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Die Bitter-Rezeptoren LK, Studium

Einzelheiten zu den Bitter-Rezeptoren

Die Süß- und Umami-Rezeptoren haben sich im Laufe der Evolution entwickelt, damit Tiere die energieliefernden Nährstoffe Zucker und Stärke (süß) bzw. Proteine (umami) schneller von "wertlosen" Stoffen unterscheiden können. Viele organische und anorganische Stoffe, die man beim (Fr)essen mit aufnehmen kann, sind aber toxisch. Um die Aufnahme solcher giftigen Stoffe zu vermeiden, haben sich im Laufe der Evolution Bitter-Rezeptoren gebildet. Nun sind aber viele verschiedene Verbindungen mit völlig unterschiedlichen Strukturen giftig für Tier und Mensch. Ein einziger Bitter-Rezeptor hätte also nicht ausgereicht, um die Vielfalt der giftigen Stoffe zu erkennen. Aus diesem Grunde gibt es eine ganze Reihe verschiedener Bitter-Rezeptoren in den Geschmacksknospen der Tiere und Menschen.

Bitterstoffe

Die Wikipedia definiert "Bitterstoffe" folgendermaßen:

"Als Bitterstoffe werden alle chemischen Verbindungen bezeichnet, die durch Aktivierung von T2R (G-Protein-gekoppelter Rezeptor) einen bitteren Geschmack aufweisen. Sie können sowohl aus der Natur kommen als auch synthetisch hergestellt werden. Bitterstoffe sind keine chemisch einheitliche Gruppe, sondern zeichnen sich nur dadurch aus, dass sie bitter schmecken."

Über 30 Bitter-Rezeptoren

Weil die Bitterstoffe keine chemisch einheitliche Gruppe sind, sondern aus völlig verschiedenen chemischen Verbindungen mit völlig unterschiedlichen Strukturen bestehen, haben die Säugetiere und auch der Mensch über 30 verschiedene Bitter-Rezeptoren [1] entwickelt, die von den sogenannten T2R-Genen exprimiert werden. Die T2R-Proteine treten, ähnlich wie die Süß- und Umami-Rezeptoren, als Heterodimere auf. Dass sie für die Empfindung "bitter" zuständig sind, haben Experimente mit Knock-out-Mäusen gezeigt.

Experimente mit Knock-out-Mäusen

Mäuse, bei denen bestimmte T2R-Gene ausgeschaltet wurden, haben quasi ohne Weiteres bittere Stoffe verzehrt, die von Wildtyp-Mäusen gemieden werden.

Manche Bitterstoffe, die der Mensch als unangenehm empfindet (Phenylthiocarbamid und Salicin), werden von normalen Mäusen gefressen. Verpflanzte man die menschlichen Gene für die T2R-Rezeptoren in diese Mäuse, so spuckten sie diese Bitterstoffe sofort wieder aus.

Bald entdeckte man, dass jede Sinneszelle für "bitter" eine Vielzahl unterschiedlicher Bitter-Rezeptoren besitzt. Egal, welcher Rezeptor dann gereizt wird, schüttet die Zelle dann Neurotransmitter an die nachfolgende Nervenzelle aus. Eine Unterscheidung verschiedener Bitterstoffe ist offensichtlich nicht notwendig für das Überleben.

Sollte bei einer Tierart die Notwendigkeit bestehen, zwischen verschiedenen Bitterstoffen zu unterscheiden, dann müsste diese Art auch unterschiedlich ausgestattete Sinneszellen für verschiedene Bitterstoffe besitzen, die mit jeweils einer eigenen nachfolgenden Nervenzelle verbunden sind, welche die spezifische Bitter-Information an das Gehirn weiterleitet.

Die T2R-Rezeptoren

Der Mensch besitzt mindestens 25 verschiedene T2R-Rezeptoren Die am besten untersuchten sind der T2R16-Rezeptor und der T2R38-Rezeptor [3].

Man hat herausgefunden, dass der T2R16-Rezeptor für besonders giftige Bitterstoffe zuständig ist, wie sie zum Beispiel in Bittermandeln oder Aprikosenkernen vorkommen (Amygdalin, Salicin). Über 2.500 Pflanzen und Insekten stellen diese Giftstoffe her, um sich vor Fraßfeinden zu schützen.

Beim Menschen gibt es zwei verschiedene Varianten von T2R16. Bei der "Nichtschmecker-Variante" befindet sich die Aminosäure Lysin an Position 172, bei der "Schmecker-Variante" ist das Lysin durch die Aminosäure Asparagin ersetzt. Die "Schmecker-Variante" ist heute mit 98% am weitesten verbreitet; diese Menschen können die gefährlichen Giftstoffe sofort an ihrem bitteren Geschmack erkennen und haben daher eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit als die "Nichtschmecker", bei denen die Giftstoffe nur sehr schwach an den T2R16-Rezeptor binden [3].

Der T2R38-Rezeptor bindet andere Stoffe, und zwar Glucosinolate (Senfölglycoside) aus Kohl, Brokkoli und anderen kultivierten Kreuzblütengewächsen. Einerseits sind diese Verbindungen giftig, andererseits tragen sie zum typischen und beliebten scharf-bitteren Geschmack dieser Kohlarten bei. Nimmt man zu viel von diesen Bitterstoffen auf, können die Atemwege, der Magen-Darmtrakt und sogar die Schilddrüse geschädigt werden.

Etwas klassische Genetik

Auch von dem T2R38-Gen bzw. -Rezeptor gibt es zwei Varianten, eine "Schmecker-Variante" und eine "Nichtschmecker-Variante". Beide Varianten kommen etwa gleich häufig vor. Im Vergleich mit den Bitterstoffen, die an den T2R16-Rezeptor binden, sind die T2R36-Bitterstoffe wesentlich weniger toxisch. Der Selektionsdruck zur Entwicklung der "Schmecker-Variante" war also lange nicht so groß wie bei dem T2R16-Rezeptor. Phänotypisch kann man, je nach Genotyp, "Super-Schmecker", "Schmecker" und "Nicht-Schmecker" unterscheiden. Die "Super-Schmecker" haben zwei Exemplare des "Schmecker"-Allels in ihren Zellen, die "Nicht-Schmecker" zwei Exemplare des "Nicht-Schmecker"-Allels. Die normalen "Schmecker" sind heterozygot und besitzen von jedem Allel ein Exemplar.

Warum sich die "Nichtschmecker-Variante" überhaupt in der Bevölkerung hält, ist noch unklar. Vielleicht hat das Essen von Kohl, Brokkoli und anderen Kreuzblüterarten irgendeinen Überlebensvorteil.

Quellen, die über allgemeines Schulbuch- und Fachbuchwissen hinausgehen:

  1. Chandrashekar, Hoon, Ryba & Zuker, "The receptors and cells for mammalian taste", Nature 2006.
  2. Assadi-Porter, Radek,Rao & Tonelli, "Multimodal Ligand Binding Studies of Human and Mouse G-Coupled Taste Receptors to Correlate Their Species-Specific Sweetness Tasting Properties", Molecules 2018.
  3. Schling: Der Geschmack (essentials). Springer-Verlag 2018. Kindle-Version.
  4. Wikipedia, Artikel "Bitterstoffe"