Helmichs Biologie-Lexikon

Rhodophyta (Rotalgen)

Die Rhodophyta oder Rotalgen sind eine große Gruppe von Algen, die zu den Archaeoplastida gehören, zusammen mit den Glaucophyta und den grünen Pflanzen.

A-D : Chondrus crispus, E-F : Mastocarpus stellatus
Franz Eugen Köhler, Köhler's Medizinal-Pflanzen, Public domain, via Wikimedia Commons

Es gibt ungefähr 500 Gattungen der Rotalgen mit 5000 bis 6000 Arten, das ist deutlich mehr als bei der Schwestergruppe der Glaucophyta (25 oder 26 Arten), aber deutlich weniger als bei den grünen Pflanzen.

Organisation, Lebensweise

Die Rotalgen sind meistens mehrzellig bis vielzellig, und sie kommen überwiegend im Salzwasser vor, nur ganz selten im Süßwasser. Manche Rotalgen sind so komplex aufgebaut, dass sie auf den ersten Blick wie "richtige" Pflanzen aussehen mit Wurzeln, Stängeln und Blättern. Hier handelt es sich natürlich nicht um Homologien, sondern um Analogien, mit denen sich die Rotalgen an ihre Umwelt angepasst haben. Manche Rotalgen haben extrem verkalkte Zellwände, so dass sie große skelettartige Strukturen bilden können. Auf diese Weise sind Rotalgen an der Bildung von Riffen beteiligt.

Porphyra purpurea, aus der Ordnung der Bangiales
Gabriele Kothe-Heinrich, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Hier sehen wir eine Porphyra purpurea, die auch als "Purpurblatt" oder "Roter Purpurtang" bezeichnet wird. Die vielzellige Alge sieht auf den ersten Blick aus wie das Herbstblatt eines Baumes.

Bedeutung

Für den Menschen sind die Rotalgen durchaus von Bedeutung. Verkalkte Rotalgen werden beispielsweise zu Dünger zermahlen (Algenkalk), und die Verbindungen Carragen und Agar werden aus Rotalgen gewonnen. Agar wird in der Biologie häufig eingesetzt, zum Beispiel als Nährmedium für Bakterien, als Elektrophoresegel etc. In Japan gilt Agar sogar als Delikatesse, und in Europa wird Agar als Verdickungsmittel in Lebensmitteln eingesetzt (E 406). Carragen dient als Geliermittel in Marmeladen, Saucen und so weiter. Auch in Speiseeis und Zahnpasta ist Carragen enthalten.

Plastiden und Photosynthese

Die Plastiden der Rotalgen haben ebenso wie die Plastiden der Glaucophyta eine sehr große Ähnlichkeit mit Cyanobakterien (Blaualgen). Zwischen den beiden Membranen dieser Cyanellen befindet sich nämlich eine dünne Schicht aus Peptidoglycanen [3], Verbindungen aus Peptiden und kurzen Oligosacchariden. Eine solche Schicht ist typisch für Cyanobakterien (Blaualgen). Allerdings haben die Cyanellen schon einen Großteil ihrer DNA an den Zellkern der Rhodophyten-Zelle abgegeben.

Die Thylakoide der Plastiden sind nicht wie bei höheren Pflanzen in Stapeln organisiert ("Geldrollen"), sondern liegen mehr oder weniger frei im Stroma vor (Stromathylakoide). Der Grund dafür sind die Phycobilisomen, die sich auf der äußeren Oberfläche der Thylakoide befinden. Wären die Thylakoide geldrollenartig gestapelt wie bei den höheren Pflanzen, hätten die Phycobilisomen keinen Platz mehr.

Phycobilisomen

Mehr zu diesem Thema finden Sie in dem Lexikon-Artikel auf dieser Homepage.

Die Phycobilisomen dienen als Lichtsammelkomplexe [1, 2]. Ihre Pigmente absorbieren Licht im gelb-grünen Wellenlängenbereich, so dass die Rotalgen auch in größeren Wassertiefen vorkommen können, in die langwelliges rotes Licht nicht mehr vordringt. Die rote Farbe der Rotalgen ist hauptsächlich auf die Pigmente der Phycobilisomen zurückzuführen.

Von den Antennenpigmenten der Phycobilisomen gelangt die Lichtenergie dann weitgehend verlustfrei (ca. 95% Wirkungsgrad) zu den eigentlichen Reaktionszentren der Photosynthese in der Membran der Thyalkoide. In diesen Reaktionszentren finden sich nur Chlorophyll a sowie einige Carotinoide, nicht aber andere Chlorophyll-Typen wie bei den grünen Pflanzen.

Das Hauptprodukt der Photosynthese ist wie bei den höheren Pflanzen Glucose, allerdings wird die Glucose nicht in den Plastiden in Florideenstärke umgewandelt und dort gespeichert, sondern im Cytoplasma der Zellen [4]. Florideenstärke ist ein alpha-Glucose-Polymer ähnlich wie Stärke, der Verzweigungsgrad der Florideenstärke liegt zwischen dem Verzweigungsgrad von Amylopectin und Glycogen [1].

