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Beeinflussung der Tertiärstruktur

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Änderungen des pH-Wertes

Trypsin ist ein Enzym des Dünndarms, das bei einem pH-Wert zwischen 8 und 9 am besten arbeitet [1], also im alkalischen Bereich. Bei einem pH-Wert von 1 bis 4 arbeitet Trypsin nicht mehr optimal, ebenso bei einem zu alkalischen pH-Wert von 12 oder 13. Man kann also sagen, dass Trypsin ein pH-Optimum im Bereich 8 bis 9 hat.

Pepsin dagegen ist ein Enzym des Magens, das sein pH-Optimum im Bereich zwischen 1 und 4 hat, also im schon stark sauren Bereich [2]. Bei einem pH-Wert von 6 oder höher stellt das Enzym seine Funktion ein.

Beide Enzyme sind also in ihrer Aktivität pH-abhängig. Wie kann man dieses Phänomen erklären?

Enzyme sind nichts anderes als Proteine mit katalytischen Fähigkeiten, also Proteine, die bestimmte Stoffwechselreaktionen beschleunigen. Ein Enzym hat eine bestimmte Region, das so genannte aktive Zentrum. In dieses aktive Zentrum setzt sich nun nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip ein bestimmter Stoff, der von dem Enzym verändert werden soll. Trypsin und Pepsin beispielsweise bauen Proteine ab, zerlegen Proteine also in kleinere Peptide. Diejenigen Stoffe, die nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip in das aktive Zentrum eines Enzyms passen und von dem Enzym dann auch verändert werden, bezeichnet man allgemein als Substrate.

Wenn sich nun das aktive Zentrum aus irgendeinem Grund strukturell verändert, dann passt das Schloss nicht mehr zum Schlüssel, und das Enzym kann nicht mehr so gut arbeiten oder stellt seine Arbeit sogar ganz ein.

Zugabe einer Säure
Beschreibung siehe folgenden Text

Veränderung der Tertiärstruktur durch Zugabe einer Säure
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Das Bild oben hat natürlich nur Modellcharakter; richtige Enzyme sind wesentlich komplexer aufgebaut als das Peptid in der Abbildung. Links sehen wir das "Enzym" in seiner arbeitsfähigen Version. Die Tertiärstruktur des Peptids wird durch eine elektrostatische Bindung zusammengehalten.

Nun geben wir eine Säure in das Medium, in dem sich das Enzym befindet. Zugabe einer Säure heißt immer: Erhöhung der Protonenkonzentration.

Die positiv geladene Aminogruppe des Peptids hat bereits ein Proton aufgenommen, hier passiert also nichts weiter.

Die negativ geladene Carboxylatgruppe dagegen kann jetzt ein Proton von der zugefügten Säure aufnehmen und verliert damit ihre negative Ladung.

Nun fehlt der positiven Ladung der Aminogruppe der negativ geladene Partner. Die elektrostatische Bindung löst sich auf, und das Protein verändert seine Tertiärstruktur. Diese Veränderung kann sich auch auf die Struktur des aktiven Zentrums eines Enzyms auswirken, so dass das Substrat nicht mehr nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip hineinpasst. Die Enzymaktivität geht stark zurück oder sinkt sogar auf den Wert Null.

Zugabe einer Lauge

Wenn wir eine Lauge wie NaOH zu unserer Lösung mit dem Enzym geben, passiert im Prinzip das Gleiche wie bei der Zugabe einer Säure. Auch hier ändert sich die Tertiärstruktur des Enzyms und das Enzym kann nicht mehr korrekt arbeiten.

Zugabe einer Lauge zu einem Enzym
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Die Lauge NaOH (Natronlauge) ist zwar selbst keine Base, enthält aber eine Base, nämlich die Hydroxid-Ionen OH-. Diese Hydroxid-Ionen "ziehen" nun Protonen aus dem Protein heraus, vor allem natürlich die leicht abtrennbaren Protonen der NH3+-Gruppen.

Aus den positiven Seitenketten der basischen Aminosäuren wie Arginin oder Lysin werden nun neutrale Seitenketten. Den negativ geladenen Carboxylatgruppen der sauren Aminosäuren wie Glutaminsäure fehlt nun der positive Bindungspartner, und die Tertiärstruktur wird nicht mehr an dieser Stelle zusammengehalten. Das kann sich auch auf das aktive Zentrum des Enzyms auswirken, so dass das Schlüssel-Schloss-Prinzip nicht mehr greift. Die Aktivität des Enzyms sinkt.

Änderungen der Temperatur

Erniedrigt man die Temperatur, so sinkt die Aktivität eines Enzyms gemäß der RGT-Regel. Diese Reaktionsgeschwindigkeits-Temperatur-Regel besagt, dass sich die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion um das Doppelt erhöht, wenn sich die Temperatur um 10 Grad Celsius erhöht. Das ist natürlich nur eine grobe Faustregel, kann aber fast immer auf biochemische Reaktionen angewandt werden. Diese RGT-Regel gilt natürlich auch dann, wenn man die Temperatur absenkt. Vermindert man die Temperatur um 10 Grad Celsius, so halbiert sich die Reaktionsgeschwindigkeit entsprechend.

Die Tertiärstruktur eines Enzyms ändert sich allerdings nicht, wenn man die Temperatur absenkt, die verringerte Enzymaktivität ist einzig und allein auf die RGT-Regel zurück zu führen.

