Helmichs Biologie-Lexikon

Oligodendrocyten

Myelinscheiden

Die Oligodendrocyten gehören zu den Gliazellen. Oligodendrocyten bilden Myelin und umhüllen die Axone von Nervenzellen im zentralen Nervensystem (ZNS). Ein Oligodendrocyt kann dabei mit seinen Ausläufern mehrere Nervenzellen gleichzeitig umhüllen, wie das folgende Bild zeigt:

Oligodendrocyten

Oligodendrocyten können mit ihren Ausläufern mehrere Axone gleichzeitig umhüllen
Autor: Ulrich Helmich 2017, Lizenz: siehe Seitenende.

Zu sehen sind hier vier verschiedene Oligodendrocyten, dargestellt in unterschiedlichen Farben: Grün, Blau, Violett und Orange. Die Axone der Nervenzellen sind gelb gezeichnet. Man kann gut sehen, wie beispielsweise der grüne Oligodendrocyt gleichzeitig zwei verschiedene Axone "umwickelt", ebenso wie der blau gezeichnete Oligodendrocyt.

Oligodendrocyten und Schwannzellen

In der Fachliteratur unterscheidet man zwischen Oligodendrocyten und Schwannzellen (manchmal auch als Schwannsche Zellen bezeichnet). Die Oligodendrocyten kommen im Gehirn vor, die Schwannzellen im peripheren Nervensystem. Während die Oligodendrocyten mit ihren Ausläufern mehrere verschiedene Axone umwickeln können, kann eine Schwannzelle immer nur ein einziges Axon umwickeln. Oft werden Oligodendrocyten und Schwannzellen aber auch einfach als Oligodendrocyten zusammengefasst, während man in Schulbüchern oft nur von Schwannschen Zellen redet und damit auch beide Zelltypen meint.

Nährstoffversorgung

Daneben haben Oligodendrocyten eine wichtige Aufgabe bei der Nährstoffversorgung der Nervenzellen. Kürzlich hat man entdeckt, dass reife Oligodendrocyten ihre Atmungskette stillgelegt haben und ihre Energie hauptsächlich über die Glycolyse beziehen. Die dabei anfallenden Stoffwechselprodukte, vor allem Milchsäure, werden dann über Transportproteine an die Axone der Nervenzellen abgegeben, die daraus wiederum Energie gewinnen können. Damit lagern die Axone quasi die Glycolyse, die ja der erste von drei Schritten der aeroben Dissimilation ist, in die Gliazellen aus. Diese könnte man sozusagen als "Vorbrenner" für die Nervenzellen betrachten.

Neurobiologie

Inzwischen weiß man, dass Oligodendrocyten Neurotransmitter aufnehmen können; die Membran der Oligodendrocyten enthält nämlich Rezeptoren für Glutamat und GABA [1, 3], die mit Natriumkanälen verbunden sind. Nach neueren Erkenntnissen sind Oligodendrocyten (und Astrocyten) sogar in der Lage, Rezeptoren für fast alle Neurotransmitter auszubilden [3]. Allerdings entstehen bei der Aufnahme von Neurotransmittern keine Aktionspotenziale wie bei normalen Nervenzellen, sondern es werden Calcium-Kanäle aktiviert, so dass sich die Ca2+-Konzentration im Zellplasma langsam erhöht [3].

Ein Axon - auch das ist eine recht neue Erkenntnis - kann Neurotransmitter nämlich nicht nur über das synaptische Endknöpfchen ausschütten, sondern auch an den Ranvierschen Schnürringen. Dort gelangen die Neurotransmitter in die Ausläufer der Oligodendrocyten. Die Oligodendrocyten können so registrieren, ob ein Axon besonders häufig "feuert". Ist dies der Fall, verstärken die Oligodendrocyten die Myelinschicht, wodurch die Geschwindigkeit der Erregungsweiterleitung erhöht wird. Wie man kürzlich herausgefunden hat, spielen solche Prozesse auch bei Lernvorgängen im Gehirn eine wichtige Rolle [2].

Quellen:

  1. Wikipedia, Artikel "Oligodendrozyt"
  2. R. Douglas Fields, "Wie das Gehirn lernt", Gehirn und Geist 9/2020.
  3. Bear, Connors, Paradiso: Neurowissenschaften, Springer-Verlag 2018