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3. Physikalische Eigenschaften

Allgemeines - Nomenklatur - phys. Eigenschaften - Konformationen - Radikalische Substitution

3.1 Rekapitulation: Schulwissen

3.1.1 Siedetemperaturen

Im Vergleich zu anderen organischen Verbindungen haben Alkane sehr niedrige Siedetemperaturen. Dies ist auf die extrem geringe Polarität der C-H-Bindungen zurückzuführen. Alkan-Moleküle werden untereinander nur durch London-Kräfte zusammengehalten, die schwächste Form der van-der-Waals-Kräfte.

In fast jedem Chemiebuch findet man eine Auflistung oder graphische Darstellung der Siedepunkte der n-Alkane, so wie zum Beispiel diese:

Siedepunkte der n-Alkane mit 1 bis 19 Kohlenstoff-Atomen
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: Public domain

Interessant an dieser Graphik ist das kontinuierliche Ansteigen der Siedetemperatur innerhalb der homologen Reihe der Alkane. Das n-Butan hat einen Siedepunkt von -0,5 ºC, deshalb ist der entsprechende Balken in der Abbildung nicht zu sehen. Ab Pentan sind die Alkane bei Zimmertemperatur flüssig (Siedetemperatur von Pentan = 36,1 ºC).

Aufgabe

Erklären Sie, wieso die Siedepunkte der Alkane mit zunehmender Kettenlänge ansteigen.

Lösung:

Die van der Waals-Kräfte wirken über die Kontaktflächen zwischen den einzelnen Molekülen. Je größer diese Kontaktfläche, desto stärker diese intermolekularen Kräfte. Und je länger die Kohlenstoff-Kette eines Alkans, desto länger sind die Moleküle und daher auch die Kontaktfläche zwischen den Molekülen:

Zahl der C-Atome → Länge der Moleküle → Kontaktfläche → van der Waals-Kraft → Siedetemperatur

Aufgabe:

Erklären Sie die unterschiedlichen Siedetemperaturen der folgenden drei Pentan-Isomere!

Lösung:

Das 2,2-Dimethyl-propan ganz rechts hat eine fast kugelförmige Gestalt, daher ist die Kontaktfläche zwischen den Molekülen minimal.

Diese minimale Kontaktfläche zwischen den Molekülen hat extrem geringe intermolekulare Anziehungskräfte zur Folge, und die wiederum haben einen sehr niedrigen Siedepunkt zur Folge, weil ja nicht viel Energie aufgewandt werden muss, um diese Anziehungskräfte zu überwinden.

Das langkettige n-Pentan ganz links hat eine große Kontaktfläche mit anderen n-Pentan-Molekülen, die Folge sind hohe zwischenmolekulare Kräfte und somit ein relativ hoher Siedepunkt.

3.2 Vorbereitung auf das Chemie-Studium

3.1.1 Schmelztemperaturen

Interessanter als die Siedepunkte sind die Schmelzpunkte der Alkane - dieser werden meistens nicht in der Schule behandelt. Man sollte doch meinen, dass die Schmelzpunkte mit der Kettenlänge kontinuierlich ansteigen, analog zu den Siedepunkten. Das ist aber nicht durchgehend der Fall, wie die folgende Abbildung zeigt:

Schmelzpunkte der n-Alkane mit 1 bis 19 Kohlenstoff-Atomen
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: Public domain

Achten Sie auf das Ethan (2) und das Propan (3) ganz links in der Graphik. Propan besitzt einen niedrigeren Schmelzpunkt als Ethan – ein Ergebnis, das man aufgrund der größeren Molekülmasse und Kettenlänge zunächst nicht erwarten würde.

Diese Unregelmäßigkeit im Verlauf der Schmelztemperaturen hängt mit der Kristallstruktur fester Alkane zusammen. n-Alkane bilden im festen Zustand Kristallgitter, deren Packungsdichte davon abhängt, ob die Kohlenstoffkette eine gerade oder ungerade Anzahl von C-Atomen besitzt. Alkane mit geradzahliger C-Atomzahl lassen sich dichter packen als solche mit ungeradzahliger C-Atomzahl, was zu stärkeren zwischenmolekularen Wechselwirkungen und damit zu höheren Schmelzpunkten führt.

Je länger die C-Ketten der Alkane werden, desto unerheblicher werden diese Unterschiede allerdings.

Der Odd-Even-Effekt bei n-Alkanen

n-Alkane liegen im festen Zustand bevorzugt in einer gestreckten Zickzack-Konformation vor. Dabei ist entscheidend, wie die beiden endständigen Methyl-Gruppen räumlich zueinander orientiert sind.

Bei geradzahligen n-Alkanen wie Ethan, Butan, Hexan und so weiter zeigen die beiden endständigen Methyl-Gruppen in entgegengesetzte Richtungen, wenn das Molekül in seiner langgestreckten Form vorliegt. Dadurch besitzen diese Moleküle eine ziemlich symmetrische Gestalt.

Bei ungeradzahligen n-Alkanen wie Propan, Pentan und Heptan zeigen die endständigen Methyl-Gruppen in die gleiche Richtung. Dadurch wirkt das Molekül asymmetrischer, was im Kristallgitter eine regelmäßige Stapelung erschwert - und somit sind die Anziehungskräfte im festen Zustand leichter zu überwinden → geringe Schmelztemperatur.

Dieses als Odd-Even-Effekt bezeichnete Phänomen wirkt sich um so stärker aus, je kürze die Alkane sind. Mit zunehmender Kettenlänge wächst der Einfluss der gesamten Kontaktfläche, sodass die Unterschiede zwar bestehen bleiben, relativ aber weniger auffallen.

Weitere Einzelheiten: siehe Odd-Even-Effekt in meinem Chemie-Lexikon.

Interessant ist die Frage, wie es mit dem Schmelzpunkten verzweigter Alkane aussieht. Bei den Siedepunkten war die Sache ja recht eindeutig: Je verzweigter das Alkan, desto geringer die Kontaktflächen zwischen den Molekülen und desto niedriger die Siedetemperatur. Betrachten wir nun mal die Schmelztemperaturen einiger Alkane näher.

Schmelzpunkt einiger verzweigter Alkane
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: Public domain

Hier sehen wir die Schmelztemperaturen der fünf Pentan-Isomere. Es ist keineswegs so, dass die Verbindung mit den "kugelförmigsten" Molekülen den niedrigsten Schmelzpunkt hat. Im Gegenteil - das recht langgestreckte 2-Methyl-pentan hat mit -154 ºC den geringsten Schmelzpunkt.

Bei den Schmelzpunkten spielt vor allem die Packungsdichte im Kristall eine wichtige Rolle. Zunächst denkt man vielleicht, dass sich lang gestreckte n-Alkane besser zusammenpacken lassen als verzweigte Isomere. Doch manche dieser verzweigten Isomere haben eine sehr kompakte Gestalt und lassen sich gerade deswegen noch besser zusammenpacken als ihre langkettigen Isomere. Daher hat das 2,2-Dimethyl-butan einen höheren Schmelzpunkt (-100 ºC) hat als das nicht ganz so kompakte 2-Methyl-pentan (-154 ºC).

3.2.2 Viskosität

Unter der Viskosität versteht man so etwas wie "Zähflüssigkeit". Honig hat zum Beispiel eine sehr hohe Viskosität, die Viskosität von Wasser empfindet man als "normal", und Stoffe wie Benzin, Ether etc. haben eine geringe Viskosität.

Man kann die Viskosität eines Stoffes quantitativ ermitteln, indem man beispielsweise 50 ml der Flüssigkeit in eine Bürette gibt, die Bürette unten mit einem engen Glasrohr verschließt und dann die Zeit misst, die erforderlich ist, bis der Inhalt der Bürette ausgelaufen ist. Bei dünnflüssigem Honig würde das vielleicht 50 Sekunden dauern, bei Wasser vielleicht 10 Sekunden, und bei Pentan dann vielleicht 6 oder 7 Sekunden.

Alkane haben allgemein eine geringe Viskosität, zumindest wenn man die Zahl der C-Atome berücksichtigt. Klar, ein Alkan mit 30 C-Atomen hat natürlich eine recht hohe Viskosität, aber andere organische Verbindungen mit der gleichen Anzahl von C-Atomen haben eine noch viel höhere Viskosität. Die geringe Viskosität der Alkane hängt natürlich ebenfalls mit den geringen Anziehungskräften zwischen den Alkan-Molekülen zusammen.

3.2.3 Dichte

Die Dichte der flüssigen Alkane liegt unter 1,0 g/cm3, also dem Wert für Wasser. Wegen der schwachen intermolekularen Kräfte sind die Abstände zwischen den Alkan-Molekülen recht groß, daher die vergleichsweise geringe Dichte.

3.2.4 Wasserlöslichkeit

Für ein unpolares Alkan-Molekül ist es sehr schwer, die Wasserstoffbrücken-Bindungen aufzubrechen, die zwischen den H2O-Molekülen des Wassers bestehen. H-Brücken mit Wasser-Molekülen können die Alkan-Moleküle nicht bilden, und Hydrathüllen können auch nicht entstehen, weil die Alkan-Moleküle so gut wie kein Dipolmoment besitzen, geschweige denn eine richtige elektrische Ladung.

Das Einzige, was den Alkan-Molekülen übrig bleibt, wenn man sie mit Wasser-Molekülen zusammenbringt, ist unter sich zu bleiben und eine eigene Phase zu bilden, die im Falle leichter flüssiger Alkane wie Pentan oder Hexan auf der wässrigen Phase schwimmt.

Hydrophober Effekt

Ganz so einfach, wie hier beschrieben, kann man die Bildung von zwei Phasen nicht erklären. Auf dieser Seite zum hydrophoben Effekt wird dieses Phänomen etwas genauer beleuchtet.

3.3 Übungen

Die Lösungen dieser Aufgaben und der Aufgaben der Kapitel 2 und 3 (Cycloalkane, Alkene) können Sie gegen eine Kostenbeteiligung von 5 Euro über Paypal als PDF-Datei von mir erhalten (einfach auf den Spenden-Button klicken und als Verwendungszweck "Lösungen Organik 1-3" angeben).

Aufgabe 3.1**

Ordnen Sie folgende Alkane aufsteigend nach ihrem Siedepunkt, ohne vorher zu recherchieren:

  1. n-Pentan
  2. 2-Methylbutan
  3. 2,2-Dimethylpropan
  4. Propan
  5. n-Heptan
  6. 3,3-Dimethylpentan

Aufgabe 3.2***

Die neun Heptan-Isomere haben folgende Siedepunkte (Angaben aus der Wikipedia):

  1. n-Heptan: 98 ºC,
  2. 2-Methyl-hexan: 90 ºC,
  3. 3-Methyl-hexan: 92 ºC,
  4. 2,2-Dimethyl-pentan: 79 ºC,
  5. 2,3-Dimethyl-pentan: 90 ºC,
  6. 2,4-Dimethyl-pentan: 80 ºC,
  7. 3,3-Dimethyl-pentan: 86 ºC,
  8. 3-Ethyl-pentan: 93 ºC
  9. 2,2,3-Trimethyl-butan: 81 ºC

a) Zeichnen Sie die neun Strukturformeln (Skelett-Schreibweise),

b) diskutieren Sie dann, inwiefern sich die unterschiedlichen Siedepunkte der Heptan-Isomere mit der Kontaktflächen-Hypothese vereinbaren lassen (langgestreckte Moleküle haben höhere Siedepunkte als kompakt gestaltete Isomere).

Quellen und Literatur-Empfehlungen:

  1. VollhardT, Schore: Organische Chemie. 6. Auflage, Weinheim 2020.
  2. Morrison, Boyd, Bhattacharjee: Organic Chemistry. 7. Auflage, Dorling Kindersley 2011.
  3. J. Clayden, N. Greeves, S. Warren: Organische Chemie. Berlin 2013.
  4. Buddrus, Schmidt, Grundlagen der Organischen Chemie, 5. Auflage, De Gruyter-Verlag 2014.

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