Wenn man die Temperatur erhöht, greift zunächst auch die RGT-Regel. Die Enzymaktivität erhöht sich. Das geht aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Irgendwann ist es so warm, dass das Enzym instabil wird. Die Atome im Enzym beginnen immer stärker zu schwingen, und irgendwann brechen die Bindungen innerhalb des Proteins auf. Zunächst die schwachen chemischen Bindungen wie hydrophobe Wechselwirkungen, van-der-Waals-Bindungen und so weiter. Bei höheren Temperaturen werden auch die Wasserstoffbrücken-Bindungen instabil. All diese Veränderungen sind aber reversibel. Das heißt, bei einer Absenkung der Temperatur bilden sich diese Bindungen vollständig zurück.

Wird die Temperatur noch weiter erhöht, lösen sich schließlich auch die starken kovalenten Disulfid-Brücken zwischen nicht-benachbarten Cystein-Seitenketten auf. Auch diese Spaltung ist aber reversibel, das heißt, bei Temperaturabsenkung bilden sich neue Disulfidbrücken.

Eine solche Hitze-Denaturierung ist ein alltäglicher Vorgang, den man gut beobachten kann, wenn man ein Hühnerei in die Pfanne schlägt. Das klare Eiweiß wird sofort trübe und fest.

Reduktions- und Oxidationsmittel

Zugabe eines Reduktionsmittels zu einem Peptid
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Auch durch bestimmte chemische Substanzen können Disulfidbrücken geöffnet werden, wie das Bild oben zeigt. Reduktionsmittel "setzen" wieder H-Atome an die S-S-Brücken, so das wieder -SH HS- Gruppen entstehen, zwischen denen keine Bindung mehr besteht.

Disulfid-Brücken und Dauerwellen

Disulfid-Brücken spielen beim Formen der Haare beim Friseur (oder wie sagt man heute - Hairstyler?) eine große Rolle. Die Haare werden zunächst in der gewünschten neuen Form fixiert (Lockenwickler), dann wird ein Reduktionsmittel wie beispielsweise β-Mercaptan oder Thioglycolsäureester dazugegeben [4], so dass sich ca. 25% der Disulfidbrücken in den Strukturproteinen der Haare lösen. Die feuchte Wärme, die während der Behandlung angewandt wird, hilft dabei, sie bricht Wasserstoffbrücken-Bindungen und elektrostatische Anziehungen innerhalb der Proteine auf.

Dann wird das Reduktionsmittel ausgewaschen und ein Oxidationsmittel wie Wasserstoffperoxid oder eine Bromat-Lösung dazugegeben [4]. Es bilden sich neue Disulfidbrücken. Durch diese neuen Disulfid-Brücken bleiben die Haare dann längere Zeit in der neuen Form (Dauerwelle).

Schwermetalle

Schwermetalle bzw. Schwermetall-Ionen (Blei, Quecksilber, Cadmium, Zink) sind bekanntlich bereits in geringen Konzentrationen giftig. Wie kommt das? Schwermetalle hemmen Enzyme irreversibel, das heißt, sie setzen sie auf Dauer außer Kraft.

Bereits Schwermetallkonzentrationen von über 10-5 mol/l vermindern die Aktivität der meisten Enzyme, und eine 100fach höhere Konzentration reduziert die Aktivität auf Null [3].

Wie kann man diese irreversible Hemmung von Enzymen erklären?

Schwermetalle bzw. deren Ionen binden gern an Schwefel-Atome.

Das kennt man ja bereits aus dem Chemieunterricht der Stufe 8, wenn man Kupfer und Schwefel vermischt und im Reagenzglas erhitzt. In der analytischen Chemie werden Schwermetall-Ionen mit Hilfe von Schwefelwasserstoff nachgewiesen, sie bilden dann einen schwerlöslichen Niederschlag von Metallsulfid.

Mit anderen Worten: Schwermetalle oder ihre Ionen zerstören Disulfidbrücken in den Proteinen und verändern somit deren Tertiärstruktur. Auch an negativ geladene Aminosäure-Seitenketten binden bestimmte Schwermetall-Ionen, und zwar irreversibel. Das heißt, das Protein ist auf Dauer außer Kraft gesetzt. Schwermetall-Ionen können aber auch an neutrale -OH, -NH2 oder -COOH-Gruppen binden und diese blockieren [4].

Einige wichtige Proteine enthalten Metall-Ionen in ihrer Mitte. Hämoglobin beispielsweise enthält Eisen-Ionen, Chlorophyll Magnesium-Ionen. Bestimmte Schwermetalle können nun diese Ionen aus dem Protein verdrängen und dieses dadurch unschädlich machen.

Eisen, Mangan, Molybdän, Kupfer und Zink gelten dagegen als essentielle Schwermetalle, der menschliche Körper benötigt sie als Spurenelemente. Auch diese Schwermetalle binden oft an die SH-Gruppen von Cysteinresten. Dabei werden aber keine Disulfidbrücken zerstört, sondern die Metall-Ionen werden in das Protein eingebunden, wo sie dann eine wichtige Funktion übernehmen.

Quellen:

  1. Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992
  2. Lexikon der Biologie, Spektrum-Verlag, Artikel "Pepsin"
  3. Grafl, Schwantes, Der Einfluss von Cadmium, Zink, Blei und Quecksilber auf die Enzymaktivität bei Saccharomyces cervisiae in vitro. Zeitschrift für Ernährungswissenschaft 22, 205-212 (1983).
  4. Lexikon der Biologie, Spektrum-Verlag, Artikel "Schwermetalle".

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