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Die Fluidität von Membranen

Beweglichkeit der Lipid-Moleküle

Nach den aktuellen Membranmodellen (Flüssig-Mosaik-Modell und Lipid-Floß-Modell) sind die Lipid-Doppelschichten zweidimensionale Flüssigkeiten.

Ein einzelnes Lipid in einer Lipid-Doppelschicht

Ein einzelnes Lipid in einer Lipid-Doppelschicht
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Ein einzelnes Lipid in einer Lipid-Doppelschicht kann sich nur in zwei Dimensionen bewegen: nach links und nach rechts bzw. nach vorne und nach hinten. Eine Bewegung nach oben bzw. nach unten ist weitgehend ausgeschlossen.

Würde sich das Lipid nach oben bewegen, so kämen seine hydrophoben Fettsäuren in Kontakt mit den hydrophilen Köpfen der benachbarten Lipide. Die Wasser-Moleküle des Außenmediums würden ebenfalls ein Entweichen eines Lipids nach außen verhindern, schließlich ist Wasser lipophob, also fettabweisend.

Und würde sich das Lipid nach unten bewegen, so müsste sein hydrophiler Kopf die hydrophoben Schwänze der Nachbarlipide berühren, was energetisch auch nicht günstig ist.

Lipid-Moleküle können sich also nur in zwei Dimensionen frei bewegen, und darum bezeichnet man solche Lipid-Doppelschichten auch als zweidimensionale Flüssigkeiten. Innerhalb der beiden erlaubten Dimensionen verhalten sich die Lipid-Moleküle nämlich genau wie die Moleküle in einer Flüssigkeit: Sie hängen zwar eng zusammen, können sich aber verhältnismäßig frei bewegen, Plätze tauschen und so weiter.

Für Experten: Beweglichkeit der Lipide

Man hat Experimente mit künstlich erzeugten Lipid-Doppelschichten gemacht und die Geschwindigkeit gemessen, mit der sich ein Lipid-Molekül in dieser Doppelschicht lateral bewegen kann. Dabei kamen erstaunliche Ergebnisse heraus: 107 mal pro Sekunde kann ein Lipid-Moleküle den Platz mit seinen Nachbarn tauschen.

Auch um sich selbst kann sich ein Lipid-Moleküle drehen. Dabei hat man schon Geschwindigkeiten von 500 Drehungen pro Sekunde beobachtet [1].

Wie man mit Hilfe der Methode des single particle tracking herausgefunden kann, kann ein Lipid-Molekül in einer Sekunde eine Strecke von 1 bis 2 µm zurücklegen, was ungefähr der Länge einer Bakterienzelle entspricht. In 20 Sekunden kann ein Lipid-Molekül theoretisch eine Strecke zurücklegen, die der Länge einer typischen Tierzelle entspricht [1,2].

Diese hier genannten Werte sind allerdings nur für reine Lipid-Doppelschichten gültig. Echte Biomembranen enthalten jede Menge integrierter Proteine, welche die Beweglichkeit der Lipide wie Prellböcke hemmen. Teilweise sind diese Proteine mit dem Zellskelett verbunden und können sich gar nicht bewegen. Die hohe Beweglichkeit der Lipide gilt also nur für extrem kleine Bereiche der Biomembran. Innerhalb dieser kleinen Bereiche, die nur ein paar µm2 groß sind, gelten aber die oben genannten hohen Werte [2].

Die Proteine in der Lipid-Doppelschicht schwimmen nach Plattner [3] "Wie Eisberge im Meer" in den Lipid-Schichten herum. Die Beweglichkeit der Lipide und Proteine kann teils etwas eingeschränkt sein, vor allem in stark Cholesterin haltigen Bereichen der Membran.

Mary Luckey schreibt in ihrem Buch [4] allerdings:

"This widely accepted model for membrane structure is often abbreviated as a picture of integral proteins floating as icebergs in a sea of lipids, an oversimplification that denigrates the role of the lipids, whose diversity and polymorphic phases provide particular chemical activities as well as structural domains in that 'sea' ".

