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Süß-Rezeptoren LK, Studium

Einzelheiten zu den "süß"-Rezeptoren

Kohlenhydrate sind eine wichtige Energiequelle für alle Tiere und Menschen. Mono- und Disaccharide schmecken schon von Natur aus süß bis sehr süß, Das Polysaccharid Stärke wird bereits im Mund durch die Speichelamylase in kleinere, süß schmeckende Einheiten zerlegt.

Geschmackssinneszellen (TRCs, taste-receptor cells), die für die Empfindung "süß" zuständig sind, exprimieren zwei Rezeptorproteine, die als T1R2 und T1R3 bezeichnet werden (taste receptor type 1 member 2 / member 3). Diese Rezeptorproteine treten als Heterodimer T1R2/T1R3 auf, sitzen in der Membran der apikalen Mikrovilli der Geschmackssinneszellen und sind auf der Membraninnenseite an ein G-Protein gekoppelt [1, 2], das als Gastducin bezeichnet wird.

Das T1R2/T1R3-Heterodimer, gezeichnet nach [2].
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Jedes Einzelprotein des Heterodimers ist mit sieben alpha-Helices in der Membran verankert, und das große N-terminale Ende ragt ziemlich weit in das Außenmedium hinaus. Die dicken schwarzen Pfeile zeigen auf die Stellen, die für die eigentliche Rezeption des "Süß"-Geschmacks zuständig sind. Auf der Membraninnenseite sind die beiden Proteine mit den Untereinheiten des G-Proteins verbunden.

Diese Darstellung nach [2] widerspricht dem Venusfliegenfallen-Mechanismus, der zum Beispiel in [6] diskutiert wird:

Als Venusfliegenfalle "wird eine besondere Form von ligandenbindenden Proteindomänen bezeichnet, bei der zwei aneinanderschließende größere Bereiche des gleichen Proteins in dessen Tertiärstruktur einander so gegenüberstehen, dass sie mit spezifischen Bindestellen einen Liganden dazwischen fassen können und sich bei dessen Bindung annähern, sodass eine Konformationsänderung des Rezeptorproteins eintritt. Mit einer scharnierähnlichen Bewegung wird das gebundene Molekül, zumeist eine organische Säure, zwischen den beiden lappenförmigen Domänen eingeschlossen in einer stabilen Form des Proteins" [5].

Die Süß-Rezeptoren von Menschen und anderen Säugetieren, beispielsweise Mäusen, unterscheiden sich in mancher Hinsicht. Mäuse können beispielsweise künstliche Süßstoffe wie Aspartam nicht schmecken. Genmanipulierte Mäuse, denen man das menschliche T1R2-Gen implantiert hat, bilden den menschlichen T1R2-Rezeptor aus und können dann plötzlich diesen Süßstoff schmecken, wie man herausgefunden hat [1].

Modell eines Süßrezeptors nach Nofre und Tinti (1996) und mögliche Wechselwirkungen mit Glucose
Autor: Matthias M., Lizenz: Public domain.

Auf dieser Zeichnung aus der deutschen Wikipedia sieht man ein Glucose-Molekül in einer "Tasche" eines der beiden Rezeptorprotein-Einheiten. Vier der OH-Gruppen der Glucose werden von drei Aminosäuren des Rezeptorproteins nicht-kovalent gebunden. Insgesamt stehen acht Aminosäuren für die Bindung von süßen Verbindungen zur Verfügung. Dies erklärt, warum auch deutlich größere Moleküle als Glucose als "süß" empfunden werden.

Katzen kennen kein "süß"

Wie bereits oben gesagt, besteht der Rezeptor für die Qualität "süß" aus den zwei Proteinen T1R2 und T1R3. Sollte eine dieser beiden Einheiten fehlen oder durch eine Mutation außer Kraft gesetzt worden sein, kann das Tier (oder der Mensch) nichts Süßes mehr schmecken.

Allen Katzenarten und einigen anderen Raubtierarten fehlt nun das Gen, das für den T1R2-Rezeptor codiert. Katzen können daher nichts Süßes schmecken, was ja aber für die Fleisch fressende Raubtierart überhaupt kein Nachteil ist.

Evolutionsbiologen vermuten hier eine Anwendung des Prinzips "use it or loose it": Gene, die über viele Generationen nicht mehr gebraucht werden, unterliegen nicht mehr der Selektion, es häufen sich also Mutationen an, die das Gen schließlich nutzlos machen. In seltenen Fällen wird das Gen aber auch so verändert, dass es eine neue Aufgabe übernehmen kann.

Pflanzen locken mit süßen Früchten

Interessant ist, wie sich Pflanzen an unser Geschmacksempfinden im Laufe der Coevolution angepasst haben. Zur Verbreitung ihrer Samen bilden viele Samenpflanzen Früchte. Man denke nur an den Apfel. Das Fruchtfleisch des Apfels ist mit Monosacchariden angereichert, vor allem mit Glucose und Fructose und schmeckt daher sehr süß. Reife Äpfel "sollen" also von Tieren gefressen werden. Die Samen selbst aber, im im Kerngehäuse des Apfels sitzen, sind sehr bitter. Sie "sollen" von den Tieren wieder ausgespuckt werden, damit sie auf den Boden fallen und neue Apfelbäume bilden können.

Quellen, die über allgemeines Schulbuch- und Fachbuchwissen hinausgehen:

  1. Chandrashekar, Hoon, Ryba & Zuker, "The receptors and cells for mammalian taste", Nature 2006.
  2. Assadi-Porter, Radek,Rao & Tonelli, "Multimodal Ligand Binding Studies of Human and Mouse G-Coupled Taste Receptors to Correlate Their Species-Specific Sweetness Tasting Properties", Molecules 2018.
  3. Wikipedia, Artikel "gustatorische Wahrnehmung".
  4. Schling: Der Geschmack (essentials). Springer-Verlag 2018. Kindle-Version.
  5. Wikipedia, Artikel "Venusfliegenfallen-Domäne".
  6. Shadan: "A taste of umami". Nature 2009.