Tertiäre Alkyl-Radikale sind stabiler als sekundäre, und diese sind wieder stabiler als primäre. Am instabilsten ist aber das Methyl-Radikal, wenn man nur Alkyl-Radikale betrachtet.
Es stellt sich nun die Frage, wie kommt diese Reihenfolge
Methyl < primäre < sekundäre < tertiär
zustande?
Energiegewinn durch Übergang in den planaren Zustand
Dazu könnte man zwei Ursachen nennen. Beide sind recht kompliziert zu erklären; ich will es dennoch mal versuchen. Betrachten Sie dazu folgendes Bild:

Die C-Atome in einem Alkan sind sp3-hybridisiert, die vier sp3-Orbitale der C-Atome sind daher tetraedrisch angeordnet. Bei der Bildung eines Radikals verändert sich der Hybridisierungszustand von sp3 zu sp2. In diesem Zustand sind die drei sp2-Orbitale planar angeordnet, während das übrig gebliebene p-Orbital senkrecht auf dieser Ebene steht.
Hängen an einem sp3-hybridisierten tetraedrischen C-Atom mehrere Alkyl-Gruppen, so behindern diese sich gegenseitig (räumlich und elektrostatisch durch die negative Ladungen der Elektronenwolken), was ein energetisch ungünstiger Zustand ist. Im sp2-hybridisierten planaren Zustand sind diese Alkyl-Gruppen jedoch etwas weiter voneinander entfernt, so dass diese gegenseitige Behinderung schwächer ausfällt. Der planare sp2-Zustand ist also energetisch günstiger als der tetraederförmige sp3-Zustand. Je mehr Alkyl-Gruppen an dem betreffenden C-Atom hängen, desto größer ist der Energiegewinn bei dem Übergang sp3 -> sp2. Daher tendieren tertiäre C-Atome mit ihren drei Alkyl-Gruppen leichter dazu, Radikale zu bilden, als sekundäre C-Atome oder gar primäre C-Atome.
Hyperkonjugation

Das p-Orbital eines C-Radikals ist mit nur einem Elektron besetzt, was energetisch gesehen ein ungünstiger Zustand ist; das p-Orbital "möchte" auch gern zwei Elektronen haben.
Vereinfachte Vorstellung:
Auf dem Bild kann man nun sehen, wie ein Elektron aus dem sp3-Orbital des benachbarten C-Atoms in das p-Orbital wechselt. Danach ist das p-Orbital mit zwei Elektronen besetzt und somit "zufrieden", allerdings hat das "Spender-Orbital" jetzt nur noch ein Elektron und ist entsprechend "unzufrieden". Daher ist dieser Zustand des "Elektronenwechselns" nicht von langer Dauer, das Elektron springt zurück in das sp3-Orbital, wo es herkommt.
Bessere Vorstellung:
Das ständige Hin- und Herwechseln von Elektronen ist eine vereinfachte (und falsche) Vorstellung. Aber auch bei der Erforschung des Benzol-Moleküls hatte man früher gedacht, dass die drei Doppelbindungen ständig umklappen (Oszillations-Hypothese).
Heute weiß man es besser. Beim Benzol-Moleküle existieren beide Zustände gleichzeitig, ein Umklappen der Bindungen findet nicht statt. Bei dem obigen Radikal existieren auch beide Zustände gleichzeitig. Das Elektron , um das es hier geht, gehört beiden Orbitalen, dem sp3-Hybridorbital des benachbarten C-Atoms und dem p-Orbital gleichzeitig an. Das Elektron ist delokalisiert - aber nur ein bisschen - da es sich hauptsächlich doch eher beim sp3-hybridisierten C-Atom aufhält.
Stabilisierung durch Hyperkonjugation
Durch das "Ausleihen" von Elektronen von benachbarten sp3-Orbitalen wird der energetisch ungünstige einfach besetzte Zustand des p-Orbitals etwas "entlastet". Je mehr solcher sp3-Hybridorbitale in der Nähe des p-Orbitals sind, desto größer ist dieser Effekt.
Bei primären Radikalen ist - wie auf dem Bild oben - nur ein weiteres C-Atom mit dem radikalischen C-Atom benachbart, dem p-Orbital des Radikals steht also nur ein einziges sp3-Hybridorbital zum "Elektronenausleih" zur Verfügung. Und das geht auch nur, wenn das "Leihorbital" parallel zum p-Orbital ausgerichtet ist. Bei den drei sp3-Orbitalen des benachbarten C-Atoms kann immer nur eines parallel zum p-Orbital ausgerichtet sein, die beiden anderen können dem p-Orbital kein Elektron "leihen".
Bei sekundären Radikalen ist das schon besser, dem p-Orbital stehen maximal zwei benachbarte und parallel ausgerichtete sp3-Hybridorbitale zur Verfügung, und bei tertiären Radikalen sind sogar drei passend ausgerichtete sp3-Hybridorbitale verfügbar.
Je mehr Alkyl-Gruppen sich an dem radikalischen C-Atom befinden, desto besser kann der energetisch ungünstige Zustand stabilisiert werden. Daher sind tertiäre Radikale stabiler als sekundäre, und sekundäre stabiler als primäre.
positiver induktiver Effekt
Schülern der Stufen EF oder Q1 kann man diese komplexen Zusammenhänge leider nicht nahebringen, es sei denn, es handelt sich um ausgesprochene Experten. Aus diesem Grund vereinfacht man das Ganze zum "positiven induktiven Effekt" und sagt, dass Alkyl-Gruppen ihre Elektronen in Richtung auf das radikalische C-Atom "schieben". Dadurch wird die Elektronendichte am Radikal etwas erhöht, und der ungünstige radikalische Zustand wird etwas abgemildert. Das reicht normalerweise, um den Schülern klarzumachen, warum tertiäre Radikale stabiler sind als sekundäre und diese wieder stabiler als primäre.