Man sollte also die Rolle der Lipide bei der Funktion der Membranen nicht grob unterschätzen, wie es das Bild der "Eisberge im Meer" vereinfachend vermittelt, das den Fokus zu sehr auf die Proteine setzt.

Folgen der Beweglichkeit für die Membran

Eine Biomembran ist eine zweidimensionale Flüssigkeit. Diese Eigenschaft der Membran ist nicht nur sehr wichtig für die Funktion der Membran, sondern auch für ihre Unversehrtheit.

1. Die Flexibilität ist wichtig für die Funktion und Form der Membran

Die Zelle hat keine starre Form, das gilt vor allem für Tierzellen. Daher muss die Membran flexibel sein, sie muss jede Form annehmen können.

In der Membran befinden sich wichtige Proteine mit bestimmten Aufgaben. Einige Proteine müssen schnell ihren Platz verlassen können und zu einem anderen Ort in der Membran "schwimmen" können, um ihre Aufgabe zu erledigen. Das ist zum Beispiel wichtig, wenn Botenstoffe wie Neurotransmitter oder Hormone an die Membran einer Zelle andocken und diese Information schnell weitergegeben werden muss. Eine solche schnelle laterale Diffusion funktioniert aber nur dann, wenn die Membran sich wie eine Flüssigkeit verhält.

Ganz wichtig ist die Flexibilität aber für die Tatsache, dass die Zellmembran eine geschlossene Hülle um die Zelle bildet. Auch die anderen Membranen der Zelle bilden geschlossene Hüllen um Vesikel, Dictyosomen etc. Der Grund hierfür liegt wieder an den Fettsäuren in den Lipiden, die stark hydrophob sind. In der Membran dürfen keine Stellen vorkommen, die dem Wasser ausgesetzt sind. Die einzige Möglichkeit, dies zu vermeiden, ist die Bildung einer Doppelschicht, die keine Ränder nach außen hat. Um diese Ränder zu vermeiden, bildet die Doppelsicht eine geschlossene Hülle um die Zelle bzw. um die Organelle.

2. Die Flexibilität ist wichtig für die Unversehrtheit der Membran

Jede Verletzung der Lipid-Doppelschicht, jeder "Riss" in der Membran hätte gravierende Folgen für die Zelle. Die Membran ist aber in der Lage, sich selbst wieder zu versiegeln, wenn sie verletzt wurde. Auch dies ist eine Folge der Flexibilität der zweidimensionalen Flüssigkeit. Entnimmt man aus einer kleinen Wasserpfütze etwas Wasser, so wird das entstandene "Loch" in Bruchteilen einer Sekunde wieder mit neuen Wasser-Molekülen gefüllt. Ähnlich muss man sich den Vorgang vorstellen, der bei einer Verletzung der Zellmembran stattfindet. Sofort "fließen" Lipid-Moleküle in die Lücke und versiegeln sie.

Die Membranen der Zelle sind zweidimensionale Flüssigkeiten, die Bewegung der Lipid-Moleküle in der dritten Dimension (nach oben bzw. unten) sind also extrem stark eingeschränkt. Wenn sich ein Lipid-Molekül von der einen Schicht in die andere bewegen will, muss der Kopf des Moleküls nicht nur die Barriere aus hydrophoben Fettsäure-Schwänzen überwinden, sondern das Molekül muss sich auch noch um 180 Grad drehen, damit der Kopf jetzt in die richtige Richtung zeigt. Einen solchen Vorgang bezeichnet man in der Fachsprache als flip-flop. Man könnte auch von einem "Purzelbaum" sprechen. Ein flipflop kommt aber äußerst selten vor, ein einzelnes Lipid-Moleküle wechselt ungefähr nur einmal im Monat die Seite [1], wenn es überhaupt so lange lebt.

Von welchen Faktoren ist die Fluidität der Membran abhängig?

