Helmichs Chemie-Lexikon

Walden-Umkehr

Die sogenannte Walden-Umkehr oder Walden-Inversion, benannt nach ihrem Entdecker Paul Walden (1896) ist ein Phänomen, das vor allem bei der Nucleophilen Substitution nach dem SN2-Mechanismus auftritt. Hier ein einfaches Beispiel:

Die Bildung des Übergangszustand im Orbitalmodell

Die Bildung des Übergangszustandes
Autor: Ulrich Helmich 2019, Lizenz: Public domain.

Das hier gezeigte 2-Brombutan ist chiral, durch den Angriff des Nucleophils I- wird ein pentavalenter Übergangszustand erreicht. Das Nucleophil ist schon "halb" mit dem zentralen C-Atom des 2-Brombutans verbunden, das Nucleofug ist noch "halb" mit diesem Atom verbunden. Dabei spielt das pz-Orbital des sp2-hybridisierten C-Atoms im Übergangszustand eine entscheidende Rolle, denn es hat zwei gleich große Orbitallappen, die mit den Orbitalen der beiden Reaktanden Iod und Brom überlappen können.

Wenn sich das Nucleofug nun aus dem pentavalenten Übergangszustand herauslöst, dann klappt die Verbindung zur anderen Seite um, ähnlich wie ein aufgespannter Regenschirm im Wind.

Bildung des Endproduktes unter Inversion

Die Bildung des Endproduktes
Autor: Ulrich Helmich 2019, Lizenz: Public domain.

Aus dem (R)-2-Brombutan wird überwiegend das (S)-2-Iodbutan gebildet. Zwar entsteht auch (R)-2-Iodbutan, doch nur in geringerem Umfang.

Die Walden-Umkehr kommt fast ausschließlich bei Reaktionen nach dem SN2-Mechanismus vor, da dieser über einen konzertierten Mechanismus verläuft, bei dem das angreifende Nucleophil das Nucleofug (die Abgangsgruppe) von der gegenüberliegenden Seite verdrängt.

In bestimmten Fällen kann eine Walden-Umkehr aber auch bei Reaktionen auftreten, die nach dem SN1-Mechanismus verlaufen, bei dem ein Carbenium-Ion als Zwischenprodukt gebildet wird. Normalerweise kann ein planares Carbenium-Ion von beiden Seiten mit gleicher Wahrscheinlichkeit angegriffen werden, so dass beide Stereoisomere zu gleichen Teilen entstehen (Racemat-Bildung).

Sterische Faktoren können jedoch dazu führen, dass das angreifende Nucleophil eine Seite des Carbenium-Ions bevorzugt angreift. Wenn dann aus einer (S)-Verbindung eine (R)-Verbindung wird (oder umgekehrt), kann man im Prinzip auch von einer Inversion oder Walden-Umkehr sprechen, auch wenn hier ein völlig anderer Mechanismus dazu geführt hat.