Helmichs Biologie-Lexikon

Huxley-Hodgkin-Versuche

In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wusste man bereits, dass an der Membran einer Nervenzelle eine elektrische Spannung herrscht. Man hatte aber noch keine Ahnung, wodurch das Ruhepotenzial verursacht wurde. Aktionspotenziale kannte man noch gar nicht, man vermutete aber, dass Veränderungen des Ruhepotenzials bei der Erregungsweiterleitung am Nerv eine Rolle spielen. Man nahm an, dass das Ruhepotenzial bei einer Erregungsweiterleitung am Axon zusammenbricht.

Alan Hodgkin (1914-1998) fing 1932 mit seinem Biologie- und Chemie-Studium am Trinity College in Cambridge an. Nach einigen Jahren hatte er es zum wissenschaftlichen Assistenten gebracht und begann mit Untersuchungen an Nervenbahnen des Frosches. Nach einem Forschungsaufenthalt in den USA fing er an, die Nervenbahnen von Tintenfischen zu erforschen, dabei konzentrierte er sich auf einen sehr großen Nerv des Kalmars.

Longfin inshore squid ( Loligo pealeii )
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Weil ein bestimmtes Axon dieses Tintenfischs einen Durchmesser von sage und schreibe 1 mm hatte, befassten sich auch schon andere Forscher mit diesem Tier und seinem Riesenaxon.

Das Riesenaxon von Loligo
Autor: NIH History Office from Bethesda, Lizenz: Public domain.

1938 kehrte Hodgkin als junger 24jähriger Professor nach Cambridge zurück und lernte dort den erst 21 Jahre alten Andrew Huxley (1917-2012) kennen. Beide Forscher konzentrierten sich dann auf das Riesenaxon des Kalmars und konnten dann zum ersten Mal in der Geschichte der Biologie Aktionspotenziale messen. Die Überraschung war sehr groß. Das Ruhepotenzial brach nicht zusammen, wenn die Nervenzelle erregt wurde, sondern im Gegenteil, die Membran des Axons polte sich vollständig um, von -70 mV im Ruhezustand auf +30 mV im erregten Zustand.

Nach dieser sensationellen Entdeckung wollten die beiden Forscher herausbekommen, wodurch Ruhepotenzial und Aktionspotenzial entstehen. Dann kam leider der zweite Weltkrieg dazwischen, und während des Krieges arbeiteten beide Wissenschaftler für das englische Militär.

1947 begann Hodgkin am Plymouth Marine Laboratory wieder mit seinen Forschungen am Riesenaxon des Kalmars. Er arbeitete damals mit Bernard Katz und Andrew Huxley zusammen.

Hodgkin und Katz wiesen dann 1949 experimentell nach, dass während eines Aktionspotenzials die Permeabilität für Natrium-Ionen stark zunimmt, so dass Natrium-Ionen in das Axon einströmen können. Die drei Wissenschaftler stellten die Hypothese auf, dass die Membran der Nervenzelle winzige Poren enthält, durch die Na+-Ionen in die Zelle einströmen können. Sie hatten also die Existenz von Ionenkanälen postuliert (siehe auch "Die Entdeckung der Ionenkanäle" in der Neurobiologie-Abteilung).

Auch die positive Rückkopplung während der Depolarisierungsphase des Aktionspotenzials wurde von Hodgkin entdeckt. Dieser Rückkopplungskreis ist jetzt als Hodgkin-Cycle bekannt.

Veranschaulichung der positiven Rückkopplung
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende.

Durch Experimente, bei der sie die Konzentrationen von Kalium- und Natrium-Ionen im Außenmedium des Riesenaxons systematisch veränderten, kamen die Wissenschaftler langsam der Natur des Ruhepotenzials und des Aktionspotenzials auf die Schliche.

1952 veröffentlichten die beiden Ihre Ergebnisse, und 1963 erhielten sie den Nobelpreis für Medizin für Ihre Entdeckungen.

Eric Kandel, ein berühmter Neurophysiologe, sagte sogar: "Für die neuronale Zellbiologie waren Hodgkins und Huxleys Entdeckungen das, was die Struktur der DNA für die restliche Biologie war".

Huxley entdeckte übrigens 1954 noch den Mechanismus der Muskel-Kontraktion, was auch eine bedeutende Leistung darstellte.

Quellen:

  1. Laura Poupon: "Die Offenbarungen des Kalmars" in Gehirn & Geist 03/2020
  2. Engl. Wikipedia, Artikel "Alan Hodgkin"
  3. Engl. Wikipedia, Artikel "Andrew Huxley"