1. Zusammensetzung der Lipid-Doppelschicht

Betrachten wir dazu eine Lipid-Doppelschicht, in der die Lipide ausschließlich Fettsäure-Moleküle enthalten, die gesättigt sind. Eine solche Lipid-Doppelschicht sähe dann so aus:

Eine Lipid-Doppelschicht, die ausschließlich gesättigte Lipide enthält

Eine Lipid-Doppelschicht, die ausschließlich gesättigte Lipide enthält

Die Fettsäure-Moleküle der Lipid-Doppelschicht stehen hier eng und parallel nebeneinander wie die Latten eines stabilen Lattenzauns. Eine solche Lipid-Doppelschicht ist sehr starr, was aber der Funktion einer Zellmembran eigentlich widerspricht. Eine Zellmembran sollte flexibel, dehnbar, elastisch sein und die Zelle trotzdem nach außen abgrenzen.

Eine Lipid-Doppelschicht

Eine Lipid-Doppelschicht, die gesättigte und ungesättigte Lipide enthält

Enthält die Lipid-Doppelschicht aber Lipide mit ungesättigten Fettsäuren (oder kürzere gesättigte Fettsäuren), so wird die Membran flexibler, flüssiger und verleiht der Zelle damit eher die gewünschten Eigenschaften.

Die Fluidität der Membran hängt also von der genauen Zusammensetzung der Lipid-Doppelschicht ab. Je mehr ungesättigte und kurze Fettsäuren in den Lipiden der Membran enthalten sind, desto flüssiger ist die Membran.

Zur Synthese solcher Lipide benötigt der Körper aber ungesättigte Fettsäuren. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren können jedoch vom menschlichen Körper nicht selbst hergestellt werden, sondern müssen mit der Nahrung aufgenommen werden, man spricht daher auch von essentiellen Fettsäuren.

Je mehr Doppelbindungen eine Fettsäure enthält, desto mehr "Knicke" hat sie im Molekül, und desto unregelmäßiger, weniger kristallin ist eine Lipid-Doppelschicht aus solchen Lipiden dann aufgebaut. Das ist auch der Grund, warum Fette mit vielen ungesättigten Fettsäuren als besonders gesund gelten.

Einzellige Lebewesen wie Bakterien oder Hefen können die Fluidität ihrer Zellmembran (den Flüssigkeitsgrad) so anpassen, dass die Membran auch bei kalten Temperaturen immer flüssig ist. Bei tiefen Temperaturen werden verstärkt kurzkettige Fettsäuren und Fettsäuren mit vielen Doppelbindungen in die Membran eingebaut. Bei höheren Temperaturen bauen diese Lebewesen hauptsächlich langkettige ungesättigte Fettsäure in die Membranen ein [1].

Cholesterin

Eine besondere Rolle bei tierischen Zellmembranen spielt das Cholesterin, ein Lipid, das völlig anders aufgebaut ist als die "üblichen" Membranlipide. Weil das Cholesterin so wichtig ist, finden Sie eine eigene Seite zu diesem Thema in dieser Abteilung.

2. Temperatur

Der zweite Faktor, von dem die Fluidität der Membran abhängt, ist natürlich die Temperatur. Dazu muss ja wohl nicht viel gesagt werden: Je höher die Temperatur, desto fluider die Membran.

Das ist natürlich ein Problem für Lebewesen, die in besonders kalten Regionen leben, aber auch für Organismen, die in extrem heißen Biotopen existieren, zum Beispiel Schwefelbakterien in heißen Quellen, die teils über 100 ºC erreichen.

Aber solche Organismen sind in der Lage, die Fluidität der Membran in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur anzupassen, nämlich über die Zusammensetzung der Lipid-Doppelschicht (siehe oben).

Quellen:

  1. Alberts, Bruce et al. Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie, 5. Auflage, Weinheim 2021.
  2. Darnell, Lodish, Baltimore, Molekulare Zellbiologie, Berlin 1994.
  3. Plattner, Hentschel. Zellbiologie, 5. Auflage. Stuttgart 2017.
  4. Luckey. Membrane Structural Biology. Cambridge University Press 2014.

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