Unter diesem Fachbegriff versteht man einen großen Komplex aus Proteinen in der inneren Membran der Mitochondrien. Der NADH-Dehydrogenase-Komplex enthält nicht nur integrale und periphere Membranproteine, sondern auch Nichtmembranproteine. Dieser Komplex spielt eine wichtige Rolle in der Atmungskette der Mitochondrien.
Aufgabe des NADH-Dehydrogenase-Komplexes
Die Aufgabe dieses Proteinkomplexes besteht darin, Elektronen vom reduzierten NADH (aus dem Citratzyklus) zu übernehmen und auf Ubichinon zu übertragen, das eine Komponente des NADH-Dehydrogenase-Komplexes ist.
Redoxpotenziale [3]
NAD+ / NADH = -0,32 V
FAD / FADH2 = -0,22 V
Ubichonon / Ubichinol = +0,10 V (-0.08 V laut [4]).
Cytochrom c (+3) / Cytochrom c (+2) = +0,22 V
1/2 O2 + 2 H+ / H2O = +0,82 V
Ubichinon hat mit +0,10 V ein positiveres Redoxpotenzial als NADHmit -0,32V, die Elektronen fließen also "bergab", ähnlich wie in einer Batterie, wenn sie vom Zink zum Kupfer fließen. Die in dieser Redoxpotenzial-Differenz gespeicherte Energie ermöglicht dann den aktiven Transport von vier Protonen quer über die innere Mitochondrienmembran in den Zwischenmembranraum. Der Transport dieser vier Protonen macht schon einmal 40% des gesamten Protonentransfers über diese Membran aus [4].
Aufbau und Funktion des Komplexes
Aufbau
Der NADH-Dehydrogenase-Komplex besteht in tierischen Zellen aus mindestens 46 verschiedenen Polypeptidketten [3], die Masse liegt bei zwischen 940 [2] und 1000 [1] kDa, was extrem viel ist. 14 dieser Polypeptidketten, die "core subunits", sind bei Bakterien und Menschen nahezu identisch, sie sind also hochkonservativ [4].
Der NADH-Dehydrogenase-Komplex nach Alberts et al.
Autor: Ulrich Helmich 09/2024, Lizenz: Public domain.
Der NADH-Dehydrogenase-Komplex besteht aus zwei "Armen". Der eine Arm ragt in die Mitochondrien-Matrix hinein, er besteht hauptsächlich aus hydrophilen Aminosäuren. Der andere Arm ist eher hydrophob und befindet sich in der inneren Mitochondrien-Membran. Der hydrophile Arm ist für den Elektronentransport zuständig, der hydrophobe Arm für den aktiven Transport von Protonen.
Genauer Ablauf der Reaktion
Elektronentransport
Unten links im Bild sehen wir die Oxidation des NADH zu NAD+. Die beiden freigesetzten Elektronen werden zusammen mit zwei Protonen von einem Flavinmononucleotid aufgenommen, aus dem FMN entsteht dann die reduzierte Form
$FMN + 2 \ e^{-} + 2 \ H^{+} \to FMNH_2$
Das reduzierte FMNH2 gibt die beiden Elektronen dann an eine Reihe von sieben Eisen-Schwefel-Clustern weiter. Am Ende dieser Reihe befindet sich ein achter Eisen-Schwefel-Cluster, der die Elektronen dann an ein Ubichinon-Molekül weitergibt (das auch als Coenzym Q bezeichnet wird):
$Q + 2 \ e^{-} \to Q^{2-}$
Laut [4] sind an diesem Elektronentransport nur sieben Fe-S-Cluster beteiligt, es gibt aber zwei weitere Fe-S-Cluster, die nicht direkt an der Transportkette beteiligt sind.
Protonentransport
Das Ubichinon ist nun negativ geladen, weil es zwei Elektronen aufgenommen hat. Diese negative Ladung wirkt sich auf die negativ und positiv geladenen Aminosäuren in den nächsten Untereinheiten des Komplexes aus. Diese ändern nun ihre Konformation, was dann den Protonentransport bewirkt.
Einzelheiten zum Protonentransport
Rechts oben im Bild sehen wir drei größere Protein-Komplexe, die von einer ca. 6 nm langen α-Helix durchzogen werden. Die Konformations-Änderung der vorgeschalteten Protein-Einheit, vor allem die negative Ladung des Ubichinons [3] wirkt sich nun auf die Konformation dieser α-Helix aus [1,3].
In [1] wird diese Helix mit einer Verbindungsstange verglichen, wie sie in Dampfmaschinen üblich ist.
Jeder der drei größeren Protein-Komplexe enthält nun einen Protonenkanal (rot gezeichnet). Im Ruhezustand befindet sich dieser Protonenkanal jedoch in einer Konformation, in der keine Protonen passieren können.
Wenn sich aber die Konformation der langen α-Helix ändert, hat dies Auswirkungen auf die Konformation der drei Protonenkanäle, so dass jetzt Protonen transportiert werden können.
Ein viertes Proton wird wahrscheinlich zusätzlich von dem ersten der vier großen Proteinkomplexe transportiert.
Wie genau jetzt dieser aktive Transport funktioniert, wie die im Redoxpotenzial-Unterschied NADH/Ubichinon gespeicherte Energie dazu genutzt wird, wird in [1] leider nicht erklärt und in [2] leider auch nicht. Also recherchieren wir mal in anderen Büchern, zum Beispiel dem Stryer [3].
Hier finden wir folgende Fakten: Durch die Verschiebung der horizontalen langen Helix verändert sich die Struktur der vertikalen Helices (Protonenkanäle). Dadurch ändert sich der pKS-Wert der Aminosäuren so, dass Protonen aus der Matrix an diese Aminosäuren binden.
"Anschließend lösen sie sich wieder, treten in den mit Wassermolekülen ausgekleideten Kanal ein und gelangen in den Intermembranraum. Auf diese Weise führt der Fluss von zwei Elektronen vom NADH zum Coenzym Q durch die NADH:Q-Oxidoreduktase dazu, dass vier Protonen aus der Matrix des Mitochondriums herausgepumpt werden." [3].
Eine richtige Erklärung ist das aber auch noch nicht, aber diese Darstellung ist zumindest etwas genauer als die in [1].
Noch genauer wird der Protonentransport in [4] dargestellt. Hier ist die Rede davon, dass die Protonenkanäle bestimmten Antiportern ähneln. Bei einem Na+/H+-Antiporter beispielsweise fließen Natrium-Ionen passiv durch die Membran und treiben dabei den aktiven Gegentransport von Protonen an. Weder in [1], [3] oder [4] sieht man aber irgendwelche Na+-Ionen (oder andere Ionen) in den Zeichnungen oder im Text erwähnt.
Hier setzen sich die Protonen aus der Matrix an Aminosäuren im hydrophoben Arm der NADH-Dehydrogenase. Durch die Konformationsänderung, die durch die Reaktion Q → Q2- bedingt ist, werden die Protonen dann auf andere Aminosäuren übertragen, und von dort schließlich in dem Membranzwischenraum entlassen. Von Gegenionen wie Na+ ist hier nicht die Rede.
Ein zusätzlicher Protonentransport
Das negativ geladene Q2- nimmt nun aus der Matrix noch zwei Protonen auf und wird dadurch zu QH2, aus dem Keton Ubichinon wird der Alkohol Ubichinol.
Dadurch werden zwar keine Protonen aus der Matrix in den Zwischenmembranraum transportiert, aber die Konzentration der Protonen in der Matrix nimmt ab. Der Protonengradient wird durch diesen Prozess also verstärkt [3].
Weitere NADH-Quellen
In [3] wird noch bemerkt, dass der Citratzyklus nicht die einzige Quelle für NADH ist. Auch der Fettsäure-Abbau in den Mitochondrien liefert Reduktionsäquivalente in Form von NADH, die dann in die Atmungskette einfließen.
Schließlich kann auch NADH, das im Cytoplasma in anderen Stoffwechselprozessen entsteht, in die Mitochondrien eingeschleust werden und dann die Atmungskette befeuern.
Quellen:
- Bruce Alberts et al.: Molekularbiologie der Zelle, 6. Auflage, Weinheim 2017.
- Wikipedia, Artikel "Mitochondrielle NADH-Dehydrogenase"
- Berg, Tymoczko, Gatto jr., Stryer: Stryer Biochemie, 8. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2018.
- Mary Luckey: Membrane Structural Biology: With Biochemical and Biophysical Foundations