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Fluorierung und Iodierung

Fluorierung

Die Fluorierung eines Alkans ist grundsätzlich möglich. Beide Kettenfortpflanzungsschritte sind recht exotherm. Beim ersten Kettenfortpflanzungsschritt werden 163 kJ/mol freigesetzt, beim zweiten Kettenfortpflanzungsschritt sogar 388 kJ [1]. Daher ist eine Fluorierung äußerst gefährlich, es kann zu Überhitzungen oder sogar zu Explosionen kommen.

Aus diesen Gründen führt man eine Fluorierung meistens nicht mit elementarem Fluor durch, sondern man nimmt spezielle Fluor-Verbindungen. Der Römpp listet hier Alkalifluoride, Cobalt(III)-fluorid, Halogenfluoride, Antimonfluoride, Molybdänfluoride, Fluorwasserstoff, Xenonfluoride, und Schwefeltetrafluorid auf [2]. Als typische Reaktion wird hier die Swarts-Reaktion genannt, die in der Wikipedia gut beschrieben ist [3].

Unerwünschte Nebenprodukte

Die Fluorierung von Alkanen ist oft nicht sinnvoll, weil sie zu unerwünschten Nebenprodukten führt.

Betrachten wir ein Alkan-Molekül, beispielsweise Ethan oder Propan. Welche Bindungen in diesem Molekül sind besonders schwach? Zur Abtrennung eines primären H-Atoms werden ca. 423 kJ/mol benötigt, zur Abtrennung eines sekundären H-Atoms nur 412 kJ/mol. Viel leichter lässt sich aber eine C-C-Einfachbindung auflösen, die Bindungsdissoziationsenthalpie beträgt hier nur 372 kJ/mol.

Wenn also ein freies Halogen-Atom ein Alkan-Molekül angreift, sollte dann nicht als erstes eine C-C-Einfachbindung aufgetrennt werden?

Ein freies Halogen-Atom spaltet eine C-C-Einfachbindung

Energetisch ist diese Reaktion günstiger als die Abtrennung eines primären oder sekundären H-Atoms. Allerdings wird diese Reaktion sterisch behindert, und zwar von den vielen H-Atomen, die das Kohlenstoffgrundgerüst umgeben.

Die wahren Größenverhältnisse der Atome im Propan und im Brom
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Auf diesem softwaregeneriertem Bild sehen wir ein Propan-Molekül und ein Brom-Molekül, und zwar in der Kalottendarstellung, welche die wahren Größen der Atome zeigt. Brom-Radikale haben aufgrund ihrer Größe ziemliche Probleme, an die C-C-Einfachbindungen im Alkan heranzukommen und diese zu brechen.

Aber beim Fluor ist das anders. Denn die Fluor-Atome sind so klein, dass sie diese Abschirmung durchbrechen können. Und dann werden C-C-Bindungen gespalten, wobei ganz andere Reaktionsprodukte entstehen als die gewünschten.

Das Ergebnis einer Fluorierung - wenn sie dann wie geplant erfolgt und nicht viele Nebenprodukte liefert - sind Fluoralkane, die aber keine so besonders große Bedeutung haben. Wichtiger sind die Fluorchlor-Kohlenwasserstoffe, kurz FCKWs, die man durch Fluorierung von Chlor-Alkanen mit Fluorwasserstoff erhält. Hier sehen wir eine solche Reaktion [4]:

$CHCl_{3} + 2 \ HF \to CHClF_{2} + 2 HCl$

Iodierung

Die Iodierung eines Alkans ist ebenfalls grundsätzlich möglich. Allerdings verlaufen die meisten Iodierungen endotherm. Für die beiden Kettenfortpflanzungsschritte werden 29 kJ/mol verbraucht [1].

Hoher Energiebedarf

Diese hohe Energiebedarf liegt nicht an der Spaltung des Iod-Moleküls. Ein Iod-Molekül lässt sich aufgrund der geringeren Bindungsdissoziationsenergie sogar leichter homolytisch spalten als ein Chlor- oder Brom-Molekül.

Molekül Bindungsdissoziationsenthalpie
F-F 159 kJ/mol
Cl-Cl 242 kJ/mol
Br-Br 193 kJ/mol
I-I 151 kJ/mol

Das größte Problem bei der Iodierung ist die Bildung des Iodwasserstoffs HI. Der Energiegewinn bei der HI-Bildung beträgt nur 295 kJ/mol, das ist sehr wenigim Vergleich zur Bildung von HBr (366 kJ/mol) oder HCl (431 kJ/mol) [6].

Iod als Inhibitor

Ein Alkyl-Radikal kann durchaus mit einem Iod-Molekül reagieren. Es entsteht dann ein Iodalkan-Molekül und ein Iod-Radikal.

$I_2 \ + \ \bullet CH_3 \to I \bullet \ + \ I \text{-} CH_3 $

Nur kann dieses Iod-Radikal die Kettenreaktion nur schlecht fortsetzen, weil der erste Kettenfortpflanzungsschritt, bei dem das Iod-Radikal ein H-Atom aus dem Alkan abstrahieren würde, endotherm ist.

Alternative Wege

Möchte man ein bestimmtes Iodalkan synthetisieren, beschreitet man meistens andere Wege, zum Beispiel über die nucleophile Substitution eines Chloralkans mit Iodid-Ionen (Finkelstein-Reaktion) oder die Addition von Iod I2 oder Iodwasserstoff HI an ein Alken.

Finkelstein-Reaktion

Hierbei handelt es sich um eine normale nucleophile Substitution.

siehe folgenden Text

Propan wird erst chloriert, dann wird in einer nucleophilen Substitution das Chlor durch Iod ersetzt
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0

An einem Chloralkan wird das Chlor-Atom durch ein Iod-Atom ersetzt. Als Nucleophil setzt man dazu Natriumiodid ein, das in Aceton gelöst wurde. Die Reaktion verläuft nach einem SN2-Mechanismus, das Iod "schiebt" das Chlor quasi aus dem Chloralkan heraus. Um die Gleichgewichtslage der Reaktion auf die Produktseite zu verschieben, fällt man das entstandene Chlorid aus, so dass dessen Konzentration stets gering gehalten wird (Prinzip des kleinsten Zwangs) [5].

Quellen:

  1. M. A. Fox, J. K. Whitesell: Organische Chemie - Grundlagen, Mechanismen, bioorganische Anwendungen. 1. Auflage, Heidelberg 1995.
  2. J. Falbe, M. Regitz (Herausgeber): Römpp Chemie Lexikon in 6 Bänden. 9. Auflage, Stuttgart, New York 1989-1992.
  3. Wikipedia, Artikel "Swarts-Reaktion"
  4. Wikipedia, Artikel "Fluorchlorkohlenwasserstoffe"
  5. Wikipedia, Artikel "Finkelstein-Reaktion"
  6. Organikum, 22. Auflage, Weinheim 2004.