Vermehrung

Die Vermehrung der Rhodophyta kann asexuell durch Sporen erfolgen, oft aber auch sexuell. Die sexuelle Vermehrung ist schon recht "fortschrittlich", da die weiblichen Gameten nicht mehr einfach ins Wasser abgegeben werden, sondern als Oocyten auf der Pflanze verbleiben, dort von den männlichen beweglichen Spermatozoiden befruchtet werden und dann von der Mutterpflanze mit Nährstoffen versorgt werden.

Bei Rotalgen aus der Klasse Florideophyceae findet ein ziemlich komplexer Generationswechsel statt. Ein "normaler" Generationswechsel, wie wir ihn von Moosen und Farnen kennen, besteht aus zwei Generationen, einer haploiden und einer diploiden, die sich abwechseln. Bei manchen Rotalgen sind aber drei Generationen an diesem Generationswechsel beteiligt. Im Strasburger wird dieser komplexe Generationswechsel in Kapitel 19 näher erklärt [1], auf dieser Webseite beschränken wir uns einfach auf die Erwähnung desselben.

Systematik

Die Systematik der Rotalgen wird zur Zeit intensiv erforscht, ein von allen Autoren anerkanntes einheitliches System gibt es zur Zeit nicht. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Rotalgen überhaupt als eigenes Taxon anerkannt (Klasse Rhodophyceae), diese Klasse wurde Anfang des 20. Jahrhunderts dann zur Abteilung Rhodophyta hochgestuft, mit den beiden Hauptgruppen Florideophyceae und Bangiophyceae.

äußere Systematik

Mögliche Verwandtschaftsverhältnisse der Archaeplastida
Autor: James H. Leebens-Mack et al., Quelle: Nature 574 [2] Lizenz: Creative Commons Attribution 4.0 International License

Hier sehen wir eine aktuelle Darstellung der äußeren Systematik der Rotalgen. Die höchste Wahrscheinlichkeit hat das Kladogramm A. Demnach sind die Glaucophyta die Schwestergruppe der grünen Pflanzen (Grünalgen + Landpflanzen), und die Rotalgen wiederum sind die Schwestergruppe dieser beiden Gruppen. Evolutionsbiologisch gesehen sind die Rotalgen also älter als die Glaucophyta und die grünen Pflanzen.

innere Systematik

Durch die Analyse von DNA-Stammbäumen erhält man heute ein feiner gegliedertes Bild der Rhodophyta, bei dem man auf Rangstufen wie Abteilung oder Klasse verzichtet, weil es in dem phylogenetischen Stammbaum zu viele Hierarchiestufen gibt. Neben dieser ranglosen Klassifikation (siehe Wikipedia-Artikel zur Systematik) existiert aber auch weiterhin eine "klassische" Einteilung der Rotalgen in Unterabteilungen und Klassen [2].

Eukaryoten mit Rotalgen als Endosymbionten

Wie kann es sein, dass manche Algen Chloroplasten besitzen, die nicht von zwei Membranen umgeben sind, sondern von drei oder vier Membranen? Die Existenz von zwei Membranen kann ja mit der Endosymbionten-Theorie leicht erklärt werden. Die innere Membran ist die ursprüngliche Zellmembran das Cyanobakteriums, die äußere Membran stammt von der Membran des Phagocytose-Vesikels, mit dem der Ur-Eukaryot dieses Cyanobakterium "verschluckt" hat. Chemische Analysen bestätigen, dass die innere Membran der Chloroplasten ähnlich zusammengesetzt ist wie die Membran der Cyanobakterien (Blaualgen).

Das Vorhandensein von drei umgrenzenden Membranen wird mit einer erneuten Endosymbiose erklärt. Nur dieses Mal haben die eukaryotischen Zellen keine Blaualgen phagocytiert, sondern Rotalgen. Die nicht benötigten Komponenten der Rotalge wurden abgebaut, und der oder die Chloroplasten (mit zwei Membranen umgeben) sind dann von der Membran des Phagocytose-Versikels (dritte Membran) umgeben.

Bei vier Gruppen von eukaryotischen Algen findet man Rotalgen als Endosymbionten: bei den Cryptophten, den Haptophyten, den Dinophyten und den photoautotrophen Heterokontophyten. Auf diese Gruppen von eukaryotischen Algen soll und kann auf dieser Webseite aber nicht näher eingegangen werden.

Rotalgen

Bevor ich jetzt den ganzen Wikipedia-Artikel abschreibe, möchte ich lieber auf diesen sehr ausführlichen und reich bebilderten Artikel verweisen, der sehr zu empfehlen ist.

Phylogenic relationsships of the 'golden algae'

Wer ganz genau wissen will, wie es mit der Verwandtschaft der verschiedenen eukaryotischen Algentypen aussieht, sollte sich diese Original-Arbeit von Medlin et al. aus dem Jahre 1997 ansehen. Die lange PDF-Datei enthält jede Menge DNA-Stammbäume dieser Algen. Nur für absolute Profis, also für Leute, die gerade ihre Master- oder sogar Doktorarbeit auf diesem Gebiet schreiben.

Quellen:

  1. Kadereit , Körner, Nick, Sonnewald: Strasburger - Lehrbuch der Pflanzenwissenschaften, 38. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2021.
  2. Wikipedia, Rotalgen
  3. engl. Wikipedia, Artikel "Red algae"
  4. Gemeinholzer, Birgit, Systematik der Pflanzen kompakt, Springer Spektrum 2018.