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Logarithmische Reizcodierung

Allgemeines - Versuche - Vertiefung

Stark schwankende Reizintensitäten

Manche Reize können in ihrer Intensität sehr extrem variieren. Jeder, der schon mal die manuellen Funktionen seiner Kamera genutzt hat, weiß das. Bei sehr hellem Sonnenschein muss man die Blende auf 16 stellen und hat trotzdem noch eine kurze Belichtungszeit von 1/1000 Sekunde. In einem dunklen Zimmer bei Kerzenschein muss man dagegen die Blende voll auf 1,4 öffnen und hat trotzdem noch eine lange Belichtungszeit von vielleicht 1/15 Sekunde.

Wir wollen jetzt einmal den Helligkeitsunterschied ausrechnen zwischen diesen beiden Belichtungen. Dazu etwas Nachhilfe-Unterricht in den Grundlagen der Photographie.

Blende und Belichtungszeit

Blende

  • Blende 1 = voll Öffnung der Blende; mehr geht nicht!
  • Blende 1,4 = die Blendenöffnung hat nur noch die halbe Fläche der vollen Öffnung. Der Durchmesser der Blendenöffnung ist um den Faktor $\sqrt[2]{2} = 1,41421 \simeq 1,4$ verringert worden.
  • Blende 2 = die Blendenöffnung hat nur noch ein Viertel der offenen Fläche; der Durchmesser der Öffnung ist halbiert worden. Im Vergleich zur offenen Blende 1 fällt nur noch 1/4 des Lichtes ein, im Vergleich zur Blende 1,4 nur noch die Hälfte.
  • Blende 2,8 = Verringerung des Lichteinfalls auf 1/8 der Offenblende.
  • Blende 4 = Verringerung des Lichteinfalls auf 1/16 der Offenblende.
  • Blende 5,6 = Verringerung des Lichteinfalls auf 1/32 der Offenblende.
  • Blende 8 = Verringerung des Lichteinfalls auf 1/64 der Offenblende.
  • Blende 11 = Verringerung des Lichteinfalls auf 1/128 der Offenblende.
  • Blende 16 = Verringerung des Lichteinfalls auf 1/256 der Offenblende.

Nimmt man also ein Bild mit Blende 16 auf, fällt durch die Blende nur der 128ste Teil des Lichtes wie bei Blende 1,4.

Belichtungszeit

Bei der Belichtungszeit ist das ähnlich. Belichten wir das Bild für 1/30 Sekunden, so fällt nur noch halb so viel Licht auf den Sensor wie bei einer Belichtungszeit von 1/15 Sekunden.

  • Belichtungszeit 1/15 Sekunde = unser Vergleichswert für das dunkle Zimmer.
  • Belichtungszeit 1/30 Sekunde = Verringerung des Lichteinfalls auf 1/2 des Lichteinfalls bei 1/15 Sekunde.
  • Belichtungszeit 1/60 Sekunde = Verringerung des Lichteinfalls auf 1/4 des Lichteinfalls bei 1/15 Sekunde.
  • Belichtungszeit 1/120 Sekunde = Verringerung des Lichteinfalls auf 1/8 des Lichteinfalls bei 1/15 Sekunde.
  • Belichtungszeit 1/240 Sekunde = Verringerung des Lichteinfalls auf 1/16 des Lichteinfalls bei 1/15 Sekunde.
  • Belichtungszeit 1/480 Sekunde = Verringerung des Lichteinfalls auf 1/32 des Lichteinfalls bei 1/15 Sekunde.
  • Belichtungszeit 1/960 Sekunde = unser Vergleichswert für die sonnige Wiese.
    Verringerung des Lichteinfalls auf 1/64 des Lichteinfalls bei 1/15 Sekunde.

Nun kann man bei einer Kamera eine Belichtungszeit von 1/960 nicht direkt einstellen; diese kurze Belichtungszeit wird dann als 1/1000 Sekunde bezeichnet.

Wie groß ist nun der Helligkeitsunterschied zwischen einem dunklen Zimmer, das mit Blende 1,4 für 1/15 Sekunde photographiert werden muss, und einer sonnenbeschienenen Wiese, für die man Blende 16 und eine 1/1000 Sekunde benötigt. Nach unserer Rechnung ist es auf der Wiese um den Faktor 256 * 64 heller als in dem dunklen Zimmer, also 16.384 mal.

Das menschliche Auge hat damit überhaupt kein Problem. Im hellen Sonnenschein können wir genau so gut sehen wie in einem dunklen Zimmer bei Kerzenlicht, obwohl es dort 16.384 mal dunkler ist.

Zugegeben, wenn man aus diesem dunklen Zimmer plötzlich in den hellen Sonnenschein tritt, hat man anfangs ziemliche Probleme mit der blendenden Helligkeit. Aber unser Auge passt sich sehr schnell an diese Lichtflut an, und nach kurzer Zeit können wir wieder klar sehen.

Ein Axon kann diesen eben berechneten Unterschied von 1 : 16.000 unmöglich linear in eine Aktionspotenzialfrequenz umsetzen. Ein Aktionspotenzial dauert ca. 2 bis 4 Millisekunden, im Schnitt also 3 ms. In einer Sekunde können also maximal 330 Aktionspotenzial am Axon entlang flitzen.

Angenommen, die Helligkeit von 16.000 Einheiten wird jetzt mit der maximalen AP-Frequenz von 330 APs/s codiert. Weiter angenommen, diese Codierung erfolgt linear. Eine Helligkeit von 8.000 Einheiten müsste dann mit ca. 160 APs/s codiert werden, eine Helligkeit von 4.000 Einheiten mit 80 APs/s, eine Helligkeit von 400 Einheiten mit 8 APs/s und eine Helligkeit von 4 Einheiten mit 0,08 APs/s. Das würde dann keinen Sinn mehr machen, es würde ja nur alle 5 Sekunden ein neues AP entstehen.

Schauen wir uns an, was Zimmermann diesbezüglich herausgefunden hat:

siehe folgenden Text

Codierung der Lichtintensität
Autor: Ulrich Helmich 2020, Lizenz: siehe Seitenende.

In dieser Abbildung sehen wir eine logarithmische Abhängigkeit zwischen Lichtintensität und Aktionspotenzialfrequenz.

$E = k \cdot log(S)$

$E$ ist dabei die Intensität der Empfindung, $S$ die Reizintensität.

Eine Verdopplung der Reizintensität führt also nicht zu einer Verdopplung der AP-Frequenz (der Intensität der Empfindung), sondern nur zu einer Zunahme um ca. 30%. Erst wenn die Reizintensität 10 mal so stark ist, verdoppelt sich die Intensität der Empfindung.

Eine solche Beziehung ist typisch für Sinneszellen, die ein sehr weites Reizspektrum wahrnehmen müssen. Katzen können sowohl nachts in sehr dunklen Kellern wie auch tagsüber im hellen Sonnenschein auf Mäusejagd gehen. Ihre Augen müssen sehr geringe Lichtintensitäten (10 lux) wie auch tausendfach höhere Lichtintensitäten (10000 lux) verarbeiten. Eine lineare Abhängigkeit der Aktionspotenzialfrequenz von der Reizintensität wäre nur extrem schwer umzusetzen.

Auch das Gehör der Katze arbeitet nach dem Prinzip der logarithmischen Abhängigkeit. Sowohl extrem leise Geräusche wie auch sehr laute Geräusche kann die Katze daher wahrnehmen.

Die Umsetzung von Reizen in eine Aktionspotenzialfrequenz erfolgt nur selten linear; meistens in Form einer Sättigungskurve oder sogar logarithmisch. Dies hat den Vorteil, dass ein sehr großes Spektrum an Reizintensitäten wahrgenommen werden kann.

Die Tatsache, dass viele Reize logarithmisch in eine Aktionspotenzialfrequenz umgewandelt werden, hat sich sogar in der Technik niedergeschlagen. Kennen Sie die Einheit der Lautstärke?

Ein Geräusch mit der Lautstärke 20 dB (Dezibel) ist zehn mal so laut wie ein Geräusch mit der Lautstärke 10 dB. Und 30 dB sind wiederum zehn mal so laut wie 20 dB und so weiter. Hier ein kleines Zitat aus der Wikipedia (Eintrag "Dezibel" vom 15. Juli 2014):

"Der menschliche Sinneseindruck verläuft in etwa logarithmisch zur Intensität des physikalischen Reizes (Weber-Fechner-Gesetz). Damit entspricht der Pegel der einwirkenden physikalischen Größe linear dem menschlichen Empfinden."

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