Der Krieg der Verdauungssäfte
Johan Baptista van Helmont war ein belgischer Naturgelehrter, der von 1580 bis 1644 lebte. Er entdeckte unter anderem, dass Verdauungsprozesse nicht durch Hitze, wie man bisher annahm ausgelöst werden, sondern durch Säuren, die der Magen absondert. Dabei entdeckte er auch als erster Wissenschaftler die Salzsäure.
Bereits die alten Griechen glaubten, dass die Verdauung ein Krieg zwischen verschiedenen Säften des Körpers ist, konnten aber nichts Genaues dazu sagen, weil sie ja nur "nachdachten", aber so gut wie keine Experimente durchführten.
Helmont übernahm diesen alten Gedanken, konkretisierte ihn aber. Er entdeckte, dass der Bauchspeichel sauer war, der Gallensaft dagegen basisch. Wenn er beide Flüssigkeiten zusammen gab, schäumte es im Reagenzglas auf. Das gleiche Phänomen konnte er beobachten, wenn er Essigsäure und Kalk zusammen gab. Das Phänomen der Neutralisation war damals also bereits bekannt, konnte aber nicht wissenschaftlich erklärt werden.
Sein Schüler, Franciscus Sylvius (1614 - 1672) meinte, die Körpertemperatur des Menschen käme dadurch zustande, dass basische Gallensalze des Blutes im Herzen mit saurem Blut reagieren. Viele Krankheiten erklärte Sylvius dann mit einem Zuviel am Saurem oder Basischem im Körper.
Robert Boyle
Robert Boyle (1627 - 1692) war ein irischer Naturforscher, der viel zum modernen Elementbegriff beitrug und das Gesetz zum Zusammenhang zwischen Druck und Volumen eines Gases entdeckte und auch sonst viel zur Entwicklung der modernen Chemie beitrug.
Auch im Gebiet der Säure-Base-Chemie war Boyle überaus erfolgreich, er entwickelte nämlich die ersten Indikatoren. Er fand heraus, dass sich Veilchensaft rot färbt, wenn man ihn in eine Säure gibt, aber grün, wenn man ihn in eine Base gibt. Auch mit anderen Pflanzenfarbstoffen wie Lackmus experimentierte er. Boyle definierte Säuren und Basen dann so:
Säuren sind Stoffe, die Veilchensaft rot färben, Basen sind Stoffe, die ihn grün färben.
Boyle führte sehr viele Experimente mit Säuren, Basen und verschiedenen Metallen durch. Die Metalle konnte er nicht richtig einordnen, gehörten sie zu den sauren oder zu den basischen Stoffen? Wenn man Salzsäure mit Zink reagieren lässt, kommt es zu einer heftigen Reaktion. Also müsste das Zink eine Base sein. Andererseits löst sich Zink auf, wenn man es in eine Lösung aus Soda (Natriumcarbonat) gibt. Diese Lösung ist stark basisch. Also müsste Zink jetzt eigentlich eine Säure sein. Eine richtige Lösung für dieses Problem fand Boyle nicht, aber immerhin konnte er Stoffe jetzt in sauer, basisch und neutral einteilen.
Antoine de Lavoisier
Der französische Naturforscher Antoine Laurent de Lavoisier (1743 - 1794) fand heraus, dass sich beim Lösen eines Nichtmetalloxids in Wasser eine Säure bildet.
Das Musterbeispiel, das auch heute noch im Chemieunterricht der 7. oder 8. Klassen durchgeführt wird, ist die Verbrennung von Schwefel in einem Standzylinder und das anschließende Auflösen des Schwefeldioxids in destilliertem Wasser. So erhält man die schwefelige Säure, deren Summenformel heute als H2SO3 bekannt ist. Beim Auflösen von Stickoxiden konnte man salpetrige Säure erhalten, und beim Auflösen von Kohlendioxid Kohlensäure.
Da die Oxide stets Sauerstoff enthalten, müssen auch die Säuren Sauerstoff enthalten, schlussfolgerte Lavoisier um 1780 aus seinen Versuchen.
Säuren sind Verbindungen, die aus einem Nichtmetall und Sauerstoff bestehen.
An dem Basen-Begriff versuchte sich Lavoisier offensichtlich nicht. Er hätte eigentlich erkennen müssen, dass Laugen oder Basen entstehen, wenn man Metalloxid wie CaO oder MgO in Wasser löst. Diese Basen enthalten dann aber auch Sauerstoff. Somit ist der Besitz von Sauerstoff kein eindeutiges Kriterium für eine Säure.
Justus von Liebig
Justus von Liebig (1803 - 1873) machte dann eine für damalige Zeiten wohl sensationelle Entdeckung: Durch genaue Maßanalysen (Elementaranalysen) fand er nämlich heraus, dass manche Säuren keinen Sauerstoff enthalten.
Der 1808 von Humphry Davy entdeckte Chlorwasserstoff HCl ist eine solche Säure, auch der Schwefelwasserstoff H2S gehört zu den sauerstofffreien Säuren.
Liebig definierte Säuren dann als Stoffe, die Wasserstoff enthalten, der durch Metalle ersetzt werden kann.
Säuren sind Verbindungen, die Wasserstoff enthalten, der durch Metalle ersetzt werden kann.
Eine entsprechende Definition für Basen ist von Liebig nicht bekannt. Er konnte auch nicht erklären, warum manche Wasserstoffverbindungen ihren Wasserstoff leicht abgeben (Chlorwasserstoff, Schwefelsäure), während das bei anderen, teils sehr wasserstoffreichen Verbindungen wie Methan CH4 nicht der Fall ist.
Säure/Base-Begriff von ARRHENIUS
Svante August Arrhenius (1859 - 1927) war ein schwedischer Physiker und Chemiker, der um 1884 entdeckte, dass Salze spontan (also ohne Einwirkung einer elektrischen Spannung) in Kationen und Anionen dissoziieren, wenn man sie in einem polaren Lösemittel wie Wasser löst:
$NaCl(s) \to Na^{+}(aq)+ Cl^{-}(aq)$
Für diese Entdeckung erhielt Arrhenius 1903 den Nobelpreis für Chemie.
Doch nicht nur Salze wie NaCl konnten durch Wasser in Ionen zerlegt werden, sondern auch Säuren und Basen:
$HCl(g)\to H^{+}(aq)+ Cl^{-}(aq)$
bzw.
$NaOH(s)\to OH^{-}(aq)+ Na^{+}(aq)$
Arrhenius definierte dann den Begriff der Säure bzw. Base folgendermaßen:
Säuren sind Wasserstoff-Verbindungen, die in wässriger Lösung unter Bildung von Protonen und Säurerest-Anionen zerfallen.
Basen sind Verbindungen, die in wässriger Lösung unter Bildung von Hydroxid-Ionen und Basenrest-Kationen zerfallen.
Das Säure-Base-Konzept von Arrhenius kann viele Reaktionen von Säuren und Basen gut erklären, vor allem auch die Neutralisation. Es gibt in der Chemie aber auch Basen, die überhaupt keine OH--Ionen abgeben können, die aber trotzdem mit Säuren zu Salzen reagieren können. Das Musterbeispiel für eine solche Base ist das Ammoniak NH3.
Auf dieser Lexikonseite finden Sie eine etwas ausführlichere Darstellung des Säure-Base-Konzeptes von Svantje Arrhenius.
Säure/Base-Begriff von BrØnsted
Nach Johannes Nicolaus BRØNSTED (1879 - 1947) sind Säuren Moleküle oder Ionen, die Protonen abgeben können und daher als Protonendonatoren bezeichnet werden.
Dieser Säure-Begriff ist weitgehend deckungsgleich mit dem Säure-Begriff von Arrhenius, bezieht sich aber auf Teilchen und nicht auf Verbindungen und ist daher wesentlich flexibler.
Salzsäure ist nach BRØNSTED keine Säure, sondern eine saure Lösung, während die Verbindung Chlorwasserstoff HCl(g) eine Säure ist.
Nach BRØNSTED sind Basen Atome, Moleküle oder Ionen, die ein Proton anlagern können. Basen werden von BRØNSTED auch als Protonenakzeptoren bezeichnet.
Dieser Base-Begriff unterscheidet sich stark von dem Base-Begriff von Arrhenius. Das wird am Beispiel NaOH bzw. Natronlauge deutlich.
Säuren sind Verbindungen, die Protonen an eine Base abgeben können (Protonendonatoren).
Basen sind Verbindungen, die Protonen von einer Säure aufnehmen können (Protonenakzeptoren).
Das Beispiel NaOH
Nach Arrhenius ist Natriumhydroxid eine Base. Wenn man NaOH in Wasser auflöst, dissoziiert das Salz in Natrium-Ionen und Hydroxid-Ionen.
Nach BRØNSTED dagegen ist NaOH ein Salz, das beim Auflösen in Wasser Natrium-Ionen und Hydroxid-Ionen freisetzt. Die bei dieser Dissoziation gebildeten Hydroxid-Ionen sind nach BRØNSTED dann die Basen, weil sie Protonen aufnehmen können.
Das Beispiel NH3
Ammoniak ist nach Arrhenius keine Base, denn das NH3-Molekül enthält keine OH-Gruppe, die als OH--Ion abgegeben werden kann. Nach BRØNSTED dagegen ist Ammoniak eine Base, denn das N-Atom des NH3-Moleküls besitzt ein freies Elektronenpaar, an das sich ein Proton anlagern kann.
Säure/Base-Begriff von Lewis
Als ob es nicht schon genug Säure/Base-Begriffe gäbe, hat der Chemiker Gilbert Newton Lewis (1875 - 1946) einen weiteren, noch moderneren und allgemeineren Säure/Base-Begriff geschaffen.
Danach sind Säuren Teilchen, die eine leere Kugelwolke ( ein leeres Orbital) besitzen, das mit dem freien Elektronenpaar (dem doppelt besetzten Orbital) einer Base überlappen und eine kovalente Bindung bilden kann. Basen sind entsprechend Teilchen mit mindestens einem freien Elektronenpaar.
Im Chemieunterricht der gymnasialen Oberstufe spielt dieser Säure/Base-Begriff von Lewis eine wichtige Rolle, vor allem in der Organischen Chemie, zum Beispiel bei elektrophilen und nucleophilen Reaktionen.
Säuren sind Teilchen, die ein leeres Orbital besitzen, das ein Elektronenpaar aufnehmen kann (Elektronenpaarakzeptoren).
Basen sind Teilchen, die mindestens ein freies Elektronenpaar besitzen (Elektronenpaardonatoren).
Das Beispiel Aluminiumchlorid
Aluminiumchlorid und -bromid sind typische Lewis-Säuren, denn das Zentralatom Aluminium hat nur drei Außenelektronen, somit ist eine Kugelwolke bzw. ein Orbital der Außenschale leer und kann mit dem doppelt besetzten Orbital einer Lewis-Base eine kovalente Bindung bilden.
Das Beispiel Carbenium-Ion
Carbenium-Ionen sind organische Moleküle, die ein positiv geladenes C-Atom mit einem leeren pz-Orbital besitzen (bzw. einer leeren Kugelwolke). Dieses leere Orbital kann ebenfalls mit dem freien Elektronenpaar einer Lewis-Base überlappen und so eine kovalente Bindung bilden.
Das Beispiel H+
Protonen sind die einfachsten Lewis-Säuren. Ein Proton besteht ja nur aus dem positiv geladenen Elementarteilchen und einer leeren Elektronenhülle bzw. einer leeren Kugelwolke bzw. einem leeren 1s-Orbital (je nachdem, welches Atommodell Sie bevorzugen). An diesem Beispiel wird der Unterschied zwischen dem Säure-Begriff von Brönsted und dem von Lewis ganz deutlich. Nach Brönsted ist eine Säure wie Schwefelsäure ein Protonendonator, gibt also Protonen ab, während nach Lewis Schwefelsäure selbst keine Säure ist, wohl aber das abgegebene Proton.
Lewis-Basen
Beispiele für Lewis-Basen sind die bekannten Brönsted-Basen wie NH3, H2O, OH-, aber auch Stoffe wie F, Br2, O2 oder N2, die nicht als Brönsted-Basen auftreten, aber relativ elektronegativ sind und mindestens ein freies Elektronenpaar besitzen, das mit der leeren Kugelwolke einer Lewis-Säure überlappen kann. Auch polarisierte Doppelbindungen werden oft zu den Lewis-Basen gezählt, manchmal sogar die C=C-Doppelbindung. Die Addition eines Protons (Lewis-Säure) an die C=C-Doppelbindung von Ethen ist im Grunde eine Säure-Base-Reaktion nach Lewis.
➥ Lewis- Basen
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Quellen:
- Binnewies et al., Allgemeine und anorganische Chemie, 3. Auflage, Springer-Verlag 2016.
- Hollemann, Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 102. Auflage, Berlin New York 2007.
- Riedel, Jannik: Anorganische Chemie, 7. Auflage, Berlin New York 2007
- Brock: Viewegs Geschichte der Chemie, Braunschweig 1997.
- Weyer: Geschichte der Chemie, Band 2 - 19. und 20. Jahrhundert. Berlin 2018.