Helmichs Biologie-Lexikon

Polyploidie

Unter Polyploidie versteht man eine Genommutation, bei der sich der Chromosomensatz verdoppelt, verdreifacht oder vervierfacht. Polyploidien kommen hauptsächlich bei Pflanzen vor, in Einzelfällen auch bei Tieren. Biologen schätzen, dass über 80 Prozent der heute lebenden Pflanzenarten polyploid sind [1]. Bei den Farnen wird sogar geschätzt, dass 95% aller Arten durch eine Polyploidisierung entstanden sind [2].

Man unterscheidet zwei Arten der Polyploidie, je nach Art und Weise der Entstehung: Autopolyploidie und Allopolyploidie.

Autopolyploidie

Unter diesem Begriff versteht man eine Verdopplung, Verdrei- oder Vervierfachung des Chromosomensatzes durch "Unfälle" bei der Mitose oder Meiose. Genauer gesagt, durch sogenannte Non-Disjunctions. Unter diesem Begriff versteht man eine Nicht-Trennung der Chromosomen.

Das kann bei der Mitose geschehen, wenn sich die Chromosomen während der Metaphase in der Äquatorialebene anordnen und dann während der Anaphase in die Chromatiden getrennt werden sollen. Unterbleibt diese Auftrennung während der Anaphase, kann es vorkommen, dass eine Tochterzelle mit dem vollständigen Chromosomensatz entsteht und eine Tochterzelle ganz ohne Chromosomen, die dann schnell abstirbt. Dieses Szenario ist allerdings recht unwahrscheinlich. Viel eher kommt es vor, dass einzelne Chromosomen nicht in ihre Chromatiden getrennt werden, so dass der Chromosomensatz ungleichmäßig auf die Tochterzellen verteilt wird und so unterschiedliche Tochterzellen entstehen.

Bei der Meiose kann es dazu kommen, dass ich in der Anaphase der 1. Reifeteilung die gepaarten homologen Chromosomen nicht voneinander trennen. Die eine Tochterzelle behält dann sämtliche Chromosomen, die andere Tochterzelle geht leer aus und stirbt ab. Die überlebende Tochterzelle teilt sich noch einmal mitotisch (2. Reifeteilung), und es entstehen zwei diploide Keimzellen.

Tetraploide Zygoten

Kommen bei einer Befruchtung zwei solche diploide Keimzellen zusammen, so entsteht eine tetraploide Zygote. Das kann passieren, wenn sich das tetraploide Individuum mit einem anderen tetraploiden Individuum paart bzw. kreuzt (bei Pflanzen spricht man ja nicht von "Paarung"). Auch eine Selbstbefruchtung (bei Pflanzen durchaus häufig) kann zu tetraploiden Zygoten führen.

Tetraploide Zygoten können sich ohne Probleme weiterentwickeln zu fruchtbaren Pflanzen (oder viel seltener Tieren). Bei der Meiose gibt es keine Probleme, denn jedes Chromosom findet bei der Reifeteilung einen Partner.

Triploide Zygoten

Trifft eine diploide Keimzelle dagegen auf eine normale haploide Keimzelle, so bildet sich eine triploide Zygote.

Beschreibung siehe folgenden Text

Bildung eines triploiden Individums
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Wenn sich eine solche triploide Zygote zu einem erwachsenen Individuum entwickelt, hat dieses Probleme mit der Fortpflanzung. Bei der Paarung der homologen Chromosomen während der 1. Reifeteilung findet nicht jedes Chromosom einen Partner. Solche Individuen sind meistens steril. Bei Pflanzen ist das oft kein Problem, sie vermehren sich ja häufig vegetativ (ungeschlechtlich).

Allopolyploidie

Bei dieser Art der Polyploidie findet eine Kreuzung zweier verschiedener Arten mit unterschiedlichen Chromosomensätzen statt. Es entstehen dann Hybride, die normalerweise steril sind.

Beschreibung siehe folgenden Text

Mechanismus der Bildung einer Allopolyploidie
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

In unserem Beispiel haben wir eine Art mit einem Chromosomensatz von 2n = 6 und eine nah verwandte Art mit einem Chromosomensatz von 2n = 4. Wenn sich noch keine präzygotischen Isolationsmechanismen zwischen diesen Arten herausgebildet haben, ist eine Befruchtung durchaus möglich, die Zygote enthält dann drei Chromosomen der einen Art und zwei Chromosomen der anderen Art.

Bei Pflanzen können sich solche Zygoten durchaus ohne Probleme weiterentwickeln, und es entstehen erwachsene Individuen mit diesem gemischten Chromosomensatz. Probleme gibt es aber, wenn sich dieses Individuum fortpflanzen möchte. Bei der Keimzellenbildung scheitert die Paarung der homologen Chromosomen während der Metaphase der 1. Reifeteilung. Die Chromosomen der einen Mutterart finden nämlich keinen passenden Paarungspartner. Entweder passen die Chromosomen nicht zusammen, ober ein Chromosom ist überschüssig und findet daher keinen Partner. Keimzellen können sich so nicht (oder nur sehr erschwert) bilden, und daher sind solche Individuen meistens steril.

Bei Pflanzen ist das oft aber kein Problem, da sie sich häufig ungeschlechtlich fortpflanzen, durch Knospung, Ableger etc.

Gelegentlich findet aber auch eine Autopolyploidisierung der hybriden Individuen statt, dann verdoppelt sich der Chromosomensatz. In unserem Beispiel wäre dann aus der hybriden Pflanze mit 2n = 5 eine Pflanze mit 2n = 10 geworden. Jedes Chromosom ist hier doppelt vorhanden, so dass die Paarung der homologen Chromosomen während der Meiose ohne Probleme ablaufen kann. Man spricht in diesem Fall von einer Wiederherstellung der Fertilität durch Polyploidisierung.

Quellen:

  1. Urry, Cain, Wassermann, Minorsky, Reece, Campbell Biologie, Hallbergmoos 2019, 11.Auflage
  2. Savada, Hillis, Heller, Hacker: Purves Biologie, Springer Verlag Deutschland 2019, 10. Auflage. Herausgegeben von Jürgen Markl.