Helmichs Biologie-Lexikon

Mutation

Eine Mutation ist eine nicht-zielgerichtete, zufällige Veränderung der Erbinformation einer Zelle.

Einteilung der Mutationen nach ihrer genetischen Ursache

  1. Genmutationen, die sich nur auf ein einzelnes Gen auswirken, sind Folgen von Veränderungen der Basensequenz der DNA, zum Beispiel durch Insertion, Deletion oder Substitution einzelner Basen.
  2. Chromosomenmutationen wirken sich schon auf ganze Chromosomen aus und sind teilweise sogar im Lichtmikroskop zu erkennen.
  3. Genommutationen schießlich betreffen das gesamte Genom eines Lebewesens, wenn sich zum Beispiel der Chromosomensatz verdoppelt hat (Polyploidie), oder wenn von einem Chromosom drei Exemplare vorliegen (Trisomie).

Siehe hierzu die entsprechende Seite in der Genetik-Abteilung!

Die Rolle von Duplikationen für die Evolution

Für die Evolution am wichtigsten sind sicherlich die Duplikationen, eine Klasse der Chromosomenmutationen, bei der ganze Gene verdoppelt werden. Das eine Exemplar des Gens kann dann weiterhin seine ursprüngliche Aufgabe verrichten, das zweite Exemplar ist eigentlich überflüssig und kann dann durch Mutationen verändert werden, ohne dass das gleich tödliche oder nachteilige Auswirkungen auf das Überleben oder den Fortpflanzungserfolg des Individuums hat. Die Evolution kann mit dieser Genkopie sozusagen "herumspielen" und durch Zufall vielleicht neue interessante und sogar vorteilhafte Merkmale hervorbringen.

Wie können neue Gene erzeugt werden?

Zur Erzeugung neuer Gene, mit denen die Evolution dann "herumspielen" kann, gibt es nach [1] vier Möglichkeiten:

  1. Intragene Mutation. Damit ist eigentlich eine "normale" Genmutation gemeint. Ein bereits vorhandenes oder durch eine Duplikation entstandenes Gen wird durch zufällige Veränderung der Basensequenz modifiziert.
  2. Duplikation (Genverdopplung). Das ist die "klassische" Genduplikation, wie sie auch in vielen Schulbüchern erwähnt wird. Aus einem Gen werden durch einen "unglücklichen" Fehler bei der Replikation oder bei der Paarung der homologen Chromosomen deren zwei.
  3. Shuffling (Sequenzvermischung). Zwei Gene brechen auf und die Bruchstücke verbinden sich neu. Das neue Gen ist dann ein Hybrid mit Genmaterial aus den beiden ursprünglichen Genen.
  4. Horizontaler Gentransfer. Ein Gen wird von einer Zelle auf eine andere Zelle übertragen. Bei Bakterien ein durchaus alltäglicher Vorgang, bei Eukaryoten anscheinend auch schon beobachtet. Dieser Transfer von genetischem Material kann auch artübergreifend stattfinden. Bei Bakterien werden beispielsweise Gene für Antibiotika-Resistenz auf diese Weise übertragen.

Einteilung der Mutationen nach ihrer Auswirkung auf das Individuum

Neben dieser bekannten Einteilung kann man die verschiedenen Mutationen auch nach ihrer Auswirkung auf das Individuum unterteilen.

  1. Neutrale Mutationen haben keine oder so gut wie keine Auswirkungen auf den Phänotyp, sie sind daher weder nachteilig noch vorteilhaft für das Individuum. Wenn sich später einmal die Umweltbedingungen ändern, können aus solchen neutralen Mutationen jedoch schädliche oder vorteilhafte Mutationen werden.
  2. Schädliche Mutationen haben nachteilige Auswirkungen auf den Phänotyp des Individuums, und letale Mutationen sind direkt tödlich. Oft kommen solche Mutationen gar nicht zum Tragen, weil schon die befruchtete Eizelle oder der frühe Embryo abstirbt.
  3. Ganz selten kommen aber auch vorteilhafte Mutationen vor. Ein Adler, der zum Beispiel eine verbesserte Augenlinse hat, kann seine Beute leichter erkennen,und eine Maus, deren Trommelfell aus irgendeinem Grund besser schwingen kann, hat ein empfindlicheres Gehör. Auch auf molekularer Ebene gibt es vorteilhafte Mutationen. Ein Enzym, welches eigentlich zum Zerlegen von mit der Nahrung aufgenommenen Nucleinsäuren gedacht war, kann durch eine Mutation plötzlich auch die DNA eingedrungener Viren zerstören und verschafft damit der Zelle einen deutlichen Überlebensvorteil. Siehe hierzu auch Vertiefungsseite "positive Mutationen"

Bedeutung der Mutationen für die Evolution der Arten

Gäbe es keine Mutationen, so könnten keine neuen Eigenschaften entstehen. Die in der Art bereits vorhandenen Eigenschaften würden zwar immer wieder neu durchmischt (Rekombination des Erbmaterials durch Meiose, Crossing-Over etc.), und es würden immer wieder Nachkommen mit neuen Eigenschafts-Kombinationen auftreten, aber völlig neue Eigenschaften gäbe es ohne Mutationen nicht. Durch Mutationen wird die Variabilität innerhalb einer Art stark erhöht. Die neu auftretenden Eigenschaften unterliegen dann der Selektion, müssen sich also im "Kampf ums Überleben" bewähren. Nachteilige Mutationen verschwinden auf diese Weise aus der Population, vorteilhafte Mutationen setzen sich durch und werden verstärkt auf die nachfolgenden Generationen weitergegeben, und neutrale Mutationen werden "en passant" weitervererbt.

Quellen:

  1. Alberts, Bruce et al. Molekularbiologie der Zelle, 6. Auflage, Weinheim 2017.