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Geschichte der Membranforschung

Monomolekulare Ölschichten

Bereits in der Antike war bekannt, dass unruhiges Wasser etwas beruhigt werden kann, wenn man Öl darauf schüttet. Fischer nutzten diese Technik, damit sie Fischschwärme in bewegtem Wasser besser sehen konnten.

Der Staatsmann und Naturforscher Benjamin Franklin ging 1772 etwas systematischer an dieses Phänomen heran. Er nahm einen Teelöffel Olivenöl und schüttete das Öl in einen See. Das Öl breitete sich überraschend schnell über eine sehr große Fläche aus. Franklin zog daraus zwar den korrekten Schluss, dass die Ölschicht, die sich gebildet hatte, extrem dünn sein musste, weil sie in allen möglichen Farben schimmerte [1]. Er ging aber nicht so weit, die Dicke der Ölschicht zu berechnen, so wie man es heute im Chemieunterricht der Stufe 9 oder 10 macht (siehe "Der Ölfleck-Versuch"). Er hätte das mühelos machen können, er kannte ja das Volumen des Öls und die ungefähren Ausmaße des Ölflecks. Auch veröffentlichte Franklin seinen Versuch nicht, lediglich in einem Brief an seinen Freund Dr. William Brownrigg erwähnte er den Versuch im November 1773.

Der Ölfleck-Versuch

Auch im modernen Chemie-Unterricht der Sek. I wird der Ölfleck-Versuch durchgeführt. Auf dieser Seite können Sie sich über die Durchführung dieses wichtigen Versuchs informieren.

Es wird auch ein Rechenbeispiel besprochen, das für die Lösung der Aufgaben hilfreich sein könnte, falls Sie den Biomembranen-Kurs mitmachen.

Über hundert Jahre später wiederholte Lord Rayleigh im Jahre 1890 die Versuche von Franklin. Er schaffte es, die Dicke der Ölschicht zu berechnen: 16 Angström, das sind 1,6 nm. Auch in Deutschland wurden solche Versuche unternommen, und zwar von Agnes Pockels, die 1891 die Dicke der Ölschicht auf 13 Angström (1,3 nm) schätzte.

Agnes Pockels (1862-1935) lebte in der Nähe von Braunschweig und hatte, wie es damals für junge Frauen üblich war, so gut wie keine höhere Bildung. Nach dem Besuch der Oberschule nahm sie kein Studium auf, sondern übernahm häusliche Tätigkeiten und die Pflege ihrer Eltern. Sie interessierte sich aber stark für naturwissenschaftliche Phänomene und führte bereits mit 18 Jahren Ölfleck-Versuche und andere Versuche mit Flüssigkeiten durch - in ihrer Küche, mit Töpfen und Pfannen. Sie veröffentlichte zwar ihre Ergebnisse, wurde aber in Deutschland nicht beachtet. 1891 teilte sie ihre Ergebnisse aber Lord Rayleigh mit, der sie sofort in der renommierten Zeitschrift Nature veröffentlichte. Daraufhin wurde Pockels auch in Deutschland anerkannt und erhielt eine Stelle am Physikalischen Institut in Braunschweig und später sogar die Ehrendoktorwürde.

Einen entscheidenden Erkenntnisfortschritt erreichte der Amerikaner Irwin Langmuir 1917 (Chemie-Nobelpreis 1932). Er kam ebenfalls auf 13 Angström bzw. 1,3 nm, das war also noch nichts Neues. Er erkannte aber, dass die Triglyceride des Olivenöls aus zwei Teilen bestehen, einem hydrophilen Teil, der mit dem Wasser in Kontakt steht, und einem hydrophoben Teil, der aus dem Wasser herausragt.

Ein Fettauge im Querschnitt

Ein Lipid-monolayer, also eine Lipid-Schicht, die nur aus einer Lage von Molekülen besteht.
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: public domain.

Die Abbildung 1 zeigt eine solche monomolekulare Schicht von Lipiden schematisch. Ein Lipid ist ein amphipolares Molekül. Das heißt, es hat ein hydrophiles (wasserliebendes) Ende und ein hydrophobes (wassermeidendes) Ende. Mit ihrem hydrophilen Ende stehen die Lipid-Moleküle im Wasser, und ihr hydrophobes (bzw. lipophiles) Ende ragt nach oben aus dem Wasser heraus.

Lipid-Doppelschichten

Hewson 1774

William Hewson (1739-1774) war ein englischer Chirurg und Anatom und Freund und Kollege von Benjamin Franklin. Er untersuchte in den 60er und 70er Jahren des 18. Jahrhunderts menschliches Blut. Hewson erkannte, dass Erythrocyten nicht kugelförmig sind, sondern eine abgeplattete Form mit einer Eindellung in der Mitte haben.

Bei seinen Experimenten versetzte Hewson Blut mit einer Salzlösung und beobachtete unter dem Mikroskop, dass die Erythrocyten stark schrumpften (siehe folgende Abbildung, Bild 1). Versetzte er Blut dagegen mit destilliertem Wasser, blähten sich die abgeflachten Erythrocyten kugelförmig auf und platzten schließlich (Bild 3 und 4). Heute bezeichnet man diese Phänomene als Plasmolyse (Bild 1) bzw. Deplasmolyse (Bild 3 und 4).

Plasmolyse und Deplasmolyse bei Erythrocyten
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: Creative Commons Attribution 3.0 France

Diese Abbildung, die mit Komponenten von "Servier Medical Art" erstellt wurde, zeigt stark schematisch die Plasmolyse bzw. Deplasmolyse von roten Blutkörperchen. Das Bild 2 zeigt den normalen isotonischen Zustand eines solchen Erythrocyten. Macht man das Lösemittel durch Zugabe von Salz hyperton, dann wird dem Blutkörperchen Wasser entzogen und es schrumpft zusammen: Plasmolyse. Macht man das Lösemittel dagegen durch Zugabe von destilliertem Wasser hypoton, dann nimmt der Erythrocyt Wasser auf (3) und platzt schließlich (4): Deplasmolyse.

Leider wurden die Erkenntnisse von Hewson über Zellmembranen lange von der Fachwelt ignoriert. Auf anderen Gebieten der Medizin war er jedoch ein anerkannter Wissenschaftler. Er isolierte zum Beispiel Fibrin, eine Komponente des Blutes, die zum Wundverschluss beiträgt [2].

Schultz 1836

C. H. Schultz konnte 1836 zum ersten Mal Membranen von roten Blutkörperchen mit Iod anfärben und im Lichtmikroskop ihre Dicke abschätzen. Er kam auf einen Wert von 22 nm. Das war gar nicht mal so schlecht für die damalige Zeit. Heute weiß man, dass die Zellmembran ungefähr 10 nm dick ist.

von Nägeli 1855

Karl Wilhelm von Nägeli (1817-1891), ein bedeutender Schweizer Botaniker, beschrieb nicht nur als Erster die Zellteilung von Pflanzenzellen sehr genau, sondern führte auch Versuche zur Osmose bei Pflanzenzellen durch, zum Beispiel bei der Wasserpest oder mit farblosen Zellen der Zwiebelhaut [1]. Er kam zu 1855 den gleichen Ergebnissen wie Hewson, die dann auch von der Fachwelt anerkannt wurden [3].

Overton 1899

Charles Ernest Overton beschäftigte sich Ende des 19. Jahrhunderts mit Zellen. Er wollte genauer wissen, warum manche Verbindungen leicht in Zellen eindringen, andere nur schwer, und noch andere gar nicht. Recht schnell war ihm klar, dass fettlösliche Substanzen von den Zellen schneller aufgenommen werden als nicht fettlösliche Verbindungen. Er vermutete, dass die Zellmembran aus fettähnlichen Stoffen aufgebaut ist.

Overton wollte seine Beobachtungen nun auf eine quantitative Basis stellen, also herausbekommen, wie gut bestimmte Stoffe die Membran passieren können. Dazu machte er eine Reihe einfacher Versuche zur Fettlöslichkeit verschiedener Verbindungen. Ähnliche Versuche werden heute im Chemieunterricht der Klassen 10 oder der Stufe EF durchgeführt.

Außerdem entdeckte Overton 1899 das Ionenfallen-Prinzip.

Ionenfallen-Prinzip

Auf dieser Seite finden Sie eine ausführliche Versuchsanleitung für den Ionenfallen-Versuch mit Neutralrot und auch weitere Erklärungen dazu.

Neutralrot ist eine fettlösliche Verbindung, die die Zellmembran leicht passieren kann. In der Zelle aber wird das Neutralrot in eine ionische Verbindung umgewandelt, die die Zelle nicht mehr verlassen kann. Diese Beobachtungen bestätigten Overtons Vermutung, dass Zellmembranen aus Lipiden (fettähnlichen Stoffen) bestehen.

Gorter und Grendel 1925

Bereits William Hewson untersuchte um 1760 bis 1770 menschliches Blut und experimentierte mit Erythrocyten (rote Blutkörperchen), wie bereits weiter oben dargestellt wurde. Erythrocyten spielten auch eine wichtige Rolle bei einem der wichtigsten Versuche der Membranforschung, der 1925 schließlich zur Publizierung des Lipid-Bilayer-Modells führte.

An der Entwicklung des Lipid-Bilayer-Modells waren mehrere Forscher beteiligt. Am bekanntesten sind wohl Evert Gorter (1881-1954) und sein Assistent F. Grendel. Beide Forscher haben an der Universität Leiden Holland geforscht. Interessant ist, dass Gorter eigentlich ein Kinderarzt war, der nur nebenberuflich und unbezahlt geforscht hat.

Diese beiden Forscher erzielten 1925 einen entscheidenden Durchbruch, dem wir das berühmte Gorter-Grendel-Modell der Zellmembran verdanken.

Quellen:

  1. Stillwell: An Introduction to Biological Membranes. Elsevier Science 2016
  2. Wikipedia, Artikel "Carl Wilhelm von Naegeli", abgerufen im August 2022.
  3. Davson: Growth of the Concept of the Paucimolecular Membrane. Circulation, Volume XXVI, November 1962.
  4. engl. Wikipedia, Artikel "William Hewson (surgeon)"

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