen Alge handelt es sich um eine mehrzellige Grünalge, die schon vor 800 bis 700 Millionen Jahren gelebt hat - und heute noch existiert. Systematisch wird Cladophora den Chlorophyten zugeordnet, den Grünalgen also. Aus den Grünalgen sind dann die Landpflanzen hervorgegangen, also die Moose, Farne und Samenpflanzen. Daher haben die Grünalgen eine besondere Bedeutung bei der Evolution der Pflanzen.

Cladophora spec.
Kristian Peters http://www.korseby.net/outer/flora/algae/index.html, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
"Cladophora ist eine Grünalgen-Gattung aus der Klasse der Ulvophyceae mit weltweiter Verbreitung. Viele Arten neigen zur Massenvermehrung bei menschengemachter Eutrophierung von Gewässern, sie können dann ökonomische und ökologische Probleme verursachen. Die artenreiche Gattung umfasst im Meer, im Süßwasser und in Brackwasser verbreitete Arten." [9]
Evolution der Grünalgen
Grünalgen
Grünalgen oder Chlorophyta sind eine Gruppe von Algen, die in vielen verschiedenen Lebensräumen wie Süßwasser, Salzwasser und auf Landflächen vorkommen. Nicht nur ökologisch, auch physiologisch und morphologisch unterscheiden sich die einzelnen Taxa der Chlorophyta sehr stark. Es gibt viele einzellige Arten, aber auch mehrzellige Kolonien bildende und vielzellige Arten.
Grünalgen sind wichtig für die Ökosysteme, in denen sie leben, weil sie als Produzenten sowohl Nährstoffe wie auch Sauerstoff produzieren. Einige Grünalgen sind auch als Nahrungsmittel und in der Biotechnologie von Interesse.
Grünalgen zeichnen sich durch bestimmte gemeinsame Merkmale aus, die sie von anderen Algengruppen abheben. Die wichtigsten dieser gemeinsamen Merkmale sind:
- Chloroplasten: Grünalgen haben die gleichen Chloroplasten wie die Landpflanzen, sie enthalten Chlorophyll a und b und andere Pigmente.
- Zellwand: Während die Zellwände der Landpflanzen überwiegend aus Cellulose bestehen, haben Grünalgen unterschiedlich zusammengesetzte Zellwände, nur einige Grünalgen haben ebenfalls Cellulosewände wie die Landpflanzen.
- Speicherung von Stärke: Grünalgen speichern überschüssige Energie in Form von Stärke, ähnlich wie bei höheren Pflanzen.
- Fortpflanzung: Grünalgen können sich asexuell oder sexuell vermehren. Bei der sexuellen Fortpflanzung treten meistens begeißelte Gameten auf, die einzelligen Grünalgen ähneln. Bei der sexuellen Fortpflanzung findet oft ein heterophasischer Generationswechsel statt, bei dem sich haploide Stadien mit diploiden abwechseln.
- Lebensraum: Grünalgen kommen in vielen verschiedenen Lebensräumen vor, vor allem im Süßwasser (90%), aber auch im Salzwasser und auf Landflächen. Auch auf Bäumen und anderen Oberflächen kann man Grünalgen finden.
- Form und Größe: Die Größe und Form der Grünalgen variiert erheblich, von einzelligen Arten bis hin zu vielzelligen Thalli.
Die stammesgeschichtlichen Beziehungen zwischen den wichtigsten Landpflanzen-Gruppen wurden gut untersucht und sind heute relativ gut geklärt.
Bei den Chlorophyten sieht das jedoch anders aus. Zwar hat man in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Aufklärung der Verwandtschaftsbeziehungen gemacht, aber es gibt immer noch viele offene Fragen.
Die besten Fortschritte erwartet man von genomischen Untersuchungen der Chloroplasten-DNA und -RNA [11].
Die Evolution der Grünalgen begann im mittleren und im jungen Proterozoikum (siehe Neoproterozoikum), also in einem Zeitraum zwischen 1,0 und 0,7 Milliarden Jahren vor unserer Zeit. Einzellige Prasinophyten passten sich an verschiedene Lebensräume des Ozeans, der Küstengewässer und sogar an feuchte terrestrische Biotope an und durchliefen dabei eine adaptive Radiation.
Aber wie bereits gesagt, die Evolution der Grünalgen ist noch ein Buch mit vielen Rätseln. Es gibt inzwischen zwar jede Menge genetischer Daten mit diversen DNA- und RNA-Stammbäumen, aber teils widersprechen sich die Ergebnisse, teils sind noch sehr viele Unklarheiten zu klären. Über die Selektionsbedingungen, die zur Entstehung der verschiedenen Taxa geführt haben, gibt es so gut wie keine Informationen.
Quellen:
- Urry, Cain, Wassermann, Minorsky, Reece. Campbell Biologie, Hallbergmoos 2019, 11.Auflage.
- Gemeinholzer, Birgit, Systematik der Pflanzen kompakt, Springer Spektrum 2018.
- Niklas. Plant Evolution: An Introduction to the History of Life. The University of Chicago Press, 2016.
- Kadereit , Körner, Nick, Sonnewald: Strasburger - Lehrbuch der Pflanzenwissenschaften, 38. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2021.
- Willis, McElwain. The Evolution of Plants, Oxford 2014
- engl. Wikipedia, Artikel "Grypania".
- Han, Runnegar. "Megascopic eukaryotic algae from the 2.1-billion-year-old negaunee iron-formation, Michigan". Science 1992.
- engl. Wikipedia, Artikel "Bangia"
- Wikipedia, Artikel "Cladophora"
- Hedges, Kumar. The Timetree of Life, Oxford 2009.
- Fang et al., "Evolution of the Chlorophyta: Insights from chloroplast phylogenomic analyses". JSE 14.03.2017