Home > Biologie > Evolutionsbiologie > Geschichte > 6. 19. Jahrhundert: Darwin

7. Das 19. Jahrhundert: Darwin

Einleitung

"Wenn Sie keinen Ärger haben wollen, bringen Sie die drei Indianer, die Sie von Ihrer letzten Reise mitgebracht haben, sofort nach Feuerland zurück. Und wenn Sie schon mal da sind, können Sie auch gleich den ganzen Kontinent kartographieren. Vergessen Sie nicht, einen Naturforscher mit an Bord zu nehmen!"

So ähnlich könnte 1830 der Befehl gelautet haben, der an den englischen Kapitän FitzRoy erging. Und der Naturforscher, den er auf seinem Vermessungsschiff „Beagle“ mitnahm, war kein geringerer als Charles Darwin.

Charles Darwin (1809-1882) ist zweifellos einer der berühmtesten, aber auch einer der umstrittensten Biologen. Wagte er es doch, mit seiner Theorie der natürlichen Auslese die Stellung des Menschen als "Krone der Schöpfung" anzugreifen. Wer war Charles Darwin, und wie kam er auf seine Theorie?

Kindheit und Jugend

Charles Robert Darwin wurde 1809 als fünftes Kind von Robert Darwin und Susannah Wedgwood geboren. Sein Vater war Arzt und nahm in gelegentlich in seine Praxis mit. Als Darwin sah, wie die Patienten ohne Betäubung operiert wurden, verlor er die Lust auf den Arztberuf und studierte später Theologie. Damals gab es noch nicht die strenge Trennung von Theologie und Naturwissenschaften. Daher beschäftigte sich Darwin auch viel mit naturkundlichen Fragen. So war Darwin davon überzeugt, dass sich das Leben auf der Erde im Laufe von Jahrmillionen langsam empor entwickelt hatte, konnte dies aber (noch) nicht beweisen.

Reise auf der Beagle

Nach dem erfolgreichen Abschluss seines Theologiestudiums segelte Darwin von 1831 bis 1836 an Bord der H.M.S. Beagle um die Welt und machte eine Fülle von wichtigen Beobachtungen.

Hinweise zur Abstammungslehre in Südamerika

In Südamerika machte Darwin Exkursionen in das Landesinnere und fand dort viele faszinierende Tier- und Pflanzenarten. Als er nach Fossilien grub, entdeckte er Skelette riesiger ausgestorbener Säugetiere, die aber durchaus auffallende Ähnlichkeiten mit den noch heute lebenden Tieren hatten. Das Riesenfaultier sah zum Beispiel ähnlich aus wie die noch heute lebenden Faultiere, nur dass es eben sehr viel größer war und entsprechend stärkere Knochen hatte. Dies war für Darwin eine erste Bestätigung der Abstammungslehre, die von Lamarck vertreten wurde.

Hinweise zur Artbildung auf den Galapagos-Inseln

Auf den Galapagos-Inseln in Südamerika fand Darwin viele verschiedene Vogelarten vor, die sich teils erheblich in ihren Nahrungsgewohnheiten unterschieden. Es gab sogar Fleisch fressende Arten darunter. Darwin hielt diese Vögel für Finken, Sperlinge, Spechte und so weiter. Wie überrascht musste er gewesen sein, als er von einem befreundeten Vogelkundler erfuhr, dass es sich bei all diesen verschiedenen Vogelarten um Finken handelte. Wie kamen diese Finken auf die Galapagos-Inseln. Wieso haben sich die Finken so unterschiedlich auseinander entwickelt. Haben sich alle Finkenarten im Laufe der Zeit etwa aus einer einzigen Art entwickelt?

Auf dem Weg zur Theorie der natürlichen Auslese

Wieder zu Hause angekommen, wollte Darwin seine Beobachtungen erklären. Die Tier- und Pflanzenzüchter erzeugten schon seit Jahrtausenden neue Rassen durch gezielte Auslese. Aus dem Wolf wurden so unterschiedliche Rassen wie der Schäferhund und der Pekinese gezüchtet. War auf den Galapagos-Inseln etwas Ähnliches abgelaufen, eine natürliche Auslese? Aber wer traf dann die Entscheidung, welche Tiere sich fortpflanzen durften und welche nicht?

Bei seinem Bücherstudium stieß Darwin auf die Schriften von Robert Malthus (1766-1834). Malthus war einer der ersten Soziologen. Er behauptete, dass die englische Bevölkerung immer mehr anwächst, während die Nahrung immer knapper wird. Dies führte nach Malthus dazu, dass die Zahl der Menschen schließlich nicht mehr wachsen würde. Durch die Begrenztheit der Nahrung und durch Krankheiten würde die Sterberate so hoch werden wie die Geburtenrate, und die Bevölkerungsdichte bliebe konstant.

Die Theorie der natürlichen Auslese

Darwins geniale Leistung war nun, dass er seine Beobachtungen mit den Erkenntnissen der Tier- und Pflanzenzüchter sowie den Theorien von Malthus kombinierte. Dabei entstand die Theorie der natürlichen Auslese:

Tatsache 1:
Alle Tiere und Pflanzen produzieren mehr Nachkommen, als zum Überleben der Art notwendig wäre.

Tatsache 2:
Die Zahl der Individuen in einem Lebensraum bleibt über die Jahre mehr oder weniger konstant.

Tatsache 3:
Die natürlichen Ressourcen, vor allem Nahrung, Wasser und Platz, sind begrenzt.

Bereits Malthus hatte - bezogen auf die Menschen in den Großstädten Englands - aus diesen Tatsachen eine interessante Schlussfolgerung gezogen:

Schlussfolgerung 1:
Zwischen den Individuen einer Art findet ein Konkurrenzkampf um die begrenzten Ressourcen statt ("struggle for life").

Darwin übernahm diese These und übertrug sie auf das Tier- und Pflanzenreich. Dann stellte sich Darwin die Frage, welche Individuen diesen "Kampf ums Dasein" gewinnen. Hier waren Darwin zwei weitere Tatsachen hilfreich, die seit langem in der Tier- und Pflanzenzucht bekannt waren:

Tatsache 4:
Innerhalb einer Tier- oder Pflanzenart unterscheiden sich die Individuen teils erheblich (Variabilität).

Tatsache 5:
Viele Eigenschaften eines Individuums werden auf die Nachkommen vererbt.

Darwin zog nun eine weitere Schlussfolgerung:

Schlussfolgerung 2:
Diejenigen Individuen, die am besten an die Umweltbedingungen angepasst sind, überleben den Konkurrenzkampf ("survival of the fittest").

Schlussfolgerung 3:
Die vorteilhaften Eigenschaften der Überlebenden werden an ihre Nachkommen in der nächsten Generation vererbt; über viele Generationen findet so eine natürliche Auslese statt.

Im Laufe der Zeit findet so eine immer bessere Anpassung der Population an die Umwelt statt. Darwin bezeichnete sein Evolutionsmodell als "Theorie der Evolution durch natürlichen Auslese".

Hier noch einmal eine übersichtliche Darstellung der Evolution der Evolutionstheorie Darwins:

Beschreibung siehe folgenden Text

Entwicklung der Evolutionstheorie Darwins
Autor: Ulrich Helmich 2015, Lizenz: siehe Seitenende

Was ist nun die Leistung Darwins? Sämtliche Tatsachen waren bereits vor Darwin bekannt. Und die erste Schlussfolgerung, dass ein Konkurrenzkampf um die Ressourcen stattfindet, ein "Kampf ums Überleben" oder "struggle for life", stammt nicht von Darwin, sondern von Malthus. Darwins Leistung waren die beiden darauf aufbauenden Schlussfolgerungen, dass nämlich nur die am besten angepassten Individuen diesen Konkurrenzkampf überleben und dass die Eigenschaften, die ihnen dieses Überleben ermöglichten, an die nachkommende Generation weitergegeben wird, so dass im Laufe der Generationen eine natürliche Auslese stattfindet.

Und hier eine Graphik, die den Mechanismus der natürlichen Auslese darstellt:

Beschreibung siehe folgenden Text

Die Theorie der Evolution durch natürliche Auslese
Autor: Ulrich Helmich 2015, Lizenz: siehe Seitenende

Wie erklärte Darwin nun die Entstehung der unterschiedlichen Finkenarten auf den Galapagos-Inseln? Am Anfang lebten die "Urfinken" nur auf einigen wenigen Inseln, breiteten sich mit der Zeit aber auf die anderen Inseln aus. Auf den einzelnen Inseln herrschten unterschiedliche Umweltbedingungen. Auf einer Insel gab es z.B. viele Pflanzen, die große, harte Samen lieferten. Auf einer anderen Insel gab es viele kleine, weiche Samenkörner. Im Laufe der Zeit passten sich die Finkengruppen an diese speziellen Umweltbedingungen an. Nach einigen Jahrtausenden hatten sich völlig unterschiedlich aussehende Finkenarten herausgebildet. Sie haben sich soweit auseinander entwickelt, dass sie sich nicht mehr miteinander paaren können oder zumindest keine fruchtbaren Nachkommen mehr erzeugen können.

Kritiker

Das Interessante an Darwin ist, dass er gar nicht mal hauptsächlich wegen seiner Theorie der natürlichen Auslese kritisiert worden ist. Natürlich gab es Kritiker dieser Theorie, doch die Erkenntnisse der Wissenschaft bestätigten immer wieder diese Theorie, und noch nie ist eine Widerlegung dieser Theorie gelungen, so dass viele Biologen die natürliche Auslese als Tatsache anerkennen. Sogar die meisten Kreationisten akzeptieren Variation und Selektion als Mechanismus der Anpassung von Arten an neue Umweltbedingungen, lehnen aber eine Makroevolution ab, also die Bildung neuer Arten aus vorhandenen Arten.

Darwins "Hauptverbrechen" war nicht die Theorie der natürlichen Auslese, sondern die Behauptung, dass Mensch und Menschenaffen gemeinsame Vorfahren haben. Diese Behauptung rief die meisten Kritiker auf den Plan. In den Augen vieler christlich orientierter Menschen war der Mensch eben die "Krone der Schöpfung" und kein Säugetier, das in die gleiche Ordnung wie die Affen eingeordnet wird.

Quellen:

  1. Storch, Welsch, Wink, Evolutionsbiologie, Berlin Heidelberg 2001.
  2. Dreesmann, Graf, Witte, Evolutionsbiologie, Heidelberg 2011.
  3. Mayr, Die Entwicklung der biologischen Gedankenwelt, Berlin Heidelberg 1984.
  4. Wikipedia-Artikel über Darwin.