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Die E2-Eliminierung

SN2 vs. E2

Es geht wieder um die Reaktion von 1-Brom-propan mit dem Methanolat-Anion. Vergleichen wir einmal die beiden Übergangszustände der SN2-Reaktion und der E2-Reaktion:

Übergangszustände der SN2-Reaktion und der E2-Reaktion
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Bei der Substitution fungiert das Methanolat-Anion als Nucleophil und "schiebt" quasi das Brom-Atom als Bromid-Ion aus dem Substrat heraus (Rückseiten-Angriff, konzertierte Reaktion).

Bei der Eliminierung fungiert das Methanolat-Anion dagegen als Base und "zieht" das H-Atom als Proton aus dem Substrat heraus. Gleichzeitig (konzertiert) wird das Brom-Atom als Bromid-Ion abgegeben, damit sich kein Carbanion bildet. Die Doppelbindung zwischen den beiden C-Atomen ist im Übergangszustand schon andeutungsweise zu sehen.

E2 erfolgt meistens als trans-Eliminierung

Schauen wir uns mal folgende Situation an:

trans-Eliminierung
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Wir sehen wieder das 1-Brompropan, diesmal aber in der Newmann-Darstellung (links) und in der Sägebock-Darstellung (rechts). Bei der trans-Eliminierung stehen das Brom-Atom am C1-Atom und ein H-Atom am C2-Atom in trans-Stellung. Man spricht hier auch von einer anti-periplanaren Anordnung von H-Atom und Brom-Atom.

Die Eliminierung von HBr erfolgt hier sehr leicht. Warum das so ist, sieht man in der Darstellung rechts. Wir sehen hier hinten das C1-Atom mit dem Brom und vorne das C2-Atom mit einem H-Atom.

Die Orbitale, die an den beiden kovalenten C-H- und C-Br-Bindungen beteiligt sind, sind ebenfalls eingezeichnet. Bei der Eliminierung werden die beiden sp3-hybridisierten C-Atome zu sp2-hybridisierten. Es erfolgt eine Umhybridisierung. Die sp3-Orbitale der beiden C-Atome werden dabei zu pz-Orbitalen. Damit sich aber eine C=C-Doppelbindung bilden kann, müssen die beiden künftigen pz-Orbitale parallel zueinander ausgerichtet sein, sonst kommt es zu keiner Überlappung der pz-Orbitale.

Bei der anti-periplanaren Ausrichtung der beiden zu eliminierenden Atome (H und Br) befinden sich die sp3-Orbitale bereits in der korrekten Orientierung, die Bildung der C=C-Doppelbindung ist also überhaupt kein Problem.

Ist auch eine syn-Eliminierung möglich?

Schauen wir uns dazu das folgende Bild an:

syn-Eliminierung
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Bei einer syn-Eliminierung wären die beiden relevanten sp3-Orbitale ungünstig angeordnet, die Überlappung der künftigen pz-Orbitale wäre nicht möglich, weil die künftigen pz-Orbitale sich nicht überlappen können.

Aus diesem Grund sind die meisten Eliminierungen, die nach dem E2-Mechanismus ablaufen, trans-Eliminierungen.

Selektivität der E2-Eliminierung

Bei der SN2-Substitution ist es ja so, dass Substrate mit Abgangsgruppen an primären C-Atomen besonders leicht reagieren können, Substrate mit Abgangsgruppen an tertiären C-Atomen dagegen so gut wie gar nicht. Hier wird dann der SN1-Mechanismus bevorzugt. Substrate mit Abgangsgruppen an sekundären C-Atomen können beide Arten der Substitution eingehen, hier spielen weitere Faktoren eine wichtige Rolle. Die SN2-Reaktion ist also in hohem Maße selektiv.

Bei der E2-Eliminierung ist das überraschenderweise überhaupt nicht der Fall. E2-Eliminierungen finden auch bei Verbindungen statt, bei denen sich die größere Abgangsgruppe an einem tertiären C-Atom befindet. Das liegt daran, dass das angreifende Nucleophil bei einer Eliminierung eben nicht in seiner Eigenschaft als Nucleophil angreift, sondern in seiner Eigenschaft als Brönsted-Base, also als Protonen-Akzeptor.

Vergleich SN2 und E2
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

Bei der SN2-Reaktion muss sich das angreifende Teilchen als Nucleophil in das Substrat-Molekül "hineindrängen", um das Nucleofug "hinauszuschieben". Hier spielt die sterische Hinderung oft eine große Rolle, da sich das Nucleophil dem positiv polarisierten C-Atom annähern muss.

Bei der E2-Reaktion fungiert das angreifende Teilchen nicht als Nucleophil, sondern als Base. Die Base muss lediglich ein kleines Proton aus dem Substrat "herausziehen". Und dabei sind auch größere Alkyl-Gruppen in dem Substrat kein besonderes Hindernis. Das H-Atom ist sterisch leicht zugänglich, wie man sagt.

Hier haben wir ein typisches Beispiel für die sogenannte Regioselektivität. Das Methanolat-Anion greift als Nucleophil eine andere Region des Substrats an, als wenn es das Substrat als Base angreift.

Quellen:

  1. Vorlesung Organische Chemie 1.17 von Prof. G. Dyker: "Nucleophile Substitution" (YouTube)
  2. Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992
  3. VollhardT, Schore: Organische Chemie. 6. Auflage, Weinheim 2020.
  4. Morrison, Boyd, Bhattacharjee: Organic Chemistry. 7. Auflage, Dorling Kindersley 2011.
  5. J. Clayden, N. Greeves, S. Warren: Organische Chemie. Berlin 2013.
  6. Buddrus, Schmidt, Grundlagen der Organischen Chemie, 5. Auflage, De Gruyter-Verlag 2014.
  7. Carey, Sundberg, Organische Chemie - ein weiterführendes Lehrbuch, Weinheim 1995

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