Helmichs Biologie-Lexikon

Ranviersche Schnürringe

Die Axone der Wirbeltiere sind normalerweise von einer Myelinscheide umhüllt. Diese besteht aus den Fortsätzen von Oligodendrocyten (im Gehirn und Rückenmark) oder aus Schwannschen Zellen (im peripheren Nervensystem).

Die Myelinscheide eines Axons (gelb) besteht aus Schwannschen Zellen (blau), die sich um das Axon in mehreren Lagen herumgewickelt haben.
Quelle: Wikipedia, Autor: Autor: Gareth Jones
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In der Abbildung oben [1] sieht man eine aus mehreren Schwannschen Zellen bestehende Myelinscheide. Die Schwannschen Zellen decken das Axon (gelb) aber nicht lückenlos ab, sondern zwischen den einzelnen Schwannschen Zellen befinden sich winzige Lücken, in denen das "nackte" Axon zu sehen ist. Diese Lücken wurden zuerst von dem französichen Forscher Louis-Antoine Ranvier (1835-1922) entdeckt und werden ihm zu Ehren als Ranviersche Schnürringe bezeichnet.

Die von den Schwannschen bedeckten Bereiche das Axons enthalten so gut wie keine spannungsgesteuerten Ionenkanäle, Aktionspotenziale können dort also nicht entstehen. Die spannungsgesteuerten Natrium- und Kaliumkanäle treten dagegen in den Ranvierschen Schnürringen besonders gehäuft auf. Dort können sich also Aktionspotenziale besonders leicht bilden.

Entsteht nun ein Aktionspotenzial an einem dieser Schnürringe, so erzeugt die Spannungsumkehr der Axonmembran ein elektrisches Feld, das so stark ist, dass es bis zu den benachbarten Schnürringen reicht. Dort wird der für die Bildung von Aktionspotenzialen erforderliche Schwellenwert von -50 mV überschritten, und es entstehen quasi sofort neue Aktionspotenziale in dem benachbarten Schnürring, der "stromaufwärts" liegt. In dem "stromabwärts" liegenden Schnürring kann kein Aktionspotenzial entstehen, weil sich dort die spannungsgesteuerten Natriumkanäle noch in der Refraktärphase befinden.

"Die Isolationslücken wirken wie ein elektrischer Repeater oder Signalverstärker, der einen Impuls entlang des Axons von Schnürring zu Schnürring weiterleitet" [2].

In dem Artikel, aus dem das obige Zitat stammt, werden auch neue Erkenntnisse zur Myelinscheide vorgestellt, die noch in keinem Schulbuch stehen. Die Schwannschen Zellen wickeln sich ja bekanntlich um das Axon in mehreren Lagen herum. Je mehr Schichten eine Myelinscheide hat, desto schneller ist die Geschwindigkeit der Erregungsweiterleitung, weil dann weniger Spannung verloren geht. Und je schmaler die Ranvierschen Schnürringe sind, desto schneller können sich hier Aktionspotenziale bilden.

"Denn es wird weniger Zeit benötigt, um die frei liegende Axonoberfläche auf die nötige Spannung aufzuladen..." [2].

Quellen:

  1. englische Wikipedia, Artikel "Myelin: Demyelination", abgerufen am 10.07.2020
  2. R. Douglas Fields, "Wie das Gehirn lernt", Gehirn und Geist 9/2020.