Helmichs Biologie-Lexikon

Astrocyten

Allgemeines

Astrocyten sind Zellen des Gehirns, die zur Klasse der Gliazellen gehören. Die Astrocyten sind die häufigsten Gliazellen, sie füllen 20 - 50% des Volumens des Zentralnervensystems aus [1].

Der Mediziner Michael von Lenhossek (1863- 1937) prägte 1985 den Begriff "Astrozyt", weil diese Zellen sternförmig aussehen und lange Ausläufer haben. Auf den ersten Blick können Astrocyten mit normalen Nervenzellen verwechselt werden. Heute kennt man aber eine ganze Reihe unterschiedlich aussehender Astrocyten, das sternförmige Aussehen wird nicht mehr als typisches Merkmal für Astrocyten angesehen [5].

Aufnahme von Neurotransmittern

Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts entdeckten Forscher um Helmut Kettenmann, dass Astrocyten auf die Ausschüttung der Neurotransmitter Glutamat und GABA reagieren können. Nach neueren Erkenntnissen sind Astrocyten (und Oligodendrocyten) sogar in der Lage, Rezeptoren für fast alle Neurotransmitter auszubilden [4].

Allerdings entstehen bei der Aufnahme von Neurotransmittern keine Aktionspotenziale wie bei normalen Nervenzellen, sondern es werden intrazelluläre Calcium-Kanäle aktiviert, so dass sich die Ca2+-Konzentration im Zellplasma langsam erhöht [4]. Die Ca2+-Ionen werden allerdings nicht aus dem Außenmedium der Astrocyten aufgenommen, sondern aus internen Calciumspeichern, ähnlich wie bei Muskelzellen [5].

Ernährung von Nervenzellen, Regulation des Umgebungsmilieus

Astrocyten spielen auch eine Rolle bei der Ernährung der Nervenzellen, da sie die Neurone mit den Blutgefäßen verbinden [2]. Ein Teil der Astrocyten-Ausläufer umschlingt Blutkapillaren und holt Sauerstoff und Nährstoffe aus dem Blut, ein anderer Teil der Astrocyten-Ausläufer umschlingt Nervenzellen, vor allem in der Synapsenregion, und versorgt diese mit Sauerstoff und Nährstoffen. Gleichzeitig nehmen Astrocyten Neurotransmitter aus dem synaptischen Spalt auf (siehe oben) und begrenzen so die Ausbreitung dieser Substanzen [4].

Auch bei der "Abfallbeseitigung" im Nervensystem spielen die Astrocyten eine wichtige Rolle, siehe dazu "Glymphatisches System" in der Wikipedia. Schließlich regulieren Astrocyten die Konzentration der Kalium-Ionen im Außenmedium [4].

Lernvorgänge im Gehirn

Wie man kürzlich herausgefunden hat, spielen Astrocyten auch eine wichtige Rolle bei Lernvorgängen im Gehirn. Astrocyten helfen nämlich bei der gezielten Veränderung der Dicke der Myelinschicht bei markhaltigen Axonen.

Die Oligodendrocyten - eine andere Klasse der Gliazellen - registrieren, wann ein Neuron aktiv ist. Ist das der Fall, wickeln sie sich verstärkt um das Axon und verdicken somit die Myelinschicht, was die Geschwindigkeit der Erregungsleitung stark erhöht. Aktive Neurone werden dadurch noch aktiver.

Umgekehrt kann die Myelinschicht aber auch "verdünnt" werden, wenn aus irgendwelchen Gründen die Geschwindigkeit der Erregungsleitung zu hoch ist und verringert werden soll. Dazu muss aber der Kontakt zwischen dem Myelin und der Membran des Axons verringert werden. Ein bestimmtes Enzyme namens Thrombin sorgt dafür, dass die Myelinschicht dünner wird. Aber dieser Vorgang darf nicht endlos weitergehen, weil ja sonst die ganze Myelinschicht verschwinden würde. Also muss der Thrombinproduktion Einhalt geboten werden. Und dafür sorgen wiederum die Astrocyten. Sie sondern einen Stoff ab, der die Thrombinproduktion hemmt [3].

Quellen:

  1. Lexikon der Neurowissenschaften, Spektrum-Verlag 1998, Artikel "Astrocyten"
  2. Wikipedia, Artikel "Astrozyt", abgerufen am 20.09.2020
  3. R. Douglas Fields, "Wie das Gehirn lernt", Gehirn und Geist 9/2020.
  4. Bear, Connors, Paradiso: Neurowissenschaften, Springer-Verlag 2018
  5. Rita Förster, "Die Rolle des Calcium-Signals für Gliazellen bei der Verarbeitung sensorischer Informationen im Maus Kortex in vivo" (Dissertation, TU München 2020