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Testacea

Amöben - Testacea - Foraminifera - Radiolara - Heliozoa

Allgemeines

Thecamöben oder Schalenamöben sind 10 µm bis 0,5 mm groß und besitzen einkammerige Schalen mit einer Öffnung, durch die sie ihre Scheinfüßchen ausstrecken können.

Die Testacea sind eine polyphyletische Gruppe, die lediglich eine Organisationsform beschreibt: Amöbe in einem festen Gehäuse. Die Schalen haben sich mehrmals in der Evolution unabhängig voneinander entwickelt (konvergente Evolution). Die Schalen der verschiedenen Gruppen von Testacea sind also Analogien und nicht Homolgien, und daher haben sie auch unterschiedliche chemische Zusammensetzungen.

Äußere Systematik

Im Kükenthal werden drei Arten der Tecamöben behandelt, Arcella vulgaris, Difflugia urceolata und Euglypha rotunda.

Systematische Stellung von Arcella vulgaris und Difflugia urceolata

A. vulgaris gehört zur Gattung Arcella, zur Familie Arcellina und zur Ordnung Arcellinida. Difflugia urceolata gehört zur Gattung Difflugia, zur Familie Difflugina und ebenfalls zur Ordnung der Arcellinida.

Die Ordnung Arcellinida gehört mit vier anderen Ordnungen zur Klasse Tubulinea.

Die Klasse Tubulinea gehört zum Unterstamm (Subphylum) Lobosa, zusammen mit drei anderen Klassen.

Der Unterstamm Lobosa gehört dem Stamm Amoebozoa an. Dieser Stamm wird als Schwestergruppe zu den Opistokonta angesehen, zu denen u.a. die Tiere und Pilze gehören, wie das folgende Schema zeigt:

Einordnung von A. proteus in das System der Eukaryoten
Autor: Ulrich Helmich 07/2023, Bild der Amöbe: SmallRex, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Die Amoebozoa und die Opistokonta bilden zusammen das Taxon der Amorphea, und dieses Taxon bildet dann zusammen mit den Diaphoretickes die Eukaryoten.

Systematische Stellung von Euglypha

Die Gattung Euglypha gehört zum Taxon Euglyphida. Einen Rang wie "Familie" oder "Ordnung" hat dieses Taxon nicht.

Das Taxon Euglyphida gehört dem ranglosen Taxon Imbricatea an, und das wiederum dem ranglosen Taxon Cercozoa. Dieses Taxon ist den Rhizaria untergeordnet. Alle Vertreter der Rhizaria können Pseudopodien bilden, würden also von biologischen Laien wahrscheinlich als "Amöben" beschrieben.

Die Rhizaria sind eine Untergruppe des Taxons Sar. Diese Bezeichnung ist eine Abkürzung der drei enthaltenen Taxa Stramenophile (Braunalgen und andere), Alveolata (Dinoflagellaten, Ciliaten und andere) und Rhizaria (Radiolaren, Foraminiferen und eben die genannten Cercozoa).

Das Taxon Sar schließlich gehört zu den Diaphoretickes, einem Taxon, das direkt den Eukaryoten unterstellt ist - neben dem Amorphea, zu denen die "normale" Amöbe gehört, aber auch Pilze und Tiere und viele weitere Taxa.

Systematische Stellung von vier Rhizopoden-Arten
Autor: Ulrich Helmich 07/2023, Lizenz: siehe Seitenende

Dieses Schema zeigt die systematische Stellung der drei auf dieser Seite besprochenen Thecamöben-Arten Arcella vulgaris, Difflugia urceolata und Euglypha rotunda. Zum Vergleich wurde auch die Stellung der Amöbe Amoeba proteus mit eingetragen. Man sieht sofort, dass die "normalen" Amöben, wie man sie aus jedem Schulbuch kennt, und die beiden Testacea Arcella vulgaris und Difflugia urceolata einen gemeinsamen Vorfahren haben, da sie beide dem monophyletischen Taxon Tubulinea angehören (grau bzw. gelb markiert).

Die Thecamöbe Euglypha rotunda stammt jedoch aus eine völlig anderen Linie der Eukaryoten (orange markiert).

Diese Übersicht verdeutlich noch einmal - man kann es gar nicht oft genug wiederholen - dass die Testacea keine monophyletische Gruppe sind, sondern lediglich eine Organisationsform, nämlich "Amöbe mit Gehäuse", die in verschiedenen nicht-verwandten Taxa auftritt.

Die drei Testacea-Arten näher betrachtet

Wir wollen nun die drei Testacea-Arten Arcella vulgaris, Difflugia urceolata und Euglypha rotunda näher betrachten.

Arcella vulgaris [2,4]

Diese Art wird im Deutschen auch als Uhrgläschen bezeichnet oder als Uhrglastierchen.

Arcella vulgaris
Frank Fox, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Die Schale von A. vulgaris besteht aus einem selbstproduzierten Strukturproteinen. Sie ist linsenförmig mit einem Durchmesser bis zu 0,17 mm und einer Höhe von bis zu 0,07 mm. Im Mikroskop hat die Schale eine hellgelbe bis dunkelbraune Farbe, je nach Alter. Die dunklere Färbung kommt durch die Einlagerung von Eisen- und Manganverbindungen zustande. Bei einer sehr starken Vergrößerung und im Raster-Elektronenmikroskop kann man erkennen, dass die Schale aus vielen winzig kleinen sechseckigen Feldern besteht.

In der Mitte der Gehäuseunterseite befindet sich eine Öffnung, aus der die Lobopodien austreten können. Mit diesen Lobopodien bewegen sich die Amöben auf festem Untergrund, und sie dienen auch dem Nahrungserwerb (Phagocytose).

Das Cytoplasma ist durch spitz auslaufende Pseudopodien innen an der Gehäusewand befestigt, so dass das Gehäuse nicht ganz vom Plasma ausgefüllt ist.

Im Lichtmikroskop kann man nicht viel von dem "Innenleben" der Amöbe erkennen, wegen der Schale. Weitergehende Untersuchungen haben aber gezeigt, dass die meisten Arcella-Arten zwei oder mehr Zellkerne besitzen, Arcella megastoma (das Großmäulige Uhrglastier, Schalendurchmesser bis 0,4 mm!) sogar bis zu 200. Auch sind mehrere kontraktile Vakuolen vorhanden.

A. vulgaris lebt im Süßwasser, in Mooren und auf nassem Laub. Auch in feuchten und trockenen Moosen kann man die Art finden.

Difflugia urceolata

Difflugia urceolata
Rothaus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Bei den über 300 Difflugia-Arten besteht die Schale nicht aus Strukturproteinen, sondern ist völlig anders aufgebaut. Während der Phagocytose von Nahrung nimmt die Amöbe auch kleine Fremdkörper auf, beispielsweise Sandkörner, Bruchstücke von Kieselalgen-Schalen und andere Mineralkörper. Dieses Fremdmaterial wird dann in die Schale eingebaut und von einer organischen Grundsubstanz zusammengehalten [2]. Im Englischen bezeichnet man die mineralischen Einlagerungen zusammenfassend als "Xenosomes".

Die meisten Difflugia-Arten besitzen nur einen Zellkern, einige Arten aber auch zwei oder mehr.

Difflugia-Arten kommen in vielen Lebensräumen vor, v.a. in Süßwasser-Sedimenten, zwischen Wasserpflanzen, aber auch im Plankton des Süßwassers. Auch in trockenen Moosen hat man schon Difflugia-Arten gefunden. Manche Arten besitzen Algen als Symbionen, diese betreiben dann Photosynthese.

Die Difflugia-Arten ernähren sich hauptsächlich von Algen und Pilzen [4].

Euglypha rotunda

Das zapfenförmige Gehäuse von Euglypha rotunda ist durchsichtig und besteht aus Kieselsäure-Plättchen, die wie Dachziegel übereinander gelagert sind. Eine organische Grundsubstanz hält die einzelnen Plättchen zusammen.

Euglypha spec.
ja:User:NEON / commons:User:NEON_ja, CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons

Auf diesem Bild sieht man das Gehäuse einer Euglypha-Art mit zwei Stacheln. Je nach Form des Gehäuses werden die ca. 40 Euglypha-Arten in drei Gruppen unterteilt:

  1. Gehäuse mit rundem Querschnitt, Öffnung ebenfalls, Stacheln sind Anhängsel der Schuppen
  2. Gehäuse mit elliptischem Querschnitt, Öffnung rund, Stacheln sind keine Schuppen-Anhängsel
  3. Gehäuse abgeflacht, elliptische Öffnujng, keine Stacheln

 

 

Quellen:

  1. Storch, Welsch: Kurzes Lehrbuch der Zoologie, 8. Auflage, München 2005.
  2. Storch, Welsch: Kükenthal - Zoologisches Praktikum, 26. Auflage, München 2014.
  3. Kaestner, Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band I, 1. Teil, Stuttgart 1980.
  4. Wikipedia, verschiedene Artikel.