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Allgemeines über Mutationen

Mutationen sind zufällige und nicht gerichtete Veränderungen des Erbgutes eines Lebewesens, die zu einem veränderten Phänotyp führen können (aber nicht müssen).

Überschätzung der Rolle von Mutationen

Zunächst einmal muss hier deutlich gemacht werden, dass die Rolle von Mutationen allgemein überschätzt wird. Laut MAYR [4] sind vor allem die klassischen Genetiker daran Schuld, dass Mutationen in der Vergangenheit so überbewertet worden sind. MENDEL und seine Nachfolger haben bei ihren Kreuzungen nach den auffälligsten Merkmalen Ausschau gehalten. In der Natur treten so extreme Unterschiede wie zwischen roten und weißen Blüten aber nur relativ selten auf. Bei den Tieren sind die Albinoformen solch markante Mutationen, bei den Pflanzen könnte man noch die Trauerformen einiger Bäume aufführen. Man kann leicht nachvollziehen, warum die Genetiker sich für ihre Kreuzungsexperimente solche auffälligen Mutationen herausgesucht haben.

Dieses von der Klassischen Genetik geprägte Bild stimmt in zwei Punkten nicht mit der Wirklichkeit überein: Erstens sind Mutationen viel häufiger, als die wenigen "spektakulären" Mutationen vermuten lassen. Zweitens sind die meisten Mutationen völlig unauffällig und können oft selbst von Fachleuten nicht auf den ersten Blick erkannt werden.

Einteilung von Mutationen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Mutationen einzuteilen.

Evolutionsbiologie

In der Evolutionsbiologie teilt man Mutationen häufig nach ihren Auswirkungen auf die Fitness eines Individuums ein.

  • Neutrale Mutation: Wirkt sich nicht auf die Fitness des Individuums aus, also auf die Zahl der lebenden Nachkommen.
  • Nachteilige Mutation: Verringert die Fitness.
  • Vorteilhafte Mutation: Erhöht die Fitness.
  • Letale Mutation: Führt zum Tode des Individuums.
Mutationen und ihre Auswirkung auf das Individuum

Auf dieser Seite wird näher auf die eben genannten Mutationsarten eingegangen.

Klassische und molekulare Genetik

In der Genetik werden Mutationen in drei Gruppen eingeteilt:

  • Genmutationen: Ein einzelnes Gen mutiert, es bildet sich ein neues Allel.
  • Chromosomenmutationen: Ein Chromosom verändert sich, dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten wie zum Beispiel Deletion, Inversion oder Insertion.
  • Genommutationen: Der ganze Chromosomensatz verändert sich, bekanntes Beispiel ist die Trisomie 21, bei der das Chromosom 21 des Menschen in dreifacher Ausfertigung vorliegt.

Genmutationen, die sich nur auf ein einzelnes Gen auswirken, sind Folgen von Veränderungen der Basensequenz der DNA, zum Beispiel durch Insertion, Deletion oder Substitution einzelner Basen.

  • Insertion: Einfügen zusätzlicher Basen.
  • Deletion: Herausschneiden von Basen.
  • Substitution: Ersetzen einer Base, zum Beispiel Adenin durch Guanin.
  • Inversion: Eine kurze Basensequenz wird herausgeschnitten und in umgedrehter Form wieder eingebaut.

Chromosomenmutationen wirken sich auf ganze Chromosomen aus und sind teilweise sogar im Lichtmikroskop zu erkennen. Auch hier kann man Insertionen, Deletionen, Substitutionen und Inversionen unterscheiden, nur dass hier nicht einzelne DNA-Basen betroffen sind, sondern ganze Chromosomen-Abschnitte aus Hunderten oder Tausenden von Basen.

Genommutationen schließlich betreffen das gesamte Genom eines Lebewesens, wenn sich zum Beispiel der Chromosomensatz verdoppelt hat (Polyploidie), oder wenn von einem Chromosom drei Exemplare vorliegen (Trisomie).

Kritische Anmerkung:

Die Grenzen zwischen Gen- und Chromosomenmutationen sind fließend, eigentlich kann man nicht richtig zwischen diesen beiden Typen unterscheiden. Ab wenn ist eine Genmutation auch eine Chromosomenmutation? Wenn 40 Basen betroffen sind, wenn 100 Basen betroffen sind, oder erst wenn 1000 Basen betroffen sind? Laut Bear et al. [1, S. 497] könnte man Mutationen, die im Lichtmikroskop auf einem Chromosomen zu erkennen sind, als Chromosomenmutationen bezeichnen, während Mutationen, die man nur mit molekulargenetischen Methoden erkennen kann, als Punktmutation bezeichnet werden könnten.

Somatische und Keimbahnmutationen

Neben dieser Einteilung kann man Mutationen auch noch danach einteilen, ob sie in Keimzellen oder in Körperzellen auftreten.

  • Somatische Mutation: Eine Gen-, Chromosomen- oder Genommutation in Körperzellen. Phänotypisch können sich solche Mutationen auswirken, aber sie werden nicht auf die Nachkommen übertragen, da die Keimzellen nicht betroffen sind.
  • Keimbahnmutationen: Eine Gen-, Chromosomen- oder Genommutation in Keimzellen. Dabei kann man noch einmal unterscheiden, ob die Mutationen in einer Stammzelle auftritt oder "nur" in einer einzelnen Keimzelle. Eine Stammzellenmutation wirkt sich auf alle Keimzellen aus, die aus dieser Stammzelle hervorgehen, die Wahrscheinlichkeit, dass die Mutation auf die Nachkommen übertragen wird, ist also recht hoch. Mutiert dagegen eine einzelne Keimzelle, so wird die Mutation nur dann übertragen, wenn diese Keimzelle zur Befruchtung kommt.

Allgemeine Quellen, die über allgemeines Schulbuchwissen hinausgehen:

  1. Jochen Graw: Genetik, 7. Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2021.
  2. Alfred Nordheim, Rolf Knippers: Molekulare Genetik, 11. Auflage, Thieme-Verlag Stuttgart 2018.
  3. Rolf Knippers: Eine kurze Geschichte der Genetik, 2. Auflage, Springer-Verlag 2017.
  4. Ernst Mayr, Evolution und die Vielfalt des Lebens, Springer Berlin Heidelberg